OGH 3Ob29/06w

OGH3Ob29/06w15.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt Wien - Wiener Wohnen für den 14., 15. und 16. Bezirk, Wien 16, Opfermanngasse 1, vertreten durch Dr. Johann Sommer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag. Susanne S*****, vertreten durch Dr. Markus Freund und Mag. Andreas Kleiber, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 5. Oktober 2005, GZ 38 R 115/05a-38, womit das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 14. April 2005, GZ 22 C 116/04s-23, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht hat die auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG gestützte Aufkündigung der von der Beklagten gemieteten Wohnung vom 30. Jänner 2004 für rechtswirksam erklärt. Nach dem festgestellten Sachverhalt fallen der Mieterin im Jahr 2003 bis Oktober 2004 zahlreiche die anderen Mieter des Hauses beeinträchtigende lautstarke Auseinandersetzungen mit ihrem Lebensgefährten zur Last. Nach dem Eintreten der Wohnungstür war einmal sogar ein Polizeieinsatz erforderlich geworden. Der Lebensgefährte der Beklagten beschimpfte und bedrohte andere Mieter des Hauses.

Das Berufungsgericht stellte nach Beweisergänzung fest, dass der Lebensgefährte der Mieterin im Oktober 2004 aus der Wohnung ausgezogen und die Lebensgemeinschaft mit der Beklagten beendet worden sei. Eine Rückkehr des Lebensgefährten in die Wohnung im Jänner 2005 in der Dauer von drei bis vier Wochen habe die Beklagte nur aus „moralischen Gründen" wegen Obdachlosigkeit des Mannes gestattet. Sie selbst habe in diesem Zeitraum bei einer anderen Mieterin gewohnt. Zu Beeinträchtigungen der anderen Mieter des Hauses sei es während dieser Zeit nicht gekommen. Der frühere Lebensgefährte der Mieterin habe in der Zwischenzeit zu einer anderen Frau eine Beziehung aufgenommen. Das Berufungsgericht hob auf der Grundlage des von ihm ergänzten Sachverhalts die Aufkündigung als rechtsunwirksam mit der wesentlichen Begründung auf, dass es bei der Beurteilung der Verwirklichung eines Kündigungsgrunds zwar grundsätzlich auf die Umstände im Zeitpunkt der Zustellung der gerichtlichen Aufkündigung ankomme, es sei aber dann, wenn der Mieter sein Verhalten ändere, eine Zukunftsprognose anzustellen und die Aufkündigung aufzuheben, wenn eine Wiederholung des bisherigen unleidlichen Verhaltens künftig mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei. Mit Beendigung der Beziehung der Mieterin zu ihrem Lebensgefährten seien auch die Störungen der anderen Hausbewohner beendet worden. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass die Beklagte die beendete Lebensgemeinschaft wieder aufnehmen werde.

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Grundsätzlich sind für die Beurteilung von Kündigungsgründen die Umstände im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung maßgeblich. Wenn allerdings der gekündigte Mieter nach Zustellung der Aufkündigung sein unleidliches Verhalten einstellt, ist die Verhaltensänderung bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens mitzuberücksichtigen und kann bei Vorliegen einer positiven Zukunftsprognose zur Klageabweisung führen, sofern die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten ausgeschlossen werden kann (RIS-Justiz RS0070340). Der Oberste Gerichtshof hat auch schon ausgesprochen, dass unter Umständen auf Entwicklungen Bedacht genommen werden kann, die zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung bereits in die Wege geleitet wurden (7 Ob 628/91; 9 Ob 16/02x). Ein solcher, ganz einzelfallbezogener Umstand kann hier in der festgestellten Beendigung der Lebensgemeinschaft der Mieterin erblickt werden. Das Berufungsgericht ist von der zitierten Rechtslage und oberstgerichtlichen Rsp daher letztlich nicht abgewichen. Die Beurteilung einer Verhaltensänderung eines Mieters und ihr Gewicht für die Zukunftsprognose hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0042790). Eine über eine außerordentliche Revision aufgreifbare rechtliche Fehlbeurteilung zeigt die Revisionswerberin nicht auf.

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