Normen
ABGB §584
ABGB §585
ABGB §586
AußStrG §65
AußStrG §66
ABGB §584
ABGB §585
ABGB §586
AußStrG §65
AußStrG §66
Spruch:
Der Gültigkeit eines mündlichen Kodizills steht nicht entgegen, daß der Erblasser ein schriftliches Kodizill beabsichtigt hat.
Ein in schriftlicher Form als Kodizill nicht gültiges, aber sofort bei Errichtung des letzten Willens niedergeschriebenes und von drei Zeugen unterschriebenes Schriftstück steht einer schriftlichen Aufzeichnung im Sinne des § 585 ABGB. gleich.
Die eidliche Bestätigung einer mündlichen Anordnung nach § 66 AußstrG. muß nicht im außerstreitigen Verfahren erfolgen, sie kann auch im Prozeßverfahren vorgenommen werden.
Entscheidung vom 21. Dezember 1949, 3 Ob 348/49.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Untergerichte verurteilten die beklagte Verlassenschaft, dem Kläger das Betriebsgebäude in Wien V., S.gasse 23, samt allen in diesem Gebäude vorhandenen Fabrikseinrichtungen, Rohmaterialien und Halbfabrikaten gemäß dem letzten Willen des L. W. vom 24. August 1945 als Legat auszufolgen. Unbestrittenermaßen verfügte der am 8. September 1945 verstorbene Erblasser in einer schriftlichen Urkunde, daß nach seinem Ableben die oben erwähnten Fabrikseinrichtungen dem Kläger zu übergeben seien; das Schriftstück ist vom Erblasser eigenhändig unterschrieben, ferner von Dr. G. J. als behandelndem Arzt, von T. U. und A. W. Da die drei Zeugen in dem Kodizill ihre Unterschrift ohne einen auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden Zusatz unterschrieben haben, ist nach Ansicht des Berufungsgerichtes die letztwillige Anordnung zwar als schriftliches Kodizill nicht gültig, müsse aber als mündliche letztwillige Verfügung aufrecht erhalten werden. Eine außergerichtliche mündliche letztwillige Verfügung (§ 585 ABGB.) erfolge nämlich in der Form, daß der Erblasser vor drei fähigen Zeugen, die zugleich gegenwärtig sind, ernstlich seinen letzten Willen erklärt. Die Urkunde, die über den Testierakt verfaßt wurde und die aus dem oben angeführten Gründe als schriftliches Kodizill nicht gültig sei, sei die zur Erleichterung des Gedächtnisses vorgenommene Aufzeichnung, die den Beweis über den Inhalt der letztwilligen Erklärung zu erleichtern imstande ist. Der Einwand, es könne deshalb keine mündliche Willenserklärung vorliegen, weil der Erblasser gar nicht mündlich testieren wollte, sei nicht stichhältig. Es könne eine letztwillige Erklärung, die als schriftliche Anordnung wegen des Fehlens irgendeiner formalen Voraussetzung nicht als gültig angesehen werden könne, dennoch als mündliche Willenserklärung behandelt werden, wenn die festgestellten Begleitumstände wenigstens den Erfordernissen einer mündlichen letztwilligen Erklärung genügen (§ 584 ABGB.). Im vorliegenden Falle seien nun die für ein mündliches Kodizill erforderlichen formalen Voraussetzungen gegeben: Der Erblasser habe vor drei fähigen Zeugen, die zugleich gegenwärtig waren und bestätigen können, daß in der Person des Erblassers kein Betrug oder Irrtum unterlaufen ist, ernstlich seinen letzten Willen erklärt. Nach den Feststellungen wollte der Erblasser eine letztwillige Erklärung abgeben und brachte auch deutlich zum Ausdruck, daß er den Inhalt des ihm von dem einen Zeugen verlesenen schriftlichen Aufsatzes genehmige.
Damit eine mündliche letztwillige Erklärung wirksam sei, werde im § 586 ABGB. außerdem verlangt, daß die drei Zeugen über Verlangen eines jeden, dem daran gelegen ist, ihre Aussage beeiden. Die Beeidigung sei aber nach dieser Gesetzesstelle nur notwendig, wenn sie verlangt wird. Wenn die beklagte Partei als Beteiligte sich im vorliegenden Falle mit der unbeeideten Aussage begnügt habe, so reiche auch die unbeeidete Vernehmung aus, um den Inhalt des letzten Willens wirksam festzustellen und das Vorliegen einer mündlichen letztwilligen Erklärung zu bestätigen. Schließlich stellten die Untergerichte fest, daß der Erblasser die letztwillige Verfügung bei vollem Bewußtsein und im Besitz seiner Geisteskräfte, frei von Zwang oder Beeinflussung getroffen habe.
