Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 976,68 EUR (darin 162,78 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Begründung
Mit seiner am 2. Mai 2007 beim Landesgericht Salzburg eingebrachten Klage beantragte der Kläger, die Beklagte zur Einwilligung in die Löschung des im Grundbuch aufgrund eines Übergabsvertrags vom 14. Mai 1981 verbücherten Wohnrechts sowie der Reallast der Versorgung zu verurteilen. Nach dem Klagevorbringen sei der Kläger Miteigentümer der Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum an drei Wohnungen. Die übrigen Liegenschaftsanteile stünden im Eigentum der Tochter der Beklagten. Die Liegenschaft sei zugunsten der Beklagten mit einem bücherlichen Wohnrecht sowie der Reallast der Versorgung belastet. Die Beklagte habe sich gegenüber dem Kläger verpflichtet, in die Löschung der Rechte einzuwilligen. Sie sei dieser Verpflichtung trotz mehrmaliger Mahnung nicht nachgekommen. Der Kläger bewertete das Begehren auf Abgabe der Willenserklärung der Beklagten mit 15.000 EUR.
Die Beklagte erhob die Einrede der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. In Ansehung des Wohnrechts sei gemäß § 49 Abs 2 Z 3 JN die ausschließliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts gegeben. Mangels gesonderter Bewertung durch den Kläger entfiele auf jeden Teil der beiden Begehren 7.500 EUR, sodass auch in Ansehung der Reallast nach der Wertzuständigkeit des § 49 Abs 1 JN die Zuständigkeit des Bezirksgerichts gegeben sei.
Die Vorinstanzen folgten dieser Argumentation und wiesen die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Landesgerichts zurück. Nach Auffassung des Rekursgerichts lägen zwei Begehren vor, die ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben könnten. Der Kläger hätte die Ansprüche einzeln zu bewerten gehabt. Im Zweifel sei eine getrennte Bewertung zu gleichen Teilen anzunehmen. Für das Begehren auf Löschung des Wohnrechts bestehe die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts. § 49 Abs 2 Z 3 JN sei gegenüber der Bestimmung des § 81 JN (über die örtliche Zuständigkeit) weiter gefasst und gelte für alle Streitigkeiten über die Dienstbarkeit der Wohnung. Die vom Kläger geltend gemachte obligatorische Zusage der Beklagten beziehe sich auf die Dienstbarkeit der Wohnung. Dabei handle es sich „im Grunde um eine Streitigkeit über das dingliche Wohnrecht". Dieses bilde die Hauptfrage des Prozesses. Für die Reallast der Versorgung bestehe zwar nicht die Eigenzuständigkeit nach § 49 Abs 2 Z 3 JN, wegen des Streitwerts von 7.500 EUR sei aber hier die Wertzuständigkeit des Bezirksgerichts gemäß § 49 Abs 1 JN zu bejahen. Selbst im Fall der Zusammenrechnung der beiden Klageansprüche bestimme sich die sachliche Zuständigkeit wegen der teilweisen Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts nicht nach der Summe der Streitwerte.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Rechtsfrage, ob die Eigenzuständigkeitsbestimmung des § 49 Abs 2 Z 3 JN auch auf Streitigkeiten über obligatorische Ansprüche auf Einwilligung in die Löschung eines dinglichen Wohnrechts anzuwenden sei, oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Kläger, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.
Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 2 letzter Teilsatz ZPO), sondern aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig. Der Rekurs ist aber nicht berechtigt.
1. Gemäß § 49 Abs 2 Z 3 JN fallen in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte neben der Bestimmung oder Berichtigung von Grenzen Streitigkeiten „über die Dienstbarkeit der Wohnung und über Ausgedinge". Im Revisionsrekursverfahren ist es unter den Parteien nicht strittig, dass die hier zu beurteilende Reallast der Versorgung nicht unter die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts fällt, wie dies bereits in den vom k. k. Justizministerium herausgegebenen Gesetzesmaterialien im Jahr 1897 erläutert wurde (Materialien zu dem neuen österreichischen Civilprocessgesetzen, Bd II, 341: „... Die Reallasten der Competenz zu entrücken") und auch im heutigen Schrifttum vertreten wird (Simotta in Fasching², § 49 JN Rz 71; Mayr in Rechberger, ZPO³, § 49 JN Rz 9). Für Reallasten gilt also - wenn man nicht eine Analogie zum Ausgedinge befürworten wollte - die Wertzuständigkeit.
