Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 32.733,58 (darin enthalten S 5.455,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Die klagende Partei begehrt mit der am 14.11.1989 eingebrachten Klage von der beklagten Partei, deren Firma bis 8.11.1989 S***** AG lautete, die Zahlung von S 4,706.877,62 samt 9,5 % Zinsen seit 20.11.1986. Zur Begründung brachte die klagende Partei vor, sie habe sich mit Vereinbarung vom 17./18.7.1986 und 21.7.1986 der beklagten Partei gegenüber als Generalunternehmer verpflichtet, die zum Werk der beklagten Partei B***** gehörige, im Gemeindegebiet R***** liegende Teerwasserdeponie zu beseitigen. Dem Werkvertrag seien sowohl die Beseitigung des Teerwassers als auch die Beseitigung des Teerschlammes zugrundegelegt worden. Nach problemloser Beseitigung des Teerwassers habe die beklagte Partei den auf diesen Vertragsteil entfallenden Betrag zur Gänze ausbezahlt. Für die Entsorgung des Teerschlammes sei unter Zugrundelegung einer Menge von 1.900 t a S
1.670 ein Werklohn von S 3,173.000 vereinbart worden. Während der Entsorgung habe sich herausgestellt, daß sie zu den von der klagenden Partei vorgestellten, einvernehmlich dem Vertrag zugrundegelegten Bedingungen nicht möglich gewesen sei. Der Kontaminierungsgrad des Materials sei exorbitant überhöht gewesen; anstelle der ursprünglich zugrundegelegten 20 ppm Phenol sei bis zu 4.000 ppm Phenol im zu entsorgenden Material enthalten gewesen. Weiters seien nicht 1.900 t, sondern 6.000 t zu entsorgen gewesen. Der von der klagenden Partei ins Auge gefaßt Entsorgungsweg habe eine Entsorgung des Teerschlammes nur bis zu einem Kontaminierungsgrad von 100 ppm erlaubt. Aufgrund eines vorliegenden Bescheides sei der beklagten Partei der tatsächliche Kontaminierungsgrad bekannt gewesen; sie habe daher aus ihrem Verschulden die Durchführung des Werkes vereitelt. Die klagende Partei sei mit Schreiben vom 19.11.1986 vom Vertrag zurückgetreten und habe dessen Aufhebung aus dem Verschulden der beklagten Partei begehrt. Der ihr entgangene Verdienst betrage nach Abzug von ersparten Kosten S 1,748.000. Weiters habe sie umfangreiche Arbeiten durchgeführt, die sich als notwendig und nützlich erwiesen hätten, um eine Verbrennung des Materials durchzuführen; diese tatsächlich aufgewendeten Kosten hätten S 2,958.877,62 betragen. Der Klagsanspruch werde neben dem Anspruch auf Entgelt aus dem Werkvertrag und Schadenersatz auf einen Anspruch wegen nützlicher Geschäftsführung sowie auf jeden anderen denkbaren Rechtsgrund gestützt.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und brachte im wesentlichen vor, der klagenden Partei stehe eine Werklohnforderung von S 668.254 zu, die jedoch mit der von der beklagten Partei aus der Pönalevereinbarung zur Aufrechnung eingewendeten Gegenforderung getilgt werde. Zur Aufrechnung wendete die beklagte Partei bis zur Höhe der Klagsforderung aus der Pönalevereinbarung eine Gegenforderung von S 7,651.940 und aus dem Titel des Deckungsgeschäftes (Differenzschaden) in Verbindung mit dem von der klagenden Partei zu vertretenden Verzögerungsschaden eine Gegenforderung von S 2,751.655,54, insgesamt somit S 10,403.595,54 ein.
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 13.7.1990 beantragten beide Parteien die Unterbrechung dieses Verfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens in erster Instanz zu 10 Cg 30/90 (früher 17 Cg 33/87) des Handelsgerichtes Wien. Das Erstgericht faßte den Beschluß "auf Unterbrechung dieses Verfahrens wie oben beantragt. Fortsetzung nur über Parteienantrag". Die Parteien verzichteten auf Beschlußausfertigung und Rechtsmittel.
