OGH 3Ob522/93

OGH3Ob522/9328.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf F*****, vertreten durch Dr.Johannes Ruckenbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Sylvia W*****, vertreten durch Dr.Gerhard Eckert, Rechtsanwalt in Wien, wegen 32.998,65 S sA und Räumung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 30.September 1992, GZ 48 R 538/92-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10.März 1992, GZ 46 C 330/88a-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Hauptmieterin eines Geschäftslokals. Sie erwarb das darin betriebene Unternehmen am 2.2.1987 vom damaligen Hauptmieter. Dieser ließ im Jahr 1979 für die Geschäftsräumlichkeiten ein Stahlportal mit Vordach errichten. Aus diesem Anlaß sandte er am 14.6.1979 an den Verwalter des Hauses, in dem sich der Mietgegenstand befindet, folgendes Schreiben (Beilage 1):

"Ich erkläre mich gemäß § 16 MG Abs 2 Zif 4 bereit, zum jeweiligen gesetzlichen Hauptmietzins einen wertgesicherten Zuschlag von S 650 monatlich beginnend ab 1.Juli 1979 zu bezahlen. Der Betrag von S 650 stellt einen integrierenden Bestandteil des zu entrichtenden Mietzinses dar."

Der Betrag von 650 S wurde dem frühren Hauptmieter monatlich vorgeschrieben und von ihm auch bezahlt. Am 3.7.1986 stellte dieser Hauptmieter gemäß § 12 Abs 4 MRG bei der zuständigen Gemeinde den Antrag, die Höhe des angemessenen Hauptmietzinses zu bestimmen. Die Gemeinde holte vor der Entscheidung die Stellungnahme der zuständigen Magistratsabteilung ein, in der bei der Beschreibung des Mietgegenstandes ua auch angeführt wurde, daß er ein Stahlportal mit Vordach besitze. Der angemessene monatliche Hauptmietzins wurde unter Berücksichtigung der "Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, des Ausstattungs- und Erhaltungszustandes" (des Mietgegenstandes) mit 3.900 S geschätzt. Aufgrund dieses Gutachtens, gegen das von den Parteien keine Einwände erhoben wurde, entschied die Gemeinde, daß der angemessene monatliche Hauptmietzins für das Geschäftslokal 3.900 S betrage. Vor Gericht wurde hierüber ein Verfahren nicht anhängig gemacht.

Der Kläger begehrt als Vermieter, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm 32.998,65 S sA zu bezahlen und das Geschäftslokal von Fahrnissen geräumt zu übergeben. Die Beklagte bezahle trotz Mahnung und Setzung einer Nachfrist nicht den Mietzins in der Höhe von monatlich 2.000 S zuzüglich Umsatzsteuer, der ihr für die Hausfläche vorgeschrieben worden sei, die sie zu Werbezecken gemietet habe und die über die Geschäftsinnenbreite und -höhe hinausgehe. Es handle sich dabei um die Fläche, an der das Portal samt Vordach und ein Steckschild angebracht seien.

Die Beklagte wendete ein, daß der für die angeführte Fläche zu zahlende Mietzins in dem von der Gemeinde bestimmten Mietzinsbetrag enthalten sei.