2. Auszulegen ist der Gesetzeswortlaut „Streitigkeit über die Dienstbarkeit der Wohnung":
a) Schon allein der Wortlaut spricht für eine weite Auslegung. Die gesetzgeberische Absicht bei der Normierung einer Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte lag in Zweckmäßigkeitserwägungen: „Für die Verweisung an das Bezirksgericht spricht dann die Rücksicht einer leichteren processualen Erledigung dieser Streitsachen, in welchen Verhandlungen an Ort und Stelle oder doch Beweisführungen über gewisse Beziehungen zu Immobilien sehr häufig notwendig und von entscheidendem Gewichte sein werden. Dazu kommt noch, dass in diesen Streitsachen auch das Grundbuch oft genug eine bedeutende Rolle spielen wird, was gleichfalls dafür spricht, die Processverhandlung erster Instanz dorthin zu verlegen, wo das Grundbuch über die Liegenschaft, auf welche sich der Streit bezieht, in aller Regel geführt wird" (Materialien Bd I 60). Diese Erwägungen waren auch für die Bezirksgerichtszuständigkeit in Ansehung von Ausgedingen wegen der „stark localen Färbung" und der „ländlichen Verhältnisse" maßgeblich (Materialien Bd II aaO). Gesetzeszweck war also die beabsichtigte Ausnutzung der besonderen Nähe (der Erfahrung) der Bezirksgerichte zu der besonderen Art der Streitigkeiten.
b) In der Rechtsprechung wurde § 49 Abs 2 Z 3 JN bislang sehr weit ausgelegt. Die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts wurde beispielsweise bei einer Klage auf Duldung des Aufenthalts im Hausgarten und auf Mitbenützung eines Badestegs bejaht, weil die Duldungsverpflichtung als Teil des Wohnrechts aufgefasst wurde und eine allen Grundsätzen der Prozessökonomie zuwiderlaufende geteilte Gerichtszuständigkeit zu vermeiden sei (5 Ob 546/77 = RZ 1977/111 [dort unrichtig zitiert mit 5 Ob 5464/77]). Auch Schadenersatzansprüche wegen Verhinderung der Ausübung der Dienstbarkeit der Wohnung zählten zu den Streitigkeiten gemäß § 49 Abs 2 Z 3 JN (4 Ob 571/73 = SZ 46/90). Auch zum Ausgedinge wurde ein weiter Anwendungsbereich bejaht (so schon 4 Ob 344/30 = SZ 12/246), zumindest für die Fälle, in denen die umstrittene Ausgedingsleistung schon verbüchert war (2 Ob 701/59 = JBl 1960, 564 [Novak]; 5 Ob 78/75), nicht aber, wenn es darum ging, ob und mit welchem Inhalt ein Ausgedinge bestellt werden soll (1 Ob 536/50). Die Voraussetzung, dass für den in die Zuständigkeit des Bezirksgerichts fallenden Streit schon ein verbüchertes Wohnrecht oder Ausgedinge existieren muss, wäre im vorliegenden Fall, in dem es um die bücherliche Aufhebung (Löschung) der Rechte geht, erfüllt.
c) Auch wenn hier die Existenz der beiden dinglichen Rechte völlig unstrittig ist und es auch nicht um deren Umfang, sondern ausschließlich um ihr Erlöschen aufgrund einer obligatorischen Vereinbarung geht, liegt dennoch eine „Streitigkeit über die Dienstbarkeit der Wohnung" vor, weil für eine den Gesetzeswortlaut korrigierende teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Zuständigkeitsnorm keine ausreichenden Gründe ins Treffen geführt werden können. Die Argumentation des Rechtsmittelwerbers, es ginge hier weder um eine Anfechtung des Wohnungsrechtsvertrags oder eine Kündigung noch um den Umfang oder Bestand der Dienstbarkeit; sondern ausschließlich um die Einhaltung einer obligatorischen Zusage über die Lastenfreistellung, überzeugt nicht, weil sie ohne sachliche Begründung das Objekt der Zusage aus der Beurteilung ausscheidet und ignoriert, dass die Vereinbarung oder die einseitige Zusage der Beklagten zur Beendigung der Dienstbarkeit führen soll. Entgegen den Rechtsmittelbehauptungen geht es daher um den Bestand der Dienstbarkeit, auf die die Beklagte nach den Klagebehauptungen mit ihrer Zusage verzichtet haben soll.
