European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00237.22G.0202.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Exekutionsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurswird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss, der im Umfang der Zurückweisung der Rekursbeantwortung der betreibenden Partei als unangefochten unberührt bleibt, wird im Übrigen dahin abgeändert, dass der erstgerichtliche Beschluss wiederhergestellt wird.
Die mit 1.576,48 EUR (hierin enthalten 196,08 EUR USt und 400 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses werden der betreibenden Partei als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Begründung:
[1] Mit rechtskräftigem und vollstreckbarem Urteil des Handelsgerichts Wien vom 1. April 2021 wurde zwischen dem Betreibenden als Kläger und der beklagten Partei, einer Gesellschaft nach englischem Recht mit Sitz in Großbritannien, festgestellt, dass der Treuhandvertrag zwischen den Streitteilen bezüglich einer (in Wien gelegenen) Liegenschaft samt darauf errichtetem Zinshaus aufgelöst ist. Die Beklagte wurde verpflichtet, diese Liegenschaft dem Betreibenden geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben und in die Einverleibung des Eigentumsrechts des Betreibenden an der Liegenschaft einzuwilligen.
[2] Diesem Urteil lag insbesondere der Sachverhalt zugrunde, dass der Betreibende die Treuhandschaft mit der Beklagten im Herbst oder Winter 2015 beendete und diese zur Rückübertragung der Liegenschaft aufforderte. Es kam allerdings zu keiner entsprechenden Vereinbarung. Vielmehr verkaufte die Beklagte die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 24. Jänner 2019 – knapp zweieinhalb Jahre nach Einbringung der dem Titel zugrunde liegenden Klage – an die nunmehrige Verpflichtete, eine österreichische GmbH, deren Eigentum in der Folge im Grundbuch einverleibt wurde. Die Verpflichtete trat dem Titelverfahren als Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten bei.
[3] Der Betreibende beantragte unter Vorlage des genannten Titels, eines aktuellen Grundbuchauszugs und des notariellen Kaufvertrags zwischen der Beklagten und der Verpflichteten unter anderem die Bewilligung der Exekution gemäß § 350 EO durch (vorerst) Vormerkung des Eigentumsrechts des Betreibenden an der Liegenschaft.
[4] Das Erstgericht bewilligte die Exekution (im zweiten Rechtsgang wiederum) antragsgemäß.
[5] Das Rekursgericht wies infolge Rekurses der Verpflichteten den Exekutionsantrag ab. Die Rechtskraft eines gegen den Verkäufer einer Liegenschaft ergangenen Urteils erstrecke sich auf den Käufer der Liegenschaft als Einzelrechtsnachfolger und könne unter den Voraussetzungen des § 9 EO gegen diesen vollstreckt werden, sofern der Erwerber auch die Verpflichtung ausdrücklich unter Entlassung des bisherigen Schuldners übernommen habe oder wenn der Exekutionstitel auf die Durchsetzung eines dinglichen Rechts gerichtet und dieses Recht bereits bei der Einverleibung des neuen Eigentümers aus dem Grundbuch ersichtlich gewesen sei. Die Rechtskrafterstreckung des § 234 ZPO komme immer dann nicht zur Anwendung, wenn schon nach materiellem Recht kein identischer Anspruch für oder gegen den Erwerber bestehe. Dem Betreibenden stehe gegen die zwischenzeitig im Grundbuch eingetragene Verpflichtete, auch wenn er bereits vor dem Verkauf an diese auf Übereignung geklagt habe, kein Übereignungsanspruch zu. Die Verpflichtete sei bezüglich des vom Betreibenden eingeklagten Herausgabeanspruchs nicht die Rechtsnachfolgerin der Voreigentümerin. Die Verpflichtete sei deren Rechtsnachfolgerin nur hinsichtlich des sachenrechtlichen Eigentums an der Liegenschaft, streitverfangen sei hingegen nur der rein schuldrechtliche Übereignungsanspruch aufgrund der Treuhandvereinbarung gewesen. Weder aus dem vorgelegten Kaufvertrag noch aus dem Grundbuch ergebe sich, dass die Verpflichtete die titulierte Verpflichtung unter Entlassung der Verkäuferin übernommen hätte oder der Anspruch des Betreibenden verdinglicht gewesen wäre. Der im Kaufvertrag enthaltene Verweis auf ein zwischen dem Betreibenden und der Verkäuferin anhängiges Gerichtsverfahren stelle keine privative Schuldübernahme dar. Auch aus der Tatsache, dass die Verpflichtete im Titelverfahren als Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei beigetreten sei, lasse sich keine Bindungswirkung ableiten.
[6] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.
[7] Der Revisionsrekurs des Betreibenden ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[8] 1. Gemäß § 9 EO kann gegen einen anderen als den im Exekutionstitel Verpflichteten die Exekution nur soweit stattfinden, als durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden bewiesen wird, dass die im Titel festgestellte Verpflichtung auf jene Person übergegangen ist, gegen die die Exekution beantragt wird. Zweck dieser Regelung ist es, Änderungen des Sachverhalts, die nach Schaffung des Titels eingetreten sind und eine Verschiebung der Rechtszuständigkeit mit sich gebracht haben, für die Exekutionsführung berücksichtigen zu können (vgl 3 Ob 14/11x mwN). Grundsätzlich muss für die Anwendbarkeit des § 9 EO daher der Rechtsübergang nach Entstehung des Titels erfolgt sein (Jakusch in Angst/Oberhammer, EO3 § 9 EO Rz 8 mwN).