Im Verfahren 17 Cg 38/91 des Handelsgerichtes Wien wurde in der Tagsatzung am 3.10.1991 der Beschluß auf Schluß der Verhandlung gefaßt; das Urteil blieb der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten. Das Urteil vom 14.10.1991 wurde den Parteienvertretern am 20.12.1991 zugestellt. Die dort klagende Partei S***** AG gab am 9.1.1992 die Berufung zur Post, der mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2.4.1992, 1 R 35/92-84, nicht Folge gegeben wurde; die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. Dieses Urteil wurde den Parteienvertretern am 21.4.1992 zugestellt. Die von der dort klagenden Partei am 19.5.1992 zur Post gegebene außerordentliche Revision wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 1.9.1992, 5 Ob 1558/92, gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. Dieser Beschluß wurde den Parteienvertretern am 17.2.1993 zugestellt.
Mit dem am 16.3.1993 überreichten Schriftsatz ON 13 beantragte die klagende Partei die Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens und brachte vor, Vergleichsbemühungen seit der Zustellung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 17.2.1993 seien bisher ohne Ergebnis geblieben.
Das Erstgericht faßte den Beschluß auf Fortsetzung des Verfahrens.
In der Tagsatzung zur mündlichen Streiterhandlung am 6.7.1993 wendete die beklagte Partei nunmehr Verjährung ein, weil das Verfahren nicht rechtzeitig nach Beendigung des Verfahrens 10 Cg 30/90 des Handelsgerichtes Wien in erster Instanz fortgesetzt worden sei.
Die klagende Partei hielt dem entgegen, daß das Verfahren erster Instanz erst mit Rechtskraft beendet sei, es ferner einen Begriff Beendigung des Verfahrens in erster Instanz in der ZPO nicht gebe und auch nach § 190 ZPO bei Präjudizialität eines anderen Verfahrens das unterbrochene Verfahren erst nach Rechtskraft dieses Verfahrens fortzusetzen sei. Auch zwischen den Rechtsvertretern sei die rechtskräftige Beendigung des Verfahrens gemeint und auch so besprochen worden.
Die beklagte Partei brachte vor, daß Beweggrund für die Unterbrechung die Würdigung der Beweise gewesen sei, die man in erster Instanz im Parallelverfahren abwarten wollte; tatsächlich sei auch die Entscheidung von der Beweiswürdigung insbesondere zur Frage des Kontaminierungsgrades abhängig gewesen.
Hiezu brachte die klagende Partei vor, daß die unterlegene beklagte Partei gerade die Beweiswürdigung in der Berufung bekämpft habe.
Das Erstgericht wies die Klage mit Urteil vom 30.10.1993 ab. Wenngleich sich die klagende Partei in der Klage auf einen Werkvertrag sowie jeden anderen denkbaren Rechtsgrund stütze, handle es sich beim Klagebegehren ausschließlich um eine Forderung aus einem Werkvertrag, die gemäß § 1486 Z 1 ABGB in drei Jahren verjähre. Die Verjährungsfrist habe mit Rücktritt der klagenden Partei vom Werkvertrag am 19.11.1986 begonnen. Gemäß § 1497 ABGB werde die Verjährung durch Klagseinbringung dann unterbrochen, wenn die Klage gehörig fortgesetzt werde. Das Verfahren sei auf Antrag der Parteien bis 2.12.1991 unterbrochen worden und sollte nur auf Antrag fortgesetzt werden. Der Fortsetzungsantrag sei jedoch erst am 15.3.1993, sohin über 15 Monate später gestellt worden. Bei Unterbrechung des Verfahrens sei in der Regel nach Wegfall des Unterbrechungsgrundes ein Fortsetzungsantrag zu stellen. Die Unterbrechung der Verjährung gemäß § 1497 ABGB sei daher mangels gehöriger Fortsetzung nicht eingetreten; die Klagsforderung sei verjährt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei mit dem angefochtenen Beschluß Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Nach § 1497 ABGB werde die Verjährung ua dann unterbrochen, wenn derjenige, der sich auf sie berufen will, von dem Berechtigten belangt und die Klage gehörig fortgesetzt werde. Ob ein längeres Zuwarten mit der Verfolgung des Anspruchs noch hingenommen werden könne oder ob eine ungewöhnliche Untätigkeit vorliege, sei nach den Umständen des Falles zu beurteilen. Berufe sich der Beklagte auf die Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung, sei es Sache des Klägers, beachtliche Gründe für die Untätigkeit nachzuweisen. Für die Frage, ob eine ungebührliche Untätigkeit vorliege, komme es nicht nur auf die Dauer, sondern auch auf die Gründe der Untätigkeit an. Entscheidend sei insbesondere, ob das Verhalten des Klägers auf sein mangelndes Interesse an der Verfahrensfortführung schließen lasse. Gründe der prozessualen Untätigkeit seien zwar nicht von Amts wegen zu prüfen, wohl aber, ob der Kläger überhaupt gehalten gewesen sei, eine Prozeßhandlung vorzunehmen, um dem Verfahrensstillstand zu begegnen.