d) Für den Standpunkt des Revisionsrekurswerbers ist auch aus einem Vergleich der hier zu beurteilenden Zuständigkeitsnorm mit derjenigen des § 81 JN, also dem örtlichen Gerichtsstand der gelegenen Sache, nichts zu gewinnen. Der Gesetzeswortlaut des § 81 JN (Klagen, durch welche ein dingliches Recht, die Freiheit von einem solchen Recht oder die Aufhebung ... geltend gemacht wird) setzt ein schon existierendes dingliches Recht voraus, sodass nach ständiger Rechtsprechung Klagen auf Einverleibung aufgrund einer obligatorischen Vereinbarung nicht darunter fallen (Mayr in Rechberger, ZPO³, § 81 JN Rz 2 bis 4 mwN), wohl aber Klagen auf Aufhebung des dinglichen Rechts und Löschungsklagen (Mayr aaO). Unabhängig davon, dass § 81 JN gegenüber § 49 Abs 2 Z 3 JN enger gefasst ist, kommen jedenfalls beide Zuständigkeitsbestimmungen zur Anwendung, wenn es um die Aufhebung des dinglichen Rechts geht.
e) Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass ein Rechtsstreit über eine obligatorisch eingegangene Verpflichtung zur Lastenfreistellung einer mit einem dinglichen Wohnrecht belasteten Liegenschaft in die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts gemäß § 49 Abs 2 Z 3 JN fällt.
3. In Ansehung der Reallast auf Versorgung besteht keine Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts. Zu untersuchen ist die vom Kläger bekämpfte Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass hier aufgrund der Wertzuständigkeit die Klage ebenfalls beim Bezirksgericht einzubringen gewesen wäre:
a) Der Kläger hat die beiden nicht in Geld bestehenden Löschungsansprüche insgesamt mit 15.000 EUR bewertet. Es kann dem Rekursgericht zugestimmt werden, dass für den Fall, dass keine Zusammenrechnung der Ansprüche iSd § 55 Abs 1 JN zu erfolgen hat, im Zweifel von einer gleichteiligen Bewertung der Ansprüche durch den Kläger auszugehen ist.
b) Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche sind zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (§ 55 Abs 1 Z 1 JN). Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über den anderen Anspruch ohne ergänzendes weiteres Sachvorbringen entscheiden zu können. Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden (1 Ob 173/98t = SZ 71/129 mwN; Mayr aaO § 55 JN Rz 2 mwN).
c) Ob die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung vorliegen; ist nach den Klagebehauptungen zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0042741; Mayr aaO). Beispielsweise wurde schon ausgesprochen, dass dann, wenn kein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang von den Rechnungen zugrundeliegenden Warenlieferungen behauptet wurde, von mehreren getrennt zu beurteilenden Ansprüchen bzw Entscheidungsgegenständen auszugehen sei (1 Ob 66/05w). § 55 Abs 1 JN ist als Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzusammenrechnung anzusehen. Daher scheidet eine Zusammenrechnung im Zweifel aus (4 Ob 198/07g; 3 Ob 261/07i mwN). Hier hatte der Kläger nur behauptet, die Beklagte habe „sich gegenüber dem Kläger verpflichtet, in Ansehung der ihm gehörigen Liegenschaftsanteile in die Löschung des ... Wohnungsrechts und der Reallast der Versorgung einzuwilligen". Dieses kursorische Vorbringen reicht nicht aus, um die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung der Ansprüche nach den Klagebehauptungen bejahen zu können. Damit ist die Zurückweisung der Klage in Ansehung beider Löschungsansprüche wegen sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Landesgerichts zu bestätigen.
Der Kläger hat der im Zwischenstreit obsiegenden Beklagten die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung zu ersetzen (§§ 41, 50 Abs 1 ZPO).
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