OGH 3Ob296/51

OGH3Ob296/513.10.1951

SZ 24/255

Normen

ABGB §300
ABGB §300
ABGB §365
ABGB §1151
ABGB §1154
ABGB §1409
Arbeitsgerichtsgesetz §3
Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm ArtIX
JN §1
JN §99
ABGB §300
ABGB §300
ABGB §365
ABGB §1151
ABGB §1154
ABGB §1409
Arbeitsgerichtsgesetz §3
Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm ArtIX
JN §1
JN §99

 

Spruch:

Zulässigkeit der Klage eines ehemaligen Angestellten einer in der Tschechoslowakei nationalisierten Aktiengesellschaft auf Zahlung seiner Dienst-(Pensions-)bezüge.

Ein ausländisches Konfiskationsdekret, das die Gläubiger auf die Konfiskationsmasse verweist, ist im Inland unbeachtlich.

Entscheidung vom 3. Oktober 1951, 3 Ob 296/51.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Kläger war bei der Rechtsvorgängerin der beklagten Aktiengesellschaft und seit 1924 bei dieser in Z. (Tschechoslowakei) angestellt. Er hat bis zum Eintritt der staatspolitischen Ereignisse im Jahre 1945 bei der Beklagten Dienst gemacht. Nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes wurde er als Angehöriger der deutschen Nation aufgefordert, seine Agenden bei der Beklagten zu übergeben, alles zurückzulassen und auszuwandern. Sein Begehren um Auszahlung seines restlichen Gehaltes und der ihm vertraglich zustehenden Pension wurde abgewiesen. Das Vermögen der Beklagten in der Tschechoslowakei wurde konfisziert und dem Fonds der nationalen Erneuerung zugewiesen, der angewiesen wurde, die Verteilung der Aktien und Befriedigung der Gläubiger vorzunehmen. Kläger hat seinen Anspruch angemeldet, aber keine Erledigung erhalten.

Da die beklagte AG. in Österreich in D. eine Liegenschaft besitzt, begehrt Kläger auf Grund des Vermögensgerichtsstandes seine rückständigen Gehalts- und Pensionsbezüge.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren Folge. Das Berufungsgericht erachtete die Berufung für nicht begrundet.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision macht zunächst geltend, daß das angefochtene Urteil behaupte, die öffentliche Ordnung, wie sie in Österreich gelte, sei durch die entschädigungslose Enteignung verletzt worden, und es seien daher alle tschechoslowakischen Gesetze, die diese Enteignung sanktionieren, in Österreich nicht anzuwenden. Dieser Grundsatz sei aber nach Meinung der Revisionswerberin nur auf den Fall zu beziehen, als ein geschädigter Aktionär Ansprüche erhebe. Der Kläger sei aber nicht Aktionär, sondern nur Angestellter der beklagten Partei gewesen; weder das Dekret Nr. 108 noch andere tschechoslowakische Gesetze hätten verfügt, daß Angestellte oder Gläubiger der konfiszierten Unternehmungen enteignet oder ihrer Rechte verlustig würden, vielmehr seien solche Ansprüche beim Fond für die nationale Erneuerung anzumelden und von diesem nach einem bestimmten Plan zu befriedigen; dieselbe Regelung sei in Österreich hinsichtlich der Vermögenschaften, die nach dem Kriegsverbrecher- oder Verbotsgesetz konfisziert wurden, getroffen worden, indem bestimmt wurde, daß Ansprüche, die sich gegen derartige Vermögenschaften richten, beim Ministerium für Vermögenssicherung anzumelden und von diesem im Verwaltungswege zu befriedigen seien. Der Kläger müsse daher seine Ansprüche zunächst bei der tschechoslowakischen Angestelltenversicherungsanstalt, und wenn diese negativ reagiere, beim Fond für nationale Erneuerung anmelden, der Rechtsweg sei in beiden Fällen ausgeschlossen, weshalb Nichtigkeit des gesamten Verfahrens vorliege.