Das Erstgericht wies beide Klagebegehren ab. Es stellte fest, im Zusammenhang mit der Errichtung des Stahlportales mit Vordach im Jahre 1979 habe der damalige Mieter des Geschäftslokales mit dem Hausverwalter eine Vereinbarung geschlossen, mit der sich der Mieter verpflichtet habe, für dieses Vordach einen monatlichen Betrag von S 650 wertgesichert zu zahlen. Dieser monatliche Zuschlag stelle einen integrierenden Bestandteil des zu entrichtenden Mietzinses dar. Dieser sei von der Gemeinde mit 3.900 S monatlich bestimmt worden. Darüber hinaus habe die Beklagte nichts zu bezahlen, weshalb kein Mietzinsrückstand bestehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Der vom Vormieter bezahlte Zuschlag sei nach der Vereinbarung ./1 integrierender Bestandteil des Mietzinses gewesen. Gemäß § 12 Abs 3 MRG sei die gesamte Vertragsposition auf die Beklagte übergegangen. Der vom Unternehmenserwerber zu zahlende angemessene Mietzins sei von der Gemeinde gemäß § 12 Abs 4 MRG mit 3.900 S monatlich bindend festgestellt worden, wobei der gesamte Ausstattungszustand, also auch das Portal samt Vordach, berücksichtigt worden sei. Der Kläger müsse diese Entscheidung der Gemeinde gegen sich gelten lassen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene außerordentliche Revision ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 12 Abs 4 MRG hat das Gericht (die Gemeinde, § 39) auf Antrag des Hauptmieters einer Geschäftsräumlichkeit, der beabsichtigt, das im Mietgegenstand betriebene Unternehmen zu veräußern, die Höhe des nach Abs 3 angemessenen Hauptmietzinses zu bestimmen. Gegenstand der Entscheidung ist daher nur die Höhe des Hauptmietzinses. Aus § 15 Abs 1 MRG ergibt sich hiezu, daß der Hauptmietzins nur einer der Bestandteile des Mietzinses ist, den der Mieter für die Überlassung eines Mietgegenstandes in Hauptmiete zu entrichten hat, und daß gegebenenfalls nach der Z 4 dieser Bestimmung ein weiterer Bestandteil das angemessene Entgelt ist, das dem Vermieter für Leistungen zu bezahlen ist, die er über die Überlassung des Mietgegenstandes hinaus erbringt. Hiezu bestimmt § 25 MRG, daß für die Erbringung dieser Leistungen nur ein angemessenes Entgelt vereinbart werden darf. Der Oberste Gerichtshof hat schon ausgesprochen, daß keine Bedenken bestehen, diese Bestimmung auf das Entgelt analog anzuwenden, das für die Überlassung der im § 1 Abs 1 MRG genannten Nebenflächen zu entrichten ist (SZ 63/14). Er hat in dieser Entscheidung auch klargestellt, daß dies für die Miete einer Hausfassade oder eines Teiles davon (damals: zur Errichtung eines Steckschildes) gilt. Es muß daher auch gelten, wenn Teile der Hausfassade zur Anbringung eines Portals samt Vordach vermietet werden.

Der Oberste Gerichtshof hat zum Mietengesetz ausgesprochen, für die Benützung der Außenmauer zur Errichtung eines Geschäftsportals könne ungeachtet des Umstands, daß sie (gemäß § 1098 ABGB) vom Mietrecht umfaßt sein könnte, ein besonderes Entgelt vereinbart werden (EvBl 1961/22). Entscheidend ist also, ob der Kläger und der Rechtsvorgänger der Beklagten für die Benützung der Außenfläche zur Anbringung des Geschäftsportals ein besonderes Entgelt vereinbart haben, ob der hiefür vereinbarte Betrag also zusätzlich zu dem für das Geschäftslokal gebührenden Hauptmietzins und unabhängig von diesem zu entrichten war, oder ob der Hauptmietzins selbst für diese - gemäß § 16 Abs 1 Z 4 MG zulässige - Erhöhung bildete. Im zweiten Fall wäre der Kläger als Vermieter nur berechtigt, den gemäß § 12 Abs 3 MRG als Hauptmietzins gebührenden Betrag zu begehren. Mit diesem Betrag wäre dann auch das Recht abgegolten, die Außenfläche des Hauses für das Portal zu benützen. Da dies schon aus der zwischen dem Kläger und dem Rechtsvorgänger der Beklagten getroffenen Vereinbarung abzuleiten wäre, käme es nicht darauf an, ob die Beklagte die Außenfläche schon auf Grund des Gesetzes benützen dürfte. Ebenso wäre es ohne Bedeutung, ob die Gemeinde bei ihrer Entscheidung darauf Bedacht nahm, daß sich vor dem Geschäftslokal ein Portal samt Vordach befindet, weil mit der Rechtskraft der Entscheidung der dem Kläger gebührende Hauptmietzins bindend festgestellt wurde.

