OGH 3Ob231/07b

OGH3Ob231/07b27.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian L*****, vertreten durch Mag. Robert Morianz, Rechtsanwalt in Salzburg als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Dr. Ingrid L***** (nunmehr Verlassenschaft nach Dr. Ingrid L*****), vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Einwendungen gegen einen Anspruch gemäß § 35 EO, infolge der Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 2. August 2007, GZ 53 R 166/07d, 217/07d-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Thalgau vom 26. Februar 2007, GZ 1 C 123/06w-4, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 1.759,68 EUR (darin 293,28 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die (am 8. Juli 2007 verstorbene) Oppositionsbeklagte (Mutter des Klägers) löste eine Bankverbindlichkeit des Klägers über 46.205,09 EUR ein, worüber dieser verständigt wurde. Die Bank hatte einen Wechselzahlungsauftrag über 44.312,29 EUR erwirkt. Aufgrund dieses Exekutionstitels und der Rechtsnachfolge der Beklagten wurde dieser am 16. Juni 2006 zu AZ 6 E 18/06x des Bezirksgerichts Thalgau die beantragte Zwangsversteigerung von Liegenschaftsanteilen des Klägers zur Hereinbringung eines Teilbetrags von 38.157,09 EUR sA bewilligt. Nach dem im Revisionsverfahren unstrittigen Sachverhalt steht dem Kläger nach dem Tod seines Vaters gegenüber seiner Mutter (der Alleinerbin, nunmehr gegenüber der Verlassenschaft nach seiner Mutter) ein mit dem Pflichtteilsübereinkommen vom 17. Mai 2005 festgestellter Pflichtteilsanspruch von 43.048 EUR zu. Unstrittig ist ferner eine Darlehensrückzahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber seinen Eltern von 35.000 EUR.

Im Oppositionsstreit machte der Kläger eine Anrechnung seines Pflichtteils auf den (niedrigeren) betriebenen Anspruch geltend. Die Exekution sei einzustellen. Er steht auf dem Standpunkt, dass die Darlehensrückzahlung noch nicht fällig sei, weil hiefür seine Leistungsfähigkeit vereinbart, diese aber nicht gegeben sei. Die Beklagte könne daher nicht vorweg ihren Rückforderungsanspruch gegen den Pflichtteilsanspruch aufrechnen. Die Beklagte behauptete die Leistungsfähigkeit des Klägers zur Rückzahlung des Darlehens. Dieses sei fälliggestellt worden und unter Aufrechnung mit dem Pflichtteilsanspruch des Klägers getilgt worden. Mit diesem Anspruch könne daher nicht mehr aufgerechnet werden.

Das Erstgericht gab dem Oppositionsbegehren statt und stellte das Erlöschen des betriebenen Anspruchs „im Ausmaß von EUR 38.157,09" fest.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass der betriebene Teilanspruch von „38.157,09 EUR samt 6 % Zinsen seit 10. Mai 2005" erloschen sei.

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen sei zwischen dem Kläger und seinen Eltern vereinbart worden, dass das unverzinsliche Darlehen ohne festgelegten Termin rückzahlbar und nur nach Maßgabe der persönlichen Leistungsfähigkeit des Darlehensnehmers, unter Setzung einer angemessenen Frist fällig zu stellen sei. Der Kläger sei seit dem Jahr 2005 „wirtschaftlich schlecht situiert". Der betriebene Teilanspruch stelle sich rechnerisch so dar:

übernommene Forderung 46.205,09 EUR

Darlehensforderung 35.000,-- EUR

Zwischensumme 81.205,09 EUR

abzüglich Pflichtteilsanspruch 43.048,-- EUR

Exekutionsbetrag 38.157,09 EUR

In rechtlicher Hinsicht teilte das Berufungsgericht die Auffassung des Erstgerichts über die fehlende Leistungsfähigkeit des Oppositionsklägers zur Rückzahlung des Darlehens, weshalb dieses von der Beklagten nicht wirksam fälliggestellt und gegen die Pflichtteilsforderung des Klägers habe aufgerechnet werden können. Der Kläger könne daher gegen die betriebene Forderung mit seiner Pflichtteilsforderung aufrechnen. In der Klageführung liege die Aufrechnungserklärung. Aus dem Klagevorbringen ergebe sich, dass der Oppositionskläger das Erlöschen des gesamten betriebenen Anspruchs, also inklusive der betriebenen Zinsen, anstrebe. In diesem Sinne habe das Erstgericht auch entscheiden wollen. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei die Exekutionsführung auch nicht in Ansehung eines Teilbetrags von 3.157,09 EUR (d.i. die Differenz zwischen dem betriebenen Teilanspruch und der Leistungsverpflichtung aufgrund des Exekutionstitels) zulässig, weil diese Restforderung nicht Gegenstand des Oppositionsverfahrens sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Rechtsfrage fehle, ob bei Teilbetreibung einer im Exekutionsantrag nicht näher rechnerisch dargestellten Forderung und aufrechnungsweiser Einwendung einer Gegenforderung im Oppositionsverfahren, die zwar rechnerisch höher ist als die teilbetriebene Forderung, nicht aber höher als die gesamte titelmäßige Forderung, allein auf die betriebene Forderung in der Anlassexekution abzustellen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig:

