European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00241.15K.0316.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Die außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf und ist deshalb als nicht zulässig zurückzuweisen. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
1. Die Ansicht, die Bezeichnung der beschlossenen Klage im Beschluss des Gemeinderats als Feststellungsklage sei eine unschädliche Falschbezeichnung (gemeint: der Klage auf Vertragszuhaltung = Unterlassung), ist jedenfalls vertretbar, und hat zur Folge, dass die Verneinung des Einwands der fehlenden Bevollmächtigung des Klagevertreters keiner Korrektur bedarf.
2. Der Beklagte hat Bedenken gegen die Verfassungskonformität des § 22 des Krnt Gemeindeplanungsgesetzes (kurz: K‑GplG), der die rechtliche Grundlage der getroffenen Widmungsvereinbarung bildet. Die Bestimmung sei wegen der zwingenden Verknüpfung von privatrechtlichen Maßnahmen der Gemeinde mit der Erlassung von Hoheitsakten verfassungswidrig (VfSlg 15.625). Allerdings ist die sogenannte fakultative Vertragsraumordnung, mit der der Gesetzgeber die Gemeinden bloß zum Vertragsabschluss ermächtigt, zulässig; Verträge dürfen wohl Grundlage, aber keine zwingende Voraussetzung für die Erlassung oder Änderung von Raumordnungsplänen sein (Kleewein, Instrumente der Raumordnung, bbl 2014, 89 [100f] mwN).
§ 22 K‑GplG normiert im Gegensatz zu der vom VfGH aufgehobenen zwingenden Salzburger Regelung keine Pflicht zum Einsatz des vertraglichen Instrumentariums (Kleewein, Kärntner Raumordnungs‑ und Gemeindeplanungsrecht [2011], § 22 K‑GplG Anm 2). Da sich die vom Beklagten geäußerten Bedenken somit vom Inhalt der angesprochenen Bestimmung entfernen, sieht der erkennende Senat keine Veranlassung für eine Befassung des VfGH.
3. Auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Bedeutungslosigkeit einer allfällig in Punkt 7.4. vereinbarten Bedingung und die dagegen vorgetragenen Argumente der Revision kommt es nicht an.
Das Erstgericht hat eine Wortinterpretation dieser Klausel vorgenommen, ohne die bekämpfte Feststellung zum Verständnis der Klausel durch die Parteien zu verwerten. Es begründete die Verneinung der Vereinbarung einer Bedingung der Förderung durch die öffentliche Hand zweifach: Einerseits mit der unpassenden Formulierung „dem Neubau nähertreten“ und der Einfügung der Klausel unter Punkt 7. „Zusatzerklärungen“, nicht jedoch unter Punkt 4. „Aufschiebende Bedingungen“. Andererseits greift der Erstrichter auf die Zweifelsregel des § 915 Satz 2 ABGB zurück, weil die Klausel vom Beklagten stammt.
Dazu enthielt die Berufung (wie die außerordentliche Revision) keine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge, weil jede Auseinandersetzung mit den Argumenten des Erstgerichts unterblieb (RIS‑Justiz RS0043603). Aus diesem Grund ist die selbständige Rechtsfrage der Auslegung des Punktes 7.4. der Vereinbarung aus der ansonsten umfassenden Beurteilungspflicht des Obersten Gerichtshofs ausgeschieden (RIS‑Justiz RS0043352 [T35]; vgl auch RS0043603 [T10, T11]).
4. Den Erörterungen zum Beginn der 13‑jährigen Frist für die Auflassung des bestehenden Putenstalls fehlt die Relevanz. Sie übergehen (wie schon die Berufung) die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, der Beklagte habe den Eintritt der Bedingung für die Pflicht zur Auflassung des bestehenden Putenstalls (Erteilung der Baubewilligung für den neuen Putenstall) wider Treu und Glauben vereitelt, weshalb von ihrem Eintritt auszugehen sei, ohne sich damit auch nur mit einem Wort auseinanderzusetzen.
Wenn der Beklagte aus ausschließlich seiner Sphäre zuzuordnenden Gründen (Änderung seiner Prioritäten aus wirtschaftlichen Erwägungen) ganz bewusst seiner unbedingt übernommenen Pflicht zur Bebauung (einschließlich der Beantragung einer Baubewilligung) nicht nachkommt und damit den Eintritt des die 13‑jährige Frist auslösenden Umstands pflichtwidrig (vgl dazu: RIS‑Justiz RS0017424) vereitelt, ist in der Ansicht der Vorinstanzen, der Eintritt der Bedingung sei zu fingieren, keine unvertretbare Einzelfallbeurteilung (RIS‑Justiz RS0012728 [T14]) zu erblicken.