Was zunächst den Vergleich der tschechoslowakischen Konfiskationsdekrete mit den Bestimmungen des österreichischen Verbots-, Kriegsverbrecher- und Volksgerichts- und Vermögensverfallsgesetz anlangt, so müssen die angeführten Ausführungen der Revision als völlig verfehlt bezeichnet werden. Der Vermögensverfall nach den erwähnten österreichischen Gesetzen kann nur auf Grund eines Urteils des Volksgerichtes, somit eines Strafgerichtes, nach durchgeführtem Strafverfahren und Verurteilung wegen einer in den bezeichneten Gesetzen angeführten strafbaren Handlung als Nebenstrafe ausgesprochen werden. Bestimmungen über den Vermögensverfall bei Verurteilung wegen strafbarer Handlungen finden sich in den strafrechtlichen Gesetzen fast aller Rechtsstaaten und verstoßen daher nicht gegen die öffentliche Ordnung. Die im Dekret Nr. 108 vorgesehene entschädigungslose Enteignung ist jedoch nicht als Nebenstrafe einer Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung vorgesehen, sondern richtet sich generell gegen die Angehörigen von bestimmten Nationen wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Nation oder dem Bekenntnis zu einer bestimmten Muttersprache. Eine derartige entschädigungslose Enteignung verstößt aber, wie der Oberste Gerichtshof unter anderem in den Entscheidungen SZ. XXI/114 und Spruchrep.-Nr. 28 (neu) ausgesprochen hat, gegen den ordre public und kann daher im Inland keine Rechtswirkung erzeugen. Im übrigen ist, wie sich aus der Bestimmung des § 21 Abs. 2 VvVvG. ergibt, der Rechtsweg für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen ein nach dem Verbots- oder Kriegsverbrechergesetz verfallenes Vermögen nicht ausgeschlossen, soferne die Verwaltungsbehörde die Anerkennung der Forderung versagt. Wie sich aus der im Akt erliegenden Zuschrift der beklagten Partei an das Bezirksgericht Z. vom 23. Jänner 1948 ergibt, wurde im übrigen der Anspruch auch bei dem Fond für den nationalen Wiederaufbau angemeldet, ohne daß dem Kläger irgend welche Ansprüche von dieser Stelle zuerkannt worden wären. Die Revision setzt sich aber auch mit ihrem eigenen Vorbringen in Widerspruch, wenn sie behauptet, daß der Kläger als Angestellter eines konfiszierten Unternehmens seiner Rechte nach den tschechoslowakischen Gesetzen nicht verlustig geworden sei. Die beklagte Partei hat in ihrem Schriftsatz den Mangel der aktiven Klagslegitimation mit der Begründung eingewendet, der Kläger sei als Person deutscher Nationalität anzusehen und es seien daher nach dem bereits mehrfach erwähnten Dekret des Präsidenten der tschechoslowakischen Republik alle seine Rechte und Ansprüche entschädigungslos konfisziert worden. Eine derartige Bestimmung enthält auch tatsächlich das Dekret vom 25. Oktober 1945, Nr. 108, in der angeordnet wird, daß das bewegliche und unbewegliche Vermögen, auch Vermögensrechte, Forderungen und Wertpapiere usw., soweit es nicht schon konfisziert ist, von physischen Personen deutscher oder ungarischer Nationalität konfisziert wird. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß diese Bestimmung gegen den ordre public verstößt und daher in Österreich keine Rechtswirkung erzeugen kann, steht in voller Übereinstimmung mit der oben angeführten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Schon aus diesem Gründe kann es dem Kläger nicht versagt werden, bei Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit seine Ansprüche im Rechtswege geltend zu machen. Abgesehen davon sind, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, für das inländische Gericht nur die im Inland geltenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen maßgebend. Nach österreichischem Verfahrensrecht sind aber Ansprüche von Dienstnehmern gegen ihre Dienstgeber aus dem Dienstvertrag im Rechtswege, und zwar, sofern nicht die Voraussetzungen des § 3 ArbGerG. gegeben sind, die hier nicht zutreffen, vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen. Da somit der Rechtsweg zulässig ist, liegt die in der Revision behauptete Nichtigkeit nicht vor.

