OGH 3Ob39/84

OGH3Ob39/8411.4.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei C*****, vertreten durch Dr. Ernst Fasan, Dr. Wolfgang Weinwurm und Dr. Erwin Lorenz, Rechtsanwälte in Neunkirchen, wider die verpflichtete Partei Hans S*****, vertreten durch Dr. Michael Stern, Rechtsanwalt in Wien, wegen 70.000 S sA, infolge Rekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Kreisgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 20. Februar 1984, GZ R 51/84-37, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gloggnitz vom 13. Jänner 1984, GZ E 26/83-32, teilweise aufgehoben worden ist, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Verpflichtete erwarb mit dem notariellen Schenkungsvertrag vom 28. 6. 1969 den Hälfteanteil seiner Mutter Klara Luise S***** an der Liegenschaft EZ ***** in der Katastralgemeinde ***** mit dem Haus Nr ***** und erlangte dadurch Alleineigentum an dieser Liegenschaft. Die Geschenkgeberin hatte sich auf Lebenszeit das Wohnungsrecht in der vom Geschenknehmer auszubauenden Mansardenwohnung und im Falle der Krankheit und Gebrechlichkeit die vollständige Wartung und Pflege, darunter auch Reinigen der Wohnung, der Wäsche und der Kleidung, die Herbeiholung des Arztes und der erforderlichen Medikamente und die Zubereitung der dem jeweiligen Gesundheitszustand entsprechenden Kost ausbedungen. In COZ 160 ist aufgrund dieses Vertrags die Dienstbarkeit der Wohnung und die Reallast der Wartung und Pflege zugunsten der Geschenkgeberin einverleibt. Auf der Liegenschaft haften sodann in COZ 167 ein Höchstbetragspfandrecht von 1.020.000 S und in COZ 171 ein Höchstbetragspfandrecht von 300.000 S je für die betreibende Partei und weitere Pfandrechte.

Zur Hereinbringung vollstreckbarer Forderungen bewilligte das Erstgericht der betreibenden Partei die Exekution durch Zwangsversteigerung der Liegenschaft. In seinem Schätzungsgutachten führte der Sachverständige aus, das ausgebaute Dachgeschoß des Hauses weise eine Küche und ein Zimmer mit 26 m2 Nutzfläche auf, der im Schenkungsvertrag vom 28. 6. 1969 zugesagte Ausbau der Wohnung in der Mansarde zur Ausübung des Wohnungsrechts der Mutter des Verpflichteten in Vorraum, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Baderaum und WC sei nicht erfolgt. Er bewerte das in COZ 160 einverleibte Wohnrecht mit 10.757,43 S, weil nur vom vorhandenen Bestand des Mansardenausbaues ausgegangen werden könne. Den monatlichen Aufwand an Wartung und Pflege im Fall der Krankheit und Gebrechlichkeit bewerte er mit 1.170 S und errechne den Schätzwert der Last mit 44.007 S, weil die Berechtigte am 14. 2. 1906 geboren sei.

Gegen die Bewertung erhoben der Verpflichtete und die Berechtigte Einwendungen.

Das Erstgericht gab diesen nicht statt. Es setzte den Schätzwert der Liegenschaft mit „S 1.201.788 (ohne Belastungen)“ fest und bestimmte, dass die von der betreibenden Partei vorgeschlagenen Versteigerungsbedingungen - unter anderem - dahin zu lauten haben, dass die in COZ 160 einverleibte Dienstbarkeit der Wohnung und Reallast der Wartung und Pflege als gegenstandslos anzusehen seien. Es handle sich um Ausgedingsrechte, die wegen ihres wirtschaftlichen Zwecks, der Geschenkgeberin Wohnung und Versorgung zu sichern, eine einheitliche Behandlung erfordern und nur als Ganzes bestehen könnten. Das einverleibte Wohnungsrecht sei an einer „vom Geschenkgeber auszubauenden Mansardenwohnung“ eingeräumt. Der Ausbau sei nicht erfolgt, die Dienstbarkeit der Wohnung hätte nicht einverleibt werden dürfen und könne nicht bestehen. Damit falle aber auch die dingliche Wirkung der Reallast der Wartung und Pflege im Krankheitsfalle, die ohne das Wohnungsrecht nicht allein aufrecht bleiben könne. Es sei deshalb von der Gegenstandslosigkeit der bücherlichen Rechte der Mutter des Verpflichteten auszugehen.

