OGH 3Ob50/95

OGH3Ob50/9529.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Redl, Dr.Graf und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Dr.Thusnelda D*****, Ärztin, ***** vertreten durch Dr.Wilfried Plattner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die verpflichtete Partei Dr.Eduard D*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Bernd A.Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 951.167,93 sA, 22 E 8935/92k des Bezirksgerichtes Innsbruck, hier wegen Ablehnung des Richters des Landesgerichtes Innsbruck Dr.Gerhard K*****, infolge außerordentlichen Rekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 21. März 1995, GZ 4 R 78/95-9, womit der Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. Oktober 1994, GZ 3 Nc 16/94-1, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Der Verpflichtete lehnte im Exekutionsverfahren 22 E 8935/92k des Bezirksgerichtes Innsbruck den Richter des als Rekursgericht zu 1 R 484/94 angerufenen Landesgerichtes Innsbruck Dr.Gerhard K***** als befangen ab.

Das Landesgericht Innsbruck wies diesen Ablehnungsantrag mit Beschluß vom 28.10.1994 zurück.

Mit Beschluß vom 31.1.1995 wurde dem Verpflichteten die Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwaltes für die Erhebung des Rekurses gegen diesen Beschluß bewilligt. Der mit Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer, Abteilung I, bestellte Vertreter gab am 23.2.1995 den Rekurs zur Post.

Bereits mit Beschluß vom 29.11.1994, GZ 1 R 484/94-25, hatte das Landesgericht Innsbruck als Rekursgericht dem Rekurs des Verpflichteten gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 26.1.1994, GZ 22 E 8935/92-7, keine Folge gegeben. Mitglied des Rekurssenates war der vom Verpflichteten als befangen abgelehnte Richter Dr.Gerhard K*****.

Das Oberlandesgericht Innsbruck wies darauf mit Beschluß vom 21.3.1995 den Rekurs des Verpflichteten gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 28.10.1994, 3 Nc 16/94-1, womit der Ablehnungsantrag des Verpflichteten betreffend den Richter Dr.Gerhard K***** zurückgewiesen wurde, als unzulässig zurück. Jedes Rechtsmittel setze eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse voraus. Diese Beschwer müsse sowohl bei Einlangen des Rechtsmittels als auch im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung vorliegen; falle sie nach dem Einlangen des Rechtsmittels weg, sei das ursprünglich zulässige Rechtsmittel zurückzuweisen. Formelle Beschwer liege vor, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrunde liegenden Sachantrag des Rechtsmittelwerbers zu dessen Nachteil abweiche. Materielle Beschwer liege vor, wenn die (materielle oder prozessuale) Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt werde, diese also für ihn ungünstig ausfalle. Widerspreche zwar (wie hier) die angefochtene Entscheidung dem vom Rechtsmittelwerber in der Vorinstanz gestellten Antrag, werde damit aber seine Rechtsstellung nicht beeinträchtigt, dann sei sein Rechtsmittel dennoch mangels Beschwer zurückzuweisen. Hier sei die Rechtsstellung des Ablehnungswerbers seit der rechtskräftigen Entscheidung zu 1 R 484/94 des Landesgerichtes Innsbruck durch die Zurückweisung des Ablehnungsantrages nicht mehr beeinträchtigt. Die Mitwirkung des abgelehnten Richters an der Rekursentscheidung, die mit dem Ablehnungsantrag verändert werden sollte, sei bereits erfolgt. Eine Anfechtung der Entscheidung sei nicht mehr möglich. Die Teilnahme eines bloß wegen Befangenheit erfolgreich abgelehnten Richters an der Entscheidung bilde zwar einen Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO, werde aber mit der formellen Rechtskraft geheilt, sodaß Nichtigkeitsklage aus diesem Grund nicht mehr möglich sei. Selbst wenn daher dem Rekurs gegen die Zurückweisung des Ablehnungsantrages Folge gegeben werden könnte, würde dies die Rechtsstellung des Verpflichteten im Exekutionsverfahren in keiner Weise berühren. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Verpflichteten gegen diesen Beschluß ist zulässig und berechtigt.

Hier wurde ein - nach der Geschäftsverteilung tatsächlich zur Entscheidung berufenes - Mitglied des Rekursgerichtes bereits vor der Entscheidung des Rekursgerichtes abgelehnt. In einem solchen Fall sieht § 25 Satz 1 JN vor, daß der abgelehnte Richter bis zur rechtskräftigen Erledigung des Ablehnungsantrages alle Handlungen vorzunehmen hat, die keinen Aufschub gestatten; er hat ferner, wenn die Ablehnung offenbar unbegründet ist und die Absicht vermuten läßt, den Prozeß zu verschleppen, auch eine begonnene Verhandlung fortzusetzen, darf jedoch die Endentscheidung vor rechtskräftiger Zurückweisung der Ablehnung nicht fällen (§ 415 ZPO). Gegen diese Bestimmung hat das Rekursgericht verstoßen, indem es bereits vor Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Ablehnung eines zur Entscheidung berufenen Richters die Entscheidung in der Sache gefällt hat (vgl SZ 41/164). Aus dieser Vorgangsweise ergibt sich jedoch keineswegs, daß dieser - zwar nicht mehr mit Revisionsrekurs anfechtbare (§ 78 EO, § 528 Abs 2 Z 2 ZPO) - Beschluß nicht mehr beseitigt werden kann. Vielmehr sind nach § 25 Satz 2 JN dann, wenn der Ablehnung stattgegeben wird, die vom abgelehnten Richter vorgenommenen Prozeßhandlungen nichtig und, soweit erforderlich, aufzuheben. Im Ablehnungsbeschluß ist zu entscheiden, ob und inwieweit die vom abgelehnten Richter gesetzten Prozeßhandlungen allenfalls als nichtig aufgehoben werden, wobei grundsätzlich jeder Akt aufzuheben ist, der unter Mitwirkung des erfolgreich abgelehnten Richters zustande gekommen ist (SZ 41/164; Fasching, ZPR2, RZ 161; Mayr in Rechberger, ZPO, Rz 3 zu § 25 JN). Dies entspricht auch dem Grundsatz, daß die unerwünschte Tatsache, daß ein Richter entschieden hat, hinsichtlich dessen ein Ablehnungsgrund vorlag, im Interesse des Vertrauens in die Rechtsprechung so lange, wie es irgendwie vertretbar ist, wahrgenommen werden soll (SZ 43/104). Dementsprechend konnte der in der Sache ergangene Beschluß des Rekursgerichtes nicht in Rechtskraft erwachsen, wenn der bereits vorher abgelehnte Richter dem Rekurssenat angehört hat und über den Ablehnungsantrag noch nicht rechtskräftig entschieden wurde.

Das Rekursgericht hat daher zu Unrecht angenommen, daß die Beschwer des Ablehnungswerbers bereits weggefallen ist. Es wird daher eine Überprüfung in der Sache vorzunehmen und sodann über den Rekurs des Ablehnungswerbers zu entscheiden haben.

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