[9] 2.1. Gemäß § 234 ZPO hat die Veräußerung einer in Streit verfangenen Sache oder Forderung auf den Prozess keinen Einfluss; der Erwerber ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners als Hauptpartei in den Prozess einzutreten. Diese Bestimmung verhindert, dass durch eine Rechtsnachfolge nach Streitanhängigkeit der Verlust der Sachlegitimation einer Partei zur Abweisung einer sonst begründeten Klage führt und ein zweiter Prozess mit dem Rechtsnachfolger geführt werden muss, wobei sich diese Kette theoretisch ad infinitum fortsetzen könnte (Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 234 ZPO Rz 1 mwN; vgl auch RS0039314).
[10] 2.2. § 234 ZPO stellt nach der herrschenden Irrelevanztheorie insofern eine Ausnahme gegenüber § 406 ZPO dar, als für die Frage der Aktiv‑ bzw Passivlegitimation der Zeitpunkt der Streitanhängigkeit und nicht des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz entscheidend ist (vgl RS0109183 [T1]). Der Geltendmachung eines Rechtsübergangs nach § 9 EO und damit der Exekutionsführung gegen den Rechtsnachfolger des im Titel Genannten steht es daher nicht entgegen, dass der Rechtsübergang bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz stattfand (Jakusch in Angst/Oberhammer 3 § 9 EO Rz 8 mwN).
[11] 2.3. Wird – wie im vorliegenden Fall – die in Streit verfangene Sache, hier also die Liegenschaft, deren Rückübertragung und geräumte Übergabe der Kläger begehrte, vor Schluss der mündlichen Streitverhandlung veräußert, ist eine privative Schuldübernahme durch die Käuferin (hier die Verpflichtete) entgegen der Ansicht des Rekursgerichts nicht zu verlangen. Vielmehr geht der (erst in der Folge) titulierte Anspruch bzw wie hier die Verpflichtung ex lege auf den Erwerber (Einzelrechtsnachfolger) über (vgl Jakusch in Angst/Oberhammer 3 § 9 EO Rz 5 mwN; RS0000291 [T2]).
[12] 3. Der Betreibende hat durch mit dem Exekutionsantrag vorgelegte öffentliche Urkunden, nämlich den Titel und den Grundbuchauszug, den Erwerb der streitverfangenen Liegenschaft durch die Verpflichtete während des anhängigen Titelverfahrens nachgewiesen.
[13] 4. Nach der Rechtsprechung wird zwar der Einzelrechtsnachfolger des Titelschuldners, der im Vertrauen auf den Grundbuchstand gutgläubig Eigentum erworben hat, von der Rechtskraftwirkung eines gegen den Vormann ergangenen Urteils nicht erfasst, sodass der gegen den Vormann (Veräußerer) erwirkte Titel gegen ihn nicht vollstreckt werden kann (vgl RS0000304 [T2]; RS0000306 [T7]). Ein gutgläubiger Eigentumserwerb der Verpflichteten würde voraussetzen, dass sie die Liegenschaft im Vertrauen auf den Grundbuchstand gekauft hätte. Allerdings ist ein gutgläubiger Eigentumserwerb nur mittels Impugnationsklage geltend zu machen, der betreibende Gläubiger hat die Schlechtgläubigkeit des Erwerbers also nicht bereits im Exekutionsantrag zu beweisen (vgl Binder in Deixler‑Hübner, EO § 9 Rz 55a; vgl auch RS0000343). Abgesehen davon ergibt sich bereits aus dem vom Betreibenden mit seinem Exekutionsantrag vorgelegten notariellen Kaufvertrag – also einer öffentlich beglaubigten Urkunde iSd § 9 EO –, dass die Verpflichtete bei Erwerb der Liegenschaft in Kenntnis vom anhängigen Titelverfahren war. Diese Kenntnis schließt einen gutgläubigen Eigentumserwerb aber in gleicher Weise aus wie eine Klageanmerkung (vgl dazu Jakusch in Angst/Oberhammer 3 § 9 EO Rz 5); in beiden Fällen besteht daher für den Erwerber die Obliegenheit, geeignete Nachforschungen über den konkreten Verfahrensgegenstand anzustellen.
[14] 5. Richtig ist, dass dem Antrag auf Einverleibung des Eigentumsrechts an einer Liegenschaft nach § 350 EO nur dann stattgegeben werden kann, wenn eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts vorgelegt wird (RS0004542). Der vom Betreibenden beantragten bloßen Vormerkung seines Eigentumsrechts steht das Fehlen der Unbedenklichkeitsbescheinigung allerdings nicht entgegen (vgl Höller in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 8 GBG Rz 13).
[15] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 EO.
[16] Bei einer Bemessungsgrundlage von 20.350 EUR beträgt die Pauschalgebühr für den Revisionsrekurs nur 400 EUR.
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