Das Rekursgericht gab deren Rekurs teilweise Folge. Es bestätigte den die Versteigerungsbedingungen genehmigenden Spruch des Erstrichters, dass das Wohnungsrecht als gegenstandslos anzusehen sei, hob ihn aber ebenso wie die Festsetzung des Schätzwert der Liegenschaft insoweit auf, als die Versteigerungsbedingungen auch die Reallast der Wertung und Pflege als gegenstandslos ausweisen sollten. Das Rekursgericht sprach aus, dass es insoweit über einen 15.000 S übersteigenden Wert des Gegenstands entschieden habe und setzte einen Rechtskraftvorbehalt. Es führte aus, dass sich das Wohnungsrecht nach dem Schenkungsvertrag auf eine erst auszubauende Mansardenwohnung beziehen sollte und schon deshalb gegenstandslos sei, weil diese Wohnung nicht hergestellt worden sei und daher der Gegenstand der Dienstbarkeit fehle. Ob es richtig sei, dass es sich um ein aufschiebend bedingtes Recht handelte, das zu einer bücherlichen Eintragung ungeeignet war, bedürfe keiner Erörterung. Dass die Berechtigte wie früher eine Wohnung im ersten Stock benütze, führe nicht zu einer Bewertung, weil eine solche nur bei bücherlichen Rechten stattfinde, ein Wohnrecht an der Wohnung im ersten Stock aber nicht einverleibt sei. Es könne jedoch der Ansicht des Erstgerichts nicht beigetreten werden, dass ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der Dienstbarkeit der Wohnung und der Reallast der Wartung und Pflege bestehe und deshalb die Gegenstandslosigkeit des ersten Rechtes die des zweiten nach sich ziehe. Der Berechtigten könne nicht auch noch die dingliche Haftung der Liegenschaft für die Wartung und Pflege nach Inhalt des Vertrags entzogen werden. Diese Reallast habe der Ersteher nach § 150 Abs 1 EO ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen. Ihr Schätzungswert sei daher zu ermitteln und bei der Feststellung des Schätzwertes der Liegenschaft in Abzug zu bringen (§ 30 Abs 1 RealSchO). Das Erstgericht werde sich mit den Einwendungen und Erinnerungen der Reallastberechtigten gegen die Angabe des der Reallast entsprechenden Kapitalbetrags, die unrealistisch niedrig erscheine, auseinandersetzen und insoweit neu zu beschließen haben. Der Rechtskraftvorbehalt werde gesetzt, weil die Entscheidung von der Lösung der Frage abhänge, ob zwischen den Rechten der Dienstbarkeit der Wohnung und der Reallast der Wartung und Pflege ein so unzertrennlicher Zusammenhang besteht, dass die Gegenstandslosigkeit der Servitut auch die Hinfälligkeit der Reallast bedeute. Dazu fehle eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Diesen Aufhebungsbeschluss der zweiten Instanz bekämpft die betreibende Partei. Sie strebt die Wiederherstellung der bezüglichen Entscheidung des Erstgerichts an.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§ 78 EO; § 527 Abs 2, § 528 Abs 2, § 502 Abs 4 Z 1 ZPO), jedoch nicht berechtigt.

Die betreibende Partei hält an der schon dem Vorschlag der Versteigerungsbedingungen zugrunde gelegten Ansicht fest, die vertraglichen Rechte der Geschenkgeberin aus dem Schenkungsvertrag stünden in untrennbarem Zusammenhang. Nun sei rechtskräftig auf Gegenstandslosigkeit der einverleibten Dienstbarkeit der Wohnung erkannt, es müsse daher auch die der betreibenden Partei im Range vorgehende Reallast unberücksichtigt bleiben. Wohne die Berechtigte nicht mehr im Haus, sei offen, wo Wartung und Pflege zu erbringen seien. Die Schätzung sei daher entbehrlich. Zumindest müsse es aber zu einer Geldablöse des Rechtes kommen und dies in den Versteigerungsbedingungen festgelegt werden.