Beim hier vorliegenden Beschluß handle es sich zweifellos um einen Unterbrechungsbeschluß wegen eines präjudiziellen Prozesses im Sinn des § 190 ZPO. Nach § 190 Abs 1 ZPO könne das Gericht anordnen, daß das Verfahren auf so lange Zeit unterbrochen werde, bis in Ansehung dieses Rechtsverhältnisses eine rechtskräftige Entscheidung vorliege. Eine Unterbrechung des Verfahrens bis zur Beendigung des präjudiziellen Verfahrens "in erster Instanz" sei im Gesetz nicht vorgesehen. Der Begriff der Beendigung des Verfahrens erster Instanz sei der ZPO fremd. Dem Beschluß des Erstgerichtes könne auch nicht entnommen werden, ob damit der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, der Zustellung der Urteilsausfertigung oder der Rechtskraft des Urteils infolge Nichterhebung eines Rechtsmittels gemeint sei. Hier sei das Ersturteil im präjudiziellen Verfahren am 2.12.1991 zugestellt worden; die Rechtskraft sei jedoch erst mit Zustellung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes, mit dem die außerordentliche Revision zurückgewiesen wurde, am 17.2.1993 eingetreten.
Es sei daher zu prüfen, ob der klagenden Partei eine ungewöhnliche Untätigkeit in der Verfolgung ihres Anspruchs vorgeworfen werden könne, wenn sie ihren Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens erst am 15.3.1993 eingebracht habe. Die klagende Partei habe mit Recht annehmen können, daß trotz der dem Gesetz nicht entsprechenden Formulierung des Beschlusses das Verfahren gemäß § 190 Abs 3 ZPO erst nach rechtskräftiger Erledigung des präjudiziellen Verfahrens wieder aufzunehmen sei. Aus der Tatsache, daß die klagende Partei nach Zustellung des Urteils erster Instanz keinen Fortsetzungsantrag eingebracht habe, nachdem die Gegenseite ein Rechtsmittel eingebracht habe, könne nicht der Schluß gezogen werden, daß der klagenden Partei an der Erreichung des Prozeßzieles nicht gelegen sei. Mit der Einbringung des Fortsetzungsantrages innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses, mit dem der Oberste Gerichtshof die außerordentliche Revision im präjudiziellen Verfahren zurückgewiesen habe, habe die Klägerin die Klage gehörig fortgesetzt, so daß eine Verjährung nicht eingetreten sei. Da das Erstgericht, ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht, den geltend gemachten Anspruch und die Gegenforderungen der Beklagten nicht geprüft habe, sei das angefochtene Urteil aufzuheben gewesen.
Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil zur Frage, ob die Klage gehörig fortgesetzt wurde, wenn "entgegen dem Unterbrechungsbeschluß der Fortsetzungsantrag nicht nach der Zustellung des Ersturteiles, sondern erst nach Rechtskraft des präjudiziellen Verfahrens gestellt wurde", eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der beklagten Partei, zu dem die klagende Partei eine Rekursbeantwortung erstattet hat, ist nicht berechtigt.
Der Ansicht der beklagten Partei, mangels gehöriger Fortsetzung des Verfahrens sei Verjährung eingetreten, kann nicht gefolgt werden.
Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Berechtigte seinen Gegner belangt und die Klage gehörig fortsetzt. "Nicht gehörige Fortsetzung" bedeutet beharrliche Nichtbetätigung des Klägers, wobei es nicht auf die Dauer der Untätigkeit ankommt, sondern darauf, ob die Untätigkeit gerechtfertigt war; hiefür trifft den Kläger die Behauptungs- und Beweislast (SZ 58/112; ZVR 1978/185; JBl 1978, 210; EvBl 1974/196; EvBl 1973/248; SZ 45/97 uva). Es muß ein Verhalten vorliegen, aus dem entnommen werden kann, daß es dem Kläger an dem erforderlichen Ernst zur Erreichung des Prozeßzieles fehlt (SZ 58/112; EvBl 1985/74; EvBl 1973/17 ua).
Im vorliegenden Fall entsprach der Unterbrechungsbeschluß auch in seinem Wortlaut dem Antrag beider Parteien. Eine derartige Befristung des Unterbrechungsbeschlusses bis zur Beendigung eines präjudiziellen Verfahrens in erster Instanz ist im Gesetz nicht vorgesehen; nach § 190 ZPO kann die Unterbrechung ua wegen eines anhängigen Zivilprozesses auf so lange Zeit angeordnet werden, bis in Ansehung dieses Rechtsverhältnisses eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist der im Unterbrechungsbeschluß verwendete Begriff der Beendigung des Verfahrens erster Instanz nicht bestimmt; darunter können sinnvollerweise der Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz, die Urteilsfällung in erster Instanz (Zustellung der Urteilsausfertigung an die Parteien) oder die Rechtskraft des Urteils erster Instanz gemeint sein. Der zuletzt genannte Begriffsinhalt ist aber nur dann eindeutig, wenn das Urteil unangefochten in Rechtskraft erwächst. Bei Erhebung einer Berufung kann nämlich überhaupt nicht abgesehen werden, ob das Verfahren erster Instanz beendet ist oder ob es infolge Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht durch das Berufungsgericht oder durch das Revisionsgericht zu einem weiteren Rechtsgang erster Instanz kommt. In einem solchen Fall kann nicht davon gesprochen werden, daß das Verfahren erster Instanz vor Vorliegen der Entscheidung des Berufungs- bzw des Revisionsgerichtes bereits beendet wäre. Auch die Argumentation der Beklagten, die in erster Instanz entschiedene Beweisfrage sei für diese Formulierung bestimmend gewesen, kann hier keine andere Beurteilung zulassen, weil auch in diesem Fall erst mit Eintritt der Rechtskraft des Ersturteils klar ist, ob die Feststellungen des Ersturteils richtig und vollständig sind. Auch im vorliegenden Fall sind somit die Anforderungen an einen Fortsetzungsantrag nach Unterbrechung im Sinne des § 190 ZPO zu stellen, weil sich aus der von den Parteien gewählten Formulierung nicht eindeutig entnehmen läßt, daß bereits bei Vorliegen eines noch nicht rechtskräftigen Urteils erster Instanz das Verfahren fortzusetzen wäre. Der innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gestellte Fortsetzungsantrag ist somit durchaus als rechtzeitig anzusehen, so daß auch eine dreijährige Verjährungsfrist (§ 1486 Z 1 ABGB) noch nicht abgelaufen ist. Eine nähere Prüfung, inwieweit (auch) Ansprüche geltend gemacht werden, die der 30-jährigen Verjährung unterliegen, kann somit hier unterbleiben.
Der Hinweis der Beklagten, die Klägerin müsse bei gesetzwidrigen Gerichtsaufträgen entsprechende Anträge stellen, um das Verfahren gehörig fortzusetzen, trifft nicht den hier zu beurteilenden Fall, in dem ein Unterbrechungsbeschluß des Erstgerichtes vorliegt, der dem übereinstimmenden Antrag beider Parteien entspricht. Selbst die Unterlassung der, wenn auch objektiv voraussichtlich erfolgreichen, Anfechtung eines Unterbrechungsbeschlusses wäre keine beharrliche Untätigkeit des Klägers (EvBl 1985/74).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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