OGH 3Ob227/18f

OGH3Ob227/18f19.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen V*****, geboren am ***** 2003, wohnhaft bei der und vertreten durch die Mutter L*****, diese vertreten durch Dr. Manfred Leimer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Vaters Dr. G*****, vertreten durch Imre & Schaffer Rechtsanwälte OG in Gleisdorf, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 18. September 2018, GZ 15 R 364/18g‑43, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 20. Juli 2018, GZ 23 Pu 31/17i‑37, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00227.18F.1219.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Die Ehe der Eltern der Minderjährigen wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 19. Jänner 2011 einvernehmlich geschieden. Die Alleinobsorge für das Kind kommt laut Scheidungsfolgenvergleich der Mutter zu. Der Vater verpflichtete sich zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags an die Mutter in Höhe von 830 EUR und an die Minderjährige in Höhe von (ursprünglich) 416 EUR; derzeit beträgt der von ihm an das Kind zu leistende Unterhalt 449 EUR monatlich.

Der (in der Folge am 25. April 2017 verstorbene) väterliche Großvater setzte in seinem Testament vom 24. Juni 2014 seinen Sohn (den Vater des Kindes) als Alleinerben ein und verfügte darüber hinaus ua Folgendes:

„Es ist mir ein besonderes Anliegen, dass die Tochter meines Sohnes […] die Möglichkeit hat, sorgenfrei zu studieren oder eine sonstige Ausbildung abzuschließen. Ich vermache ihr daher aus meinem Nachlassvermögen bis zum Abschluss ihres Studiums bzw ihrer sonstigen Ausbildung, längstens jedoch bis zum Erreichen ihres dreißigsten Lebensjahres, ein Legat in Form von monatlich 1.000 EUR wertgesichert […].“

Der Großvater hat der Minderjährigen dieses Legat in Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung zugedacht, wollte damit also nicht den Vater von seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind befreien.

Der Vater hat mittlerweile zur Absicherung dieser Legatsforderung der Minderjährigen einen Betrag von 200.000 EUR beim Bezirksgericht Graz-West erlegt. Dieses nahm den Erlag mit Beschluss vom 1. Juni 2018 gemäß § 1425 ABGB zu Gericht an, verfügte dessen fruchtbringende Anlage und behielt jede Verfügung über den Erlagsgegenstand der gerichtlichen Anordnung vor.

Der Vater beantragt, seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Minderjährigen für erloschen zu erklären. Am Unterhaltscharakter des Legats und der Absicht des Großvaters, den unterhaltspflichtigen Vater dadurch zu entlasten, könne nach dem Wortlaut der letztwilligen Verfügung kein Zweifel bestehen. Da die Minderjährige den Anspruch auf das Legat gemäß § 684 Abs 1 ABGB mit dem Tod des Vermächtnisgebers erworben habe, sei ihr Unterhaltsanspruch rückwirkend mit 1. Mai 2017 erloschen. Jedenfalls aber seien die vom Vater monatlich zu erbringenden Legatszahlungen als Eigeneinkommen der Minderjährigen zu werten, weshalb er auch aus diesem Grund von seiner Unterhaltspflicht befreit sei. Er werde die monatlichen Zahlungen mittels Dauerauftrags leisten. Es werde Sache der Mutter sein, ein mündelsicheres Konto für das Kind einzurichten und sicherzustellen, dass Verfügungen über die monatlichen Zahlungen nur mit Zustimmung des Gerichts möglich seien.

Die Mutter sprach sich (namens des Kindes) gegen eine Unterhaltsbefreiung des Vaters aus. Dieser habe bisher noch keine Zahlungen aus dem Legat geleistet. Aus dem Testament sei keineswegs ableitbar, dass der Großvater beabsichtigt hätte, mit dem Legat den Vater von seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind zu befreien. Sie sei bereit, ein mündelsicheres Konto für die monatlichen Legatszahlungen einzurichten, und stimme auch zu, dass dieses Konto bis zur Volljährigkeit des Kindes gerichtlich gesperrt werde.

Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters (im zweiten Rechtsgang neuerlich) ab. Aus dem Wortlaut des Testaments ergebe sich nur, dass der Großvater der Minderjährigen eine fundierte Ausbildung ermöglichen habe wollen, nicht aber auch, dass er beabsichtigt hätte, damit den Vater von seiner Geldunterhaltspflicht zu befreien. Das gänzliche oder teilweise Erlöschen einer Geldunterhaltspflicht durch regelmäßige Sach- oder Geldleistungen eines Dritten setze voraus, dass dieser mit seiner Leistung die Absicht verfolge, die Unterhaltspflicht des Schuldners ganz oder teilweise zu erfüllen. Nicht unterhaltspflichtige Großeltern erbrächten ihre Leistungen im Zweifel nur in Erfüllung einer (zumindest angenommenen) sittlichen Verpflichtung und nicht in der Absicht, den Unterhaltsschuldner dadurch zu entlasten. Unter einem Einkommen des Unterhaltsberechtigten sei zwar grundsätzlich alles zu verstehen, was ihm, sei es als Natural- oder als Geldleistung welcher Art auch immer, aufgrund eines Anspruchs zukomme. Dabei hätten aber insbesondere jene Einkünfte außer Betracht zu bleiben, die dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwands dienten. Das sei hier der Fall, weil der Großvater beabsichtigt habe, der Minderjährigen mit dem Legat ein sorgenfreies Studium zu ermöglichen. Abgesehen davon sei das Legat angesichts der mündelsicheren Veranlagung und gerichtlichen Sperre des Kontos für die Minderjährige derzeit nicht verfügbar und könne auch aus diesem Grund keinesfalls als Eigeneinkommen berücksichtigt werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Das Erstgericht habe das Testament nicht unrichtig ausgelegt. Zur Auslegung des wahren Willens des Verstorbenen habe es nur auf die Einvernahme des Vaters zurückgreifen können, weil dieser der Aufforderung des Erstgerichts, jenen Notar, dessen Substitutin das Testament errichtet habe, von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, nicht nachgekommen sei, weshalb die Einvernahme dieser Zeugin zum wahren Willen des Großvaters nicht möglich gewesen sei. Nach den Feststellungen habe es sich beim Legat bloß um eine freiwillige Leistung in Erfüllung einer sittlichen Pflicht gehandelt. In der Entscheidung 8 Ob 35/14a habe sich der Oberste Gerichtshof trotz kritischer Stellungnahmen in der Literatur nicht veranlasst gesehen, von seiner Rechtsprechung abzugehen, wonach freiwillig geleistete, jederzeit widerrufliche Zuwendungen, die ohne rechtliche Verpflichtung aus familiären Gründen erbracht würden und nicht dazu gedacht seien, andere Unterhaltsberechtigte mitzuversorgen, nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen seien. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur hier vorliegenden Konstellation, dass die freiwillige Zuwendung eines Dritten nicht mehr widerrufen werden könne, fehle.

In seinem Revisionsrekurs macht der Vater zusammengefasst geltend, eine fundierte und rechtlich richtige Auslegung der letztwilligen Verfügung ergebe zweifelsfrei, dass das Legat Unterhaltscharakter aufweise, weil der Verstorbene ganz offensichtlich den Willen und die Absicht gehabt habe, ganz oder auch nur teilweise die Unterhaltspflicht seines Sohnes (des Vaters) gegenüber dem Kind zu erfüllen. Jedenfalls aber seien die monatlichen Legatszahlungen als Eigeneinkommen der Minderjährigen zu werten, weil darunter nach ständiger Rechtsprechung alle vermögenswerten Zuwendungen fielen, die das noch nicht selbsterhaltungsfähige Kind aufgrund eines eigenen Rechtstitels erhalte.

Die Mutter beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

1.1. Regelmäßige – auf Freiwilligkeit beruhende – Sach- oder Geldleistungen eines Dritten können unter Umständen zum Erlöschen der Unterhaltspflicht führen. Dies setzt aber voraus, dass der Dritte mit seiner Leistung die Absicht verfolgt, ganz oder auch nur teilweise die Unterhaltspflicht des Schuldners zu erfüllen, sei es um von ihm Ersatz zu erlangen oder in dessen Erwartung (RIS‑Justiz

RS0020019), sei es als Schenkung gegenüber dem Unterhaltspflichtigen. Mangels nachgewiesener Absicht, den Unterhaltsschuldner zu entlasten, haben Leistungen Dritter jedoch keinen Einfluss auf die Unterhaltsverpflichtung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils (1 Ob 179/12y mwN; 9 Ob 31/14w = RIS‑Justiz

RS0121610 [T2]). Zuwendungen naher Verwandter, etwa der Großeltern, werden nach der Rechtsprechung im Zweifel in Erfüllung einer (zumindest angenommenen) sittlichen Verpflichtung erbracht und nicht in der Absicht, den Unterhaltspflichtigen zu entlasten (RIS‑Justiz

RS0047325).

1.2. Gemäß § 231 Abs 3 ABGB wird der Unterhaltsanspruch des Kindes durch eigene Einkünfte – das sind nach herrschender Lehre und Rechtsprechung alle tatsächlichen Leistungen (Geld- wie Sachleistungen, somit alle vermögenswerten Zuwendungen), die das nicht selbsterhaltungsfähige Kind aufgrund eines

Anspruchs erhält (RIS‑Justiz

RS0121610 [T2]) – gemindert.

2.1. Den Zuwendungen im Sinn von Punkt 1.1. und dem Eigeneinkommen des Kindes ist gemeinsam, dass sie, um von Einfluss auf die (Höhe der) Unterhaltspflicht sein zu können, dem Kind bzw dem obsorgeberechtigten Elternteil tatsächlich zu seiner Verwendung zur Verfügung stehen müssen (vgl RIS‑Justiz RS0047835; Neuhauser in Schwimann/Kodek 4 Ia § 231 ABGB Rz 370).

2.2. Aus diesem Grund ist die Ansicht des Vaters, der Unterhaltsanspruch der Minderjährigen sei bereits rückwirkend mit dem Tod ihres Großvaters – also mehr als ein Jahr vor dem Gerichtserlag – erloschen, von vornherein verfehlt.

2.3. Darüber hinaus konnte aber auch der Gerichtserlag schon deshalb nicht zu einer Unterhaltsbefreiung des Vaters führen, weil der von ihm zur Sicherstellung des Legats bei Gericht erlegte Betrag fruchtbringend angelegt wurde und die Mutter über die fälligen Teilbeträge nicht ohne Zustimmung des Erlagsgerichts verfügen kann. Es wäre ihr nicht zumutbar, zur Deckung des Lebensunterhalts der Minderjährigen jeden Monat beim Erlagsgericht um Freigabe von 1.000 EUR ansuchen zu müssen.

2.4. Die Vorinstanzen haben den Antrag des Vaters daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

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