Bei Dienstbarkeiten und Reallasten muss Inhalt und Umfang des einzutragenden Rechts möglichst bestimmt angegeben werden (§ 12 Abs 1 GBG), doch ist im Hauptbuch eine Berufung auf die der Eintragung zugrunde liegenden Stellen der Urkunde mit der Wirkung zulässig, dass die bezogenen Stellen als im Hauptbuch eingetragen anzusehen sind (§ 5 GBG). Die Mutter des Verpflichteten schenkte diesem ihren Hälfteanteil zu seinem bereits in sein Eigentum gelangten Hälfteanteil und hat sich nicht nur das Wohnungsrecht in einer erst auszubauenden Wohnung sondern auch Betreuungsleistungen bei Krankheit und Gebrechlichkeit versprechen lassen, die ihrer Versorgung im Alter dienen sollten und den üblich als Ausgedinge bezeichneten persönlichen Diensten entsprachen, weil sie neben der vollständigen Wartung und Pflege der Person auch die Zubereitung der Kost, das Aufräumen und die Versorgung von Kleidung und Wäsche und die Versorgung für Arzt und Medikamente umfassten. Das Ausgedinge ist eine besondere, der Versorgung des Übergebers dienende Reallast, deren Umfang im Einzelfall durch den Vertrag bestimmt wird. In der Regel ist die Leistung von Unterhalt, die Einräumung des Wohnungsrechts, die Betreuung, Reichung der Speisen und die Krankenpflege als Einheit zusammengefasst (Petrasch in Rummel, Rdz 5 zu § 530 ABGB, SZ 50/61; SZ 32/158). Es ist aber durchaus zulässig, nur einzelne Ausgedingsleistungen zu vereinbaren. Der Zweck der vertraglichen Regelung lag in der Absicherung der Geschenkgeberin, dass sie a) im Haus wohnen bleiben und b) im Falle ihrer Krankheit und Gebrechlichkeit Wartung und Pflege in Anspruch nehmen könne. Die Geschenkgeberin stand damals im 64. Lebensjahr, sie hat nun ihr 78. Lebensjahr vollendet. Dass die Vorinstanzen übereinstimmend die dingliche Wirkung der einverleibten Dienstbarkeit der Wohnung verneinten, muss nicht zwingend die Gegenstandslosigkeit auch der sonstigen Ausgedingsrechte zur Folge haben. Auch wenn die Wohnungsberechtigte von ihrem Recht nicht Gebrauch machen kann, besteht ihr Anspruch auf die ihr nach Inhalt des Vertrags zustehende Wartung und Pflege grundsätzlich fort. Ob sie dann ähnlich wie beim sogenannten Unvergleichsfall statt der persönlich zu erbringenden Dienste und Leistungen eine laufende Geldabfindung begehren kann, ist in dem Verhältnis zwischen dem Liegenschaftseigentümer und der Buchberechtigten auszutragen. Ihr darf ein Verzicht auf die als Reallast vom jeweiligen Eigentümer der belasteten Liegenschaft persönlich zu erbringenden Leistungen nicht aufgezwungen werden. Es kann darauf, wenn nicht ein Einverständnis aller Beteiligter vorliegt, im Zwangsversteigerungsverfahren nicht Einfluss genommen werden.

Der Ansicht des Rekursgerichts ist beizupflichten, dass die hier auf bestimmte Wartungs- und Pflegedienste beschränkte Reallast des Ausgedinges, weil das Recht dem betreibenden Gläubiger im Range vorgeht, vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen (§ 150 Abs 1 Fall 1 EO) und daher bei der Ermittlung des Schätzwertes der Liegenschaft schon jetzt zu berücksichtigen sein wird (§ 144 Abs 2 EO; § 21 Abs 1 RealSchO).

Es hat deshalb bei dem Auftrag zur Ermittlung des Schätzungswertes der in COZ 160 lit b einverleibten Reallast der Wartung und Pflege mit Berücksichtigung der nicht unbeachtlichen Einwendungen der Buchberechtigten und des Verpflichteten und zu neuer Entscheidung nach Verfahrensergänzung zu bleiben.

Die betreibende Partei hat keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels (§§ 74, 78 EO, §§ 40, 41, 50 ZPO).

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