Die gegen diese Entscheidung eingebrachte Revision blieb ohne Erfolg.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen des Obersten Gerichtshofes:
Eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache soll nach Ansicht der Revision darin gelegen sein, daß das Berufungsgericht die letztwillige Erklärung des Erblassers vom 24. August 1945 als rechtsgültiges mündliches Testament anerkannt hat, wiewohl der Erblasser die Absicht hatte, ein schriftliches Testament zu errichten, nicht aber ein mündliches, ferner, daß entgegen den Bestimmungen des § 586 ABGB. und des § 66 AußstrG. die Zeugen des letzten Willens nicht beeidet worden sind, was überdies nur im Verlassenschaftsverfahren und nicht im Zivilprozeß hätte geschehen sollen. Die Ausführungen der Revision in dieser Hinsicht sind nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen. Rechtsprechung und Lehre stehen fast ausnahmslos auf dem Standpunkt, daß, wie aus § 584 ABGB. geschlossen wird, die tatsächlich erfüllte Form des letzten Willens vom Erblasser nicht geradezu gewollt sein muß; von wesentlicher Bedeutung ist lediglich, daß es dem Erblasser überhaupt um die Errichtung eines gültigen Testamentes zu tun war. Diese Auffassung kann daher für die Zulässigkeit der Aufrechterhaltung eines fehlerhaften schriftlichen Testamentes als mündliches praktisch verwertet werden. Wenn die letztwillige Erklärung in der einen oder anderen Form Rechtsbestand haben kann, dann ist es gleichgültig, ob der Erblasser schriftlich oder mündlich zu testieren beabsichtigt hat. Wenn der auf einen bestimmten rechtlichen Erfolg gerichtete Wille vorhanden ist und die zu dessen Verwirklichung gewählte Form zur Erreichung des Zweckes geeignet ist, dann ist es nicht nötig, daß der Verfügende ein bestimmtes Bewußtsein über die aus mehreren zu wählende Form gehabt hat. Die Form gehört nicht zum subjektiven Tatbestand des Rechtsgeschäftes, sondern zum objektiven, sie muß nicht gewählt, es muß ihr nur genügt sein.
Der Oberste Gerichtshof lehnt deshalb die von Pfaff - Hofmann und Unger sowie in vereinzelten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes ausgesprochene Ansicht als weder zweckmäßig, noch als rechtlich begrundet ab, wonach ein Testament, wenn der Erblasser sich für eine der zulässigen Testamentsformen entschlossen hat und von dieser Wahl nicht abgegangen ist, nur nach dieser Form und unter diesem Gesichtspunkt in Betracht gezogen und beurteilt werden müsse. Es ist deshalb der von Ehrenzweig begrundeten Ansicht, daß es der Gültigkeit eines mündlichen Testamentes nicht entgegenstehe, daß der Erblasser ein schriftliches Testament beabsichtigt habe, gegenüber der gegenteiligen Meinung von Pfaff - Hofmann der Vorzug zu geben.
Was schließlich die unterbliebene Beeidigung der drei Testamentszeugen anlangt, so hat das Berufungsgericht mit Recht darauf hingewiesen, daß sich die beklagte Partei im Verfahren mit der unbeeideten Aussage dieser Zeugen begnügt hat. Die Revision hat übrigens übersehen, daß nach § 65 AußstrG. ein von allen Zeugen verfaßter und eigenhändig gefertigter Aufsatz über den von einem Erblasser mündlich erklärten letzten Willen wie ein schriftliches Testament kundzumachen ist, in welchem Falle eine weitere Vernehmung der Testamentszeugen im Gesetz gar nicht vorgesehen ist. Nach den Umständen des vorliegenden Falles kommt das, wenn auch in schriftlicher Form als Kodizill nicht gültige, aber sofort bei der Errichtung des letzten Willens niedergeschriebene und von den drei Zeugen unterfertigte Schriftstück einer schriftlichen Aufzeichnung im Sinne des § 585 ABGB. gleich. Aber selbst wenn man das nicht formgültig errichtete Kodizill nicht als Aufsatz im Sinne des § 65 AußstrG. auffassen wollte, würde nach dieser Gesetzesstelle die Vernehmung der Zeugen vorläufig ohne Beeidigung genügen. Eine Beeidigung der Zeugen hat, wie dies aus § 66 AußstrG. mit aller Deutlichkeit hervorgeht, nur auf Verlangen einer Partei zu erfolgen. Da die beklagte Partei ein solches Verlangen im Prozeß nicht gestellt hat, haben die Untergerichte mit Recht auch die unbeeideten Aussagen der Zeugen des mündlich erklärten letzten Willens für ausreichend erachtet. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 16. September 1924, SZ. VI/278, ausgesprochen hat, ist auch die Auffassung unrichtig, daß die eidliche Bestätigung einer mündlichen Anordnung auch dann nach den §§ 65 ff. AußstrG. vorerst im außerstreitigen Verfahren erfolgen müsse, wenn ein Rechtsstreit bereits im Zuge ist. Wenn man selbst den zitierten Vorschriften den Charakter einer Solennitätsform beimißt, so kann dieses Formerfordernis doch nicht dahin aufgefaßt werden, daß hiezu ausschließlich der Abhandlungsrichter zuständig ist. Würde diese Auffassung zutreffen, dann wäre eine Wiederholung der eidlichen Zeugenvernehmung im Prozesse ausgeschlossen, was mit dem Grundsatz der Unmittelbarkeit in Widerspruch stunde. Überdies wäre nicht einzusehen, warum eine wiederholte eidliche Zeugenvernehmung über das gleiche Thema Platz greifen müßte.
Da somit die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht in jeder Hinsicht einwandfrei ist, mußte der Revision der Erfolg versagt werden.
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