6. Da die Erteilung einer unverzüglich nach Umwidmung begehrten Baubewilligung jedenfalls lange vor dem 31. Oktober 2013 zu fingieren ist, kommt den viel späteren Aktivitäten des Beklagten (noch nicht erledigter Antrag auf Baubewilligung vom 31. Oktober 2013) keine Bedeutung mehr für die Beantwortung der Frage zu, ob und wann die 13‑jährige Frist für die Auflassung des bestehenden Putenstalls zu laufen begonnen hat.
7. Nach Ansicht der Revision ist die „Festlegung des Termins“ für die Unterlassungspflicht mit September 2018 angesichts der notwendigen Projektierung, Planung, Ausschreibung, Einreichung sowie mit Rücksicht auf die Zeit für die Erlangung einer Baubewilligung vollkommen willkürlich und nicht nachvollziehbar. Der Beklagte hat allerdings weder in erster Instanz solche Tatsachenbehauptungen aufgestellt noch in seiner Berufung den vom Erstgericht ausführlich begründeten Beginn des Laufs der 13‑jährigen Frist sechs Monate nach der Umwidmung im Februar 2005 (Ersturteil S 5 f) beanstandet. Die unterbliebene Rechtsrüge in der Berufung kann in dritter Instanz nicht nachgeholt werden (RIS‑Justiz RS0043573 [T2]; RS0043603 [T11]). Dies steht einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den nunmehrigen Revisionsausführungen entgegen.
8. Die Revision wiederholt den Standpunkt des Beklagten, die Vereinbarung stehe nicht im Einklang mit § 22 Abs 3, 4 und 6 K‑GplG: Mit der darauf gegründeten Klage werde die Schließung des rechtskräftig genehmigten landwirtschaftlichen Industriebetriebs des Beklagten und damit die Vernichtung seiner Existenz begehrt, was weder im Interesse der Raumordnung liege noch verhältnismäßig sei.
Hier ignoriert der Rechtsmittelwerber den Inhalt des mit der klagenden Gemeinde abgeschlossenen Vertrags, der (nur) die Verlegung/Aussiedlung des Standorts seines landwirtschaftlichen Betriebs bezweckt; darin (Punkt 7.1.) bestätigte der Beklagte ausdrücklich, dass die ihm „auferlegten Vertragspflichten und Sicherstellungen“ verhältnismäßig und wirtschaftlich zumutbar sind. Die von ihm behauptete Schließung seines Betriebs, die mit der Vernichtung seiner Existenz einhergehen soll, ist daher nicht Konsequenz eines unverhältnismäßigen Vertrags, dessen Durchsetzung die Klägerin anstrebt, sondern Folge des vom Beklagten zu vertretenden Versäumnisses bei der Erfüllung der von ihm übernommenen weiteren Pflicht zur Schaffung eines Ersatzstandorts, der die Fortsetzung des Betriebs ermöglicht hätte.
Das allein vom Beklagten zu vertretende (derzeitige) Fehlen eines Ersatzstalls vermag die ursprünglich gegebene (von ihm bestätigte) Verhältnismäßigkeit der eingegangenen Verpflichtungen nicht zu beseitigen. Dass die Aussiedlung des im Wohngebiet situierten Putenstalls wegen der davon ausgehenden Geruchsbelästigung im Interesse der örtlichen Raumplanung gelegen ist (wenn auch zur Beseitigung eines früher begangenen Fehlers), bedarf keiner weiteren Begründung.
9. Regelmäßige Voraussetzung einer vorbeugenden Unterlassungsklage ist der Beginn einer Rechtsverletzung (RIS‑Justiz RS0009357). Nach dem feststehenden Zweck der Vereinbarung vom 25. September 2001 (Aussiedlung des bestehenden Putenstalls) sind die beiden vom Beklagten übernommenen Verpflichtungen (1. Bau des neuen und 2. Auflassung des bestehenden Putenstalls) als Einheit anzusehen. Die Missachtung der Bebauungspflicht über viele Jahre stellt bereits den Beginn der Verletzung seiner in eine Unterlassungspflicht mündenden einheitlichen Vertragspflicht dar. Da der im vorliegenden Prozess eingenommene Standpunkt, zur Auflassung des bestehenden Putenstalls nicht verpflichtet zu sein, auch die Fortsetzung dieser Rechtsverletzung (einschließlich des Weiterbetriebs des bestehenden Putenstalls über den September 2018 hinaus) indiziert, haben die Vorinstanzen die Klagbarkeit schon zum jetzigen Zeitpunkt vertretbar bejaht.
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