OGH 3Ob435/54

OGH3Ob435/545.1.1955

SZ 28/1

Normen

ABGB §300
ABGB §365
ABGB §300
ABGB §365

 

Spruch:

Der Wegfall der Rechtspersönlichkeit einer nationalisierten ausländischen Gesellschaft bewirkt, daß an die Stelle der Gesellschaft eine communio incidens der inländischen Aktionäre tritt.

Entscheidung vom 5. Jänner 1955, 3 Ob 435/54.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die ursprünglich klagende Partei B. Erste Sparbank, B., Nationales Unternehmen in Liquidation, an deren Stelle im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens deren Universalsukzessor, die nunmehrige Klägerin, trat, begehrte mit der vorliegenden Klage aus einem im Jahre 1925 gewährten Hypothekardarlehen ursprünglich die Bezahlung eines Betrages von 98.842.05 Kc samt 5%igen stufenweisen Zinsen und 6%igen Verzugszinsen, und zwar von neun Halbjahresraten von je 10.982.45 Kc von den jeweiligen Fälligkeiten ab 1. Oktober 1941 bis 1. Oktober 1945.

Mit dem Urteil des Erstgerichtes vom 30. November 1951 wurden die Beklagten schuldig erkannt, diesen Betrag abzüglich einer Zahlung von 7530 S zu bezahlen. Dieses Urteil erwuchs in Ansehung des Teilzuspruches von 23.542.05 Kc samt 6% Verzugszinsen von je

10.982.45 Kc ab 1. Oktober 1941, 1. April 1942, 1. Oktober 1942, 1. April 1943, 1. Oktober 1943, 1. April 1944 und 1. Oktober 1944, sowie von 6% Verzugszinsen aus 23.542.05 Kc seit 1. April 1945 in Rechtskraft, wurde jedoch im übrigen über Berufung der beklagten Parteien aufgehoben. Im fortgesetzen Verfahren schränkte die klagende Partei das Klagebegehren um zwei Halbjahresraten von je