Die Revision macht weiter geltend, der Kläger müsse die Klage gegen den tschechoslowakischen Staat richten, da dieser Eigentümer der beklagten Partei sei. Die beklagte Partei ist unbestrittenermaßen eine Aktiengesellschaft und als solche auch im Handelsregister eingetragen. Sie ist daher eine juristische Person und kann als solche geklagt werden; für die Frage der passiven Klagslegitimation kommt es daher darauf, wer Eigentümer der Aktien ist, überhaupt nicht an. Der Kläger war Angestellter der beklagten Partei und kann daher die ihm aus dem Dienstvertrag gegen seinen Dienstgeber zustehenden Ansprüche nur gegen diesen, das ist gegen die beklagte Partei, geltend machen. Wenn die Revision hinsichtlich der passiven Klagslegitimation auf die Ausführungen des angefochtenen Urteiles verweist, nach denen ein Urteil gegen die beklagte Partei dem Kläger nicht zu seinem Gelde verhelfen könne, da die in Österreich auf den Namen der beklagten Partei eingetragenen Liegenschaften den enteigneten Aktionären gehören, so ist ihr zu erwidern, daß sich diese Ausführungen auf die Frage der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes, die nicht fristgerecht bemängelt wurde, und auf die Frage der Exekutionsführung, nicht aber auf die der passiven Klagslegitimation beziehen und daher die bezüglichen Einwendungen der beklagten Partei nicht zu unterstützen vermögen. Abgesehen davon vermag der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß nur der tschechoslowakische Staat durch das Urteil verpflichtet werde und daß der Kläger auf die inländischen Vermögensobjekte nicht werde Exekution führen können, da diese nicht von der Konfiskation erfaßt seien, nicht zu teilen. Der Kläger ist zur beklagten Partei, der "Ersten Z. Brauerei- und Malzfabriks-AG.", in einem Dienstverhältnis gestanden und macht die ihm aus dem Dienstvertrag zustehenden Rechte geltend. Diese Ansprüche richten sich nicht gegen den Eigentümer der Aktien der beklagten Partei, sondern gegen die beklagte Partei selbst, die auch derzeit noch grundbücherliche Eigentümerin der im Inland gelegenen Liegenschaften ist. Das Berufungsgericht vertritt selbst den durchaus richtigen Standpunkt, daß die entschädigungslose Enteignung der beklagten Partei dem ordre public zuwiderlaufe und daher im Inland nicht zu beachten sei. Für die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß das im Inland gelegene Vermögen der beklagten Partei den enteigneten Aktionären der ehemaligen Aktiengesellschaft zu wahren sei und unter sie zu verteilen sein werde, fehlt die rechtliche Grundlage, da eine Rangordnung, nach welcher zuerst die Aktionäre und dann erst andere Gläubiger einer Aktiengesellschaft aus deren Vermögen zu befriedigen seien, in den österreichischen Gesetzen nicht vorgesehen ist. Die Ansprüche des Klägers beruhen, wie bereits mehrfach dargelegt, auf einem mit der Aktiengesellschaft vor deren Nationalisierung geschlossenen Dienstvertrag. Es ist daher nicht einzusehen, warum der Kläger, der wie bereits erörtert, mit Recht seine frühere Dienstgeberin, die Beklagte, und nicht den tschechoslowakischen Staat in Anspruch nimmt, nicht aus den seiner früheren Dienstgeberin nach dem Grundbuchsstand noch gehörigen Liegenschaften, auf die er ohne die Konfiskation, die für den Bereich des österreichischen Rechtes nicht anerkannt werden kann, greifen könnte, seine Befriedigung suchen kann. Wie bereits ausgeführt, kommt es nicht darauf an, wer Eigentümerin der Aktien ist, weil das Eigentum an den Aktien lediglich Mitgliedschaftsrechte und im Falle der Auflösung der Aktiengesellschaft Rechte auf einen Anteil an dem Liquidationserlös, nicht aber Eigentum an dem Vermögen der Aktiengesellschaft einräumt. Weitere Ausführungen zu dieser Frage sind aber entbehrlich, weil in diesem Verfahren nicht zu entscheiden ist, ob der Kläger auf Grund des Urteiles Exekution auf die in Österreich befindlichen Liegenschaften der beklagten Partei führen kann, sondern ob die beklagte Partei passiv klagslegitimiert ist. Diese Frage ist aber aus den angeführten Gründen zu bejahen.

Die Revision erweist sich somit nach jeder Richtung hin als unbegrundet, weshalb ihr der Erfolg versagt werden mußte.

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