1. Die nur zum Thema der „Maßgabebestätigung" relevierte Nichtigkeit in Ansehung des durch das Berufungsgericht um den Ausspruch des Erlöschens auch des betriebenen Zinsenanspruchs ergänzten Urteilsspruchs liegt nicht vor. Nach der zutreffenden Begründung der zweiten Instanz handelt es sich dabei lediglich um eine nach dem Akteninhalt gedeckte Berichtigung. Nach der Klageerzählung und der Urteilsbegründung des Erstgerichts ist Verfahrensgegenstand des Oppositionsstreits der gesamte betriebene Anspruch, also die Kapitalforderung samt Zinsen. Dazu kann auf die Begründung des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. a) Die Rüge fehlender Feststellungen zum Thema der Leistungsfähigkeit des Klägers zur Rückzahlung des Darlehens wird nur damit begründet, dass der Kläger jedenfalls ab Entstehen seiner Pflichtteilsforderung zur Rückzahlung des Darlehens fähig gewesen wäre. Dabei wird übersehen, dass entscheidungswesentlich die Auslegung der Vereinbarung über die Rückzahlungsverpflichtung des Darlehensnehmers ist, die Entscheidung also von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Die Revisionswerberin übergeht völlig den unstrittigen Umstand, dass dem Pflichtteilsanspruch des Klägers (43.048 EUR) nicht nur die Darlehensrückzahlungsverpflichtung (35.000 EUR), sondern auch die von der Beklagten übernommenen Bankschulden (46.205,09 EUR) gegenüberstanden und der Kläger überdies nach seinem unstrittigen Vermögensbekenntnis zur Erlangung der Verfahrenshilfe nur über eine monatliche Pension von weniger als 1.000 EUR verfügt. Bei einem solchen Sachverhalt liegt in der Verneinung der Leistungsfähigkeit des Klägers zur Darlehensrückzahlung iSd getroffenen Vereinbarung keine rechtliche Fehlbeurteilung.

b) Dass der Kläger der Aufrechnungserklärung der Beklagten nicht widersprechen habe dürfen, weil ihm kein Widerspruchsrecht nach § 1416 ABGB zustehe, ist nicht entscheidungswesentlich, wenn - wie hier - die Beklagte die Aufrechnung wegen der getroffenen Vereinbarung gar nicht wirksam erklären durfte. Bei irrtümlicher Annahme einer Aufrechnungslage durch den Aufrechnenden tritt die Aufrechnungswirkung (die Wirkung der Zahlung) nicht ein (RIS-Justiz RS0033716).

c) Die in der Revision vertretene Auffassung, es fehle an einer

wirksamen Aufrechnungserklärung des Klägers, dass mit dem

Pflichtteilsanspruch der betriebene Anspruch aufgerechnet werde, wird

nur auf eine spitzfindige, am Wortlaut einzelner Formulierungen in

der Klageerzählung klebende Begründung gestützt und übersieht die aus

dem Gesamtzusammenhang klar ersichtliche Absicht des Klägers, das

Erlöschen des betriebenen Anspruchs auf die Aufrechnung mit der

Pflichtteilsforderung als Oppositionsgrund zu stützen.

d) Schließlich ist noch zum Revisionsvorbringen, das Klagebegehren wäre jedenfalls in Ansehung eines Teilbetrags von 3.157,09 EUR abzuweisen sowie zum entsprechenden Rechtsmittelzulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts dahin Stellung zu nehmen, dass der Streitgegenstand im Oppositionsstreit der betriebene Anspruch ist (3 Ob 10/06a mwN), also der materielle Bestand dieses Anspruchs auf der Grundlage des nach Entstehen des Titels eingetretenen Sachverhalts (Jakusch in Angst, EO, § 35 Rz 7). Ob der Kläger mit seiner Aufrechnungserklärung einen über den betriebenen Teilanspruch hinausgehenden weiteren Teilanspruch im Wege der Aufrechnung getilgt hat, ist nicht Verfahrensgegenstand. Das von der Revisionswerberin angestrebte Ergebnis liefe darauf hinaus, dass der Aufrechnungsgegner die Aufrechnungserklärung des anderen umwidmen dürfte (hier also auf den nicht betriebenen Teilanspruch) und solcherart die Zulässigkeit der Exekutionsführung einseitig aufrechterhalten könnte. Dies entbehrt einer erkennbaren Rechtsgrundlage, die aufzuzeigen die Revisionswerberin nicht einmal versucht.

Die Revision ist daher aus den dargelegten Gründen mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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