Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S
20.610 (darin enthalten S 3.435 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger verpflichtete sich mit Scheidungsvergleich vom 24. 4. 1980 (Punkt 7.), der Beklagten einen monatlichen (wertgesicherten) Unterhaltsbetrag von S 10.000 zu leisten. Dieser Unterhaltsbetrag gilt auf Lebenszeit der Beklagten vereinbart und erlischt nur im Falle der Wiederverehelichung, jedoch auch dann erst frühestens 10 Jahre nach Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses.
Die Beklagte führt aufgrund dieses Scheidungsvergleiches gegen den Kläger Forderungsexekution zur Hereinbringung rückständiger Unterhaltsbeiträge von S 120.000 für den Zeitraum April 1997 bis März 1998 sowie laufender Unterhaltsbeträge von S 10.000 monatlich ab 1. 4. 1998.
Der Kläger begehrt, diesen Unterhaltsanspruch für erloschen zu erklären, weil sich seit Abschluss des Scheidungsvergleichs die Verhältnisse wesentlich geändert hätten. Damals habe der vereinbarte Unterhalt von monatlich S 10.000 nur ca 4 % seines damaligen Nettoeinkommens ausgemacht. Seitdem seien seine Unternehmen in Konkurs gegangen, er habe alles Hab und Gut verloren. Er lebe nunmehr in der Wohnung seiner dritten Ehegattin, für die er sorgepflichtig sei, von einer Pension von S 12.152,70 monatlich. Die Beklagte beziehe eine eigene Pension von ca S 10.000 und habe keine weiteren Sorgepflichten. Das Beharren der Beklagten auf der seinerzeitigen Unterhaltsvereinbarung, welche die Existenz des Klägers ruinieren würde, sei sittenwidrig. Die Umstandsklausel sei nicht ausgeschlossen worden. Weiters habe die Beklagte über mehr als 14 Jahre von der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen abgesehen; dies sei als Verzicht zu werten.
Die Beklagte wendete ein, es handle sich um einen vertraglichen Unterhalt, der ihr wertgesichert auf Lebenszeit eingeräumt worden sei und nur im Fall der Wiederverehelichung erlöschen sollte. Der ausdrückliche Wille der Parteien sei dahin gegangen, der Beklagten unter allen Umständen - sohin unabhängig von jeder Notlage, Gesetzesänderung oder von geänderten Verhältnissen - ein monatlicher Unterhaltsbetrag von S 10.000 wertgesichert zuzukommen habe. Dieser Vergleich sei nicht sittenwidrig.
Das Erstgericht gab der Klage statt; in rechtlicher Hinsicht führte es aus, das Beharren der Beklagten auf dem Unterhaltstitel sei jedenfalls als sittenwidrig anzusehen. Die ihr nach dem Vergleich zukommenden Beträge würden unter Berücksichtigung der Wertsicherung sogar das Monatseinkommen des Klägers übersteigen, dem dadurch die Existenzgrundlage entzogen würde. Da sich nicht nur die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien wesentlich geändert hätten, sondern den Kläger auch krankheitsbedingte Mehrauslagen träfen, sei eine Neubemessung des Unterhaltsanspruchs gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung der Einkünfte der Parteien und der weiteren Sorgepflicht des Klägers für seine Ehegattin sowie seines krankheitsbedingten Mehraufwands stehe der Beklagten aufgrund des Gesetzes kein Anspruch mehr zu.
Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der Beklagten dieses Urteil und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Rechtsfrage des unzweifelhaften Ausschlusses der Umstandsklausel und einer Anpassung eines vertraglichen Unterhaltsanspruches an geänderte Verhältnisse eine auch über den Einzelfall hinausgehende rechtserhebliche Bedeutung habe. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, die Umstandsklausel gelte auch für Unterhaltsverträge, soweit die Parteien nicht ausdrücklich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise auf eine Änderung der Unterhaltsvereinbarung auch für den Fall einer wesentlichen Änderung in den beiderseitigen Verhältnissen verzichten. Die Parteien hätten nach dem Vergleichstext eindeutig eine Unterhaltsvereinbarung getroffen; es sei nicht hervorgekommen, dass sie im Wege ihrer Vereinbarung eine Ausgleichszahlung verdecken hätten wollen. Sie hätten die Umstandsklausel in dem vor Gericht abgeschlossenen Vergleich nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Dass hier alleine deshalb, weil der Beklagten der Unterhalt auf Lebenszeit zugesichert worden sei, auf eine Änderung der Vereinbarung im Falle einer wesentlichen Änderung der beiderseitigen Verhältnisse unzweifelhaft verzichtet worden wäre, habe nicht angenommen werden können. In Anwendung der nicht ausgeschlossenen Umstandsklausel könne daher der Kläger bei einer wesentlichen Änderung der anspruchsbegründenden Tatsachen eine Herabsetzung oder Einstellung der Unterhaltsleistung erreichen. Sei demnach der Unterhalt neu zu bemessen, sei primär nach den Regeln ergänzender Vertragsauslegung von den erkennenbaren Vergleichsrelationen auszugehen und die Unterhaltshöhe danach anzupassen. Ließen sich diese Vergleichsrelationen nicht ermitteln oder hätten sich die gesetzlichen oder tatsächlichen Anspruchsvoraussetzungen so vielschichtig geändert, dass die im Vergleich zum Ausdruck gebrachte Absicht der Parteien nicht mehr nachvollzogen werden könne, dann müsse bei der Neubemessung auf die gesetzlichen Regeln zurückgegriffen werden. Dies sei hier der Fall. Im Zweifel müsse davon ausgegangen werden, dass nach der Übung des redlichen Verkehrs und der geänderten Umstände auch ein Eigeneinkommen des unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht unberücksichtigt zu lassen sei. Gehe man aber davon aus, dass einem schlechter verdienenden Ehegatten ein 40 %iger Anteil am Familieneinkommen abzüglich eigener Einkünfte zukomme, dann würden 40 % des Familieneinkommens von S 27.200 rund S 10.880 ergeben, weshalb abzüglich der Eigeneinkünfte der Beklagten von S 12.500 - selbst unter Außerachtlassung der teilweisen Sorgepflicht des Klägers für seine Ehegattin - kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch der Beklagten mehr bestehe.
Die Revision der Beklagten ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die Auslegung der im Punkt 7 des Scheidungsvergleichs getroffenen Unterhaltsvereinbarung, bei der auf die Anwendung der clausula rebus sic stantibus nicht ausdrücklich verzichtet wurde, ist wegen der über den Anlassfall nicht hinausgehenden Bedeutung vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfen (vgl RZ 1994/45 ua); eine auffallende Fehlbeurteilung bei dieser rechtlichen Qualifikation durch das Berufungsgericht ist nicht zu erkennen. Unterhaltsverträgen wohnt die clausula rebus sic stantibus regelmäßig stillschweigend inne. Sie ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Parteien ausdrücklich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise auf eine Änderung der Unterhaltsvereinbarung auch für den Fall einer wesentlichen Änderung in den beiderseitigen Verhältnissen verzichtet haben (SZ 26/222; SZ 70/111 ua). Auch bei der Beurteilung im Einzelfall, dass unter Berücksichtigung der nunmehrigen Verhältnisse der vertragliche Unterhaltsanspruch der Beklagten erloschen ist, ist dem Berufungsgericht, das den Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes folgt, keine auffallende Fehlbeurteilung im Einzelfall unterlaufen, weshalb auch in diesem Zusammenhang eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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