Anders wäre aber die Sache rechtlich zu beurteilen, wenn für die Benützung der Außenfläche ein besonderes Entgelt vereinbart worden wäre. Da dieses nach dem zur Zeit des Abschlusses der Vereinbarung geltenden Mietengesetz zusätzlich zu dem für das Geschäftslokal gebührenden Hauptmietzins zu entrichten gewesen wäre, müßte für das nunmehr geltende Mietrechtsgesetz, das in dem hier maßgebenden Zusammenhang die gleiche Rechtslage enthält, dasselbe angenommen werden. Es wäre aber folgendes zu beachten:

§ 12 Abs 3 MRG führt bei Vorliegen der darin genannten Voraussetzungen zu einer Vertragsübernahme durch den Unternehmenserwerber, sodaß die gesamte Vertragsposition des Mieters auf den Unternehmenserwerber übergeht (MietSlg 40.285; Würth in Rummel, ABGB2 Rz 7 zu § 12 MRG). Dies bedeutet, daß die bisherigen Vereinbarungen aufrecht bleiben und der Vermieter vor allem nicht gemäß § 12 Abs 3 MRG eine Erhöhung des neben dem Hauptmietzins vereinbarten Entgelts begehren kann, weil dies nur für den Hauptmietzins vorgesehen ist. Da aber das I.Hauptstück des MRG gemäß dessen § 43 Abs 1, von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen, auch für Mietverträge gilt, die vor dem Inkrafttreten des MRG geschlossen wurden, ist auch der im I.Hauptstück enthaltene, hier, wie schon erwähnt, analog anzuwendende (SZ 63/14) § 25 MRG zu beachten. Das für die Überlassung des Teiles der Hausfassade vereinbarte Entgelt darf daher die Höhe eines angemessenen Entgelts nicht übersteigen. Hierüber kann gemäß § 37 Abs 1 Z 12 MRG die Entscheidung im Verfahren außer Streitsachen, gegebenenfalls nach vorangehender Befassung der Gemeinde gemäß § 39 Abs 1 MRG, begehrt werden. Ist jedoch ein solches Verfahren noch nicht anhängig und sind daher die Voraussetzungen gemäß § 41 MRG für die Unterbrechung des Verfahrens über einen Rechtsstreit nicht gegeben, so ist gemäß § 33 Abs 2 und 3 MRG über die Höhe des geschuldeten Betrages und damit die Angemessenheit des für die Überlassung eines Teiles der Hausfassade gebührenden Entgelts im Rechtsstreit als Vorfrage zu entscheiden (5 Ob 155/92; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht Rz 1 zu § 41 MRG).

Die Feststellungen, die vom Erstgericht zu der demnach maßgebenden Frage, ob für die Benützung der Außenfläche ein besonderes Entgelt vereinbart wurde, getroffen und die vom Berufungsgericht übernommen wurden, sind widersprüchlich. Einerseits wurde festgestellt, der frühere Mieter des Geschäftslokals habe sich verpflichtet, für das Vordacht 650 S im Monat wertgesichert zu zahlen. Andererseits wurde aber auch der Inhalt des Schreibens vom 14.6.1979 als erwiesen angenommen; darnach stellt der Betrag von 650 S aber einen integrierenden Bestandteil des Hauptmietzinses dar. Im ersten Fall wäre davon auszugehen, daß für die Benützung der Außenfläche ein besonderes Entgelt vereinbart wurde, im zweiten Fall hätte die Zustimmung des Vermieters zur Benützung der Außenfläche nur das Motiv für die Erhöhung des Hauptmietzinses gebildet.

Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren daher in erster Linie zu klären haben, ob der Kläger und der Rechtsvorgänger der Beklagten für die Benützung der Außenfläche des Hauses - abweichend von dem dann nicht den wahren Parteienwillen wiedergebenden Inhalt des Schreibens vom 14.6.1979 - die Bezahlung eines besonderen Entgelts vereinbart haben. Nur in diesem Fall könnte auch die Beklagte verpflichtet sein, neben dem von der Gemeinde bestimmten Hauptmietzins einen weiteren Betrag zu zahlen. Für dessen Höhe wäre in erster Linie die zwischen dem Kläger und dem Rechtsvorgänger der Beklagten getroffene Vereinbarung, wenn damit aber der Betrag eines angemessenen Entgelts überschritten würde, dieses maßgebend. Sollte hingegen die Vereinbarung eines besonderen Entgelts für die Benützung der Außenfläche des Hauses nicht als erwiesen angenommen werden, würde diese Benützung von dem von der Gemeinde bestimmten Hauptmietzins umfaßt werden und die Beklagte hätte darüber hinaus nichts zu bezahlen.

Die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen zur Behebung des Widerspruches in den Feststellungen erweist sich daher als unvermeidlich.

Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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