10.982.45 Kc, fällig am 1. April und 1. Oktober 1945, sowie um die ursprünglich begehrten Zinsen in der Höhe von 5% von 10.982.45 Kc für die ab 1. Oktober 1941 bis 1. Oktober 1945 fälligen Halbjahresraten ein, so daß mit Rücksicht auf den rechtskräftig zugesprochenen Kapitalsteilbetrag samt 6% Verzugszinsen wie oben der strittige Kapitalsbetrag samt Anhang nur mehr 53.335.10 Kc samt 6% Zinsen seit 1. April 1945 betrug. Diesen Betrag sprach das Erstgericht im zweiten Rechtsgang der klagenden Partei mit seinem Urteil zu.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde in der Hauptsache nicht Folge gegeben. Zu der in der Berufung der beklagten Parteien dahingehend erhobenen Rechtsrüge, daß die Klägerin rechtsirrigerweise als Universalsukzessorin der ursprünglichen Darlehensgeberin angesehen worden sei, weil es sich nicht um eine Fusion, sondern um eine Verstaatlichung gehandelt habe, die keine Rechtswirkungen nach sich ziehen könne, da sie entschädigungslos erfolgt sei, führte das Berufungsgericht aus, daß die Verstaatlichung jedenfalls für den Bereich der tschechoslowakischen Republik in Bezug auf ihre Untertanen Geltung beanspruchen könne. Da sich der Vorgang innerhalb der Vermögenssphäre der Darlehensgeberin abgespielt habe und dadurch die Rechte der beklagten Parteien in keiner Weise betroffen wurden, könnten sich die Beklagten auch nicht mit Erfolg auf die Ungültigkeit der Fusionierung bzw. Verstaatlichung berufen. Im übrigen stellte das Berufungsgericht auf Grund des urkundlichen Nachweises fest, daß es sich im vorliegenden Fall um eine in jedem Stadium des Verfahrens zu beachtende Gesamtrechtsnachfolge handle, woraus sich die rechtliche Folgerung ergebe, daß die jeweilige Änderung der Rechtspersönlichkeit der klagenden Partei einer Zustimmung der beklagten Parteien nicht bedurfte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien Folge und wies das über den rechtskräftig zuerkannten Teilbetrag hinausgehende Mehrbegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die beklagten Parteien haben schon in ihrer Klagebeantwortung die Aktivlegitimation der ursprünglichen Klägerin B. Erste Sparbank, B., Nationalunternehmen in Liquidation, zur Geltendmachung der zugunsten der P. Ersten Sparbank A. G. einverleibten Hypothekarforderung bestritten. Weiters haben sie sich bei der Streitverhandlung vom 23. Mai 1953 gegen die subjektive Klagsänderung durch Eintritt der nunmehrigen Staatsbank an Stelle der früheren Klägerin ausdrücklich ausgesprochen. Bei der vorliegenden Entscheidung war daher auch die Rechtsfrage zu prüfen, ob sowohl hinsichtlich der ursprünglich klagenden Partei als auch der nunmehr an deren Stelle getretenen Klägerin der Fall einer auch für das Inland wirksamen Gesamtrechtsnachfolge vorliegt, wobei die jeweilige Änderung der Rechtspersönlichkeit der Klägerin einer Zustimmung der beklagten Parteien nicht bedurft hätte. Der Rechtsstandpunkt der Vorgerichte, daß es sich vorliegend um eine auch für das Inland wirksame Gesamtrechtsnachfolge handle, die in jedem Stadium des Verfahrens zu beachten sei, kann jedoch nicht geteilt werden. Aus den von der klagenden Partei vorgelegten Urkunden sowie der Abschrift der Vereinbarung vom 8. November 1951, welche Urkunden die Vorgerichte bei ihrer Entscheidung einer rechtlichen Würdigung unterzogen haben, ergibt sich, daß die ursprüngliche Hypothekargläubigerin, die P. Erste Sparbank A. G., mit der S. Allgemeinen Kreditbank, Nationalunternehmen in Liquidation, in B., mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1949 fusionierte und am 12. Juli 1950 im Firmenregister gelöscht wurde. Die Vermögensmasse der S. Allgemeinen Kreditbank, Nationalunternehmen in Liquidation, wurde sodann laut Vereinbarung vom 8. November 1951 von der Klägerin übernommen. In dieser Vereinbarung wurde ausdrücklich festgelegt, daß das gesamte Vermögen dieser Bank, d. h. alle ihre Rechte und Verpflichtungen, mit universeller Rechtsnachfolge im Sinne des § 272 Bürg.Ges. übergeben, bzw. übernommen wird, wobei die Klägerin den Gegenwert des übernommenen Vermögens auf die Weise begleicht, daß sie an Stelle der S. Allgemeinen Kreditbank deren Verpflichtungen, insbesondere auch - dem Währungsliquidationsfonds gegenüber, übernimmt. Schließlich wurde auch die Firma S. Allgemeine Kreditbank, Nationales Unternehmen in Liquidation in B., am 5. Februar 1952 im Firmenregister gelöscht. Nach dem Inhalt der vorzitierten Urkunden handelt es sich demnach um eine schrittweise durchgeführte Nationalisierung der ursprünglichen Hypothekargläubigerin, der p. Ersten Sparbank A. G., die als Entziehung der Anteilsrechte der Aktionäre zu werten ist. Nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechtes kommt jedoch ausländischen Nationalisierungsmaßnahmen keine exterritoriale Wirkung zu, und zwar auch dann nicht, wenn sie der Konfiskationsstaat selbst in Anspruch nimmt. Jede Verfügung eines ausländischen Staates, die bezweckt, einer Person ihre wirtschaftliche oder rechtliche Position durch wie immer Namen habende Nationalisierungsmaßnahmen zu entziehen, ist daher nur territorial beschränkt wirksam. Die Judikatur des Obersten Gerichtshofes hat das Problem durch restlose Durchführung des Territorialitätsprinzips geklärt und knüpft an die innerstaatlichen Auflösungsgrundsätze an. Der Wegfall der Rechtspersönlichkeit einer nationalisierten ausländischen Gesellschaft bewirkt, daß an die Stelle der Gesellschaft eine communio incidens tritt. Diese unterliegt ausschließlich der lex rei sitae. Die ehemaligen Mitglieder, im vorliegenden Fall die früheren Aktionäre der im Ausland aufgelösten Gesellschaft, setzen im Inland zwar die Gesellschaft nicht fort, wohl aber sind sie als Miteigentümer des inländischen Vermögens zu behandeln und können demnach gemäß der ihnen am Hauptstamm zustehenden Quotenbeteiligung verfügen (SZ. XXI 114; Rkv 330/50, 3 Ob 392/50, 2 Ob 353/51, 3 Ob 196/51, 3 Ob 296/51, 3 Ob 373, 374/53, 1 Ob 996/53). Ist aber über das im Inland befindliche Vermögen der ursprünglichen Hypothekargläubigerin lediglich eine communio incidens, bestehend aus den früheren Aktionären, verfügungsberechtigt, so mangelt der klagenden Partei auch die Legitimation zur Geltendmachung der gegenständlichen Hypothekarforderung. Das Klagebegehren war daher, insoweit es über den bereits rechtskräftig zugesprochenen Teilbetrag von 23.542.05 Kc s. A. hinausgeht, abzuweisen.

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