Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit rechtskräftigem Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes Neumarkt vom 26.6.1992 (Vollstreckbarkeitsbestätigung vom 8.9.1992) wurden die verpflichteten Parteien (unter der Anschrift W*****weg 42, D-3056 Rehberg-Loccum) zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, der Bezirkssparkasse N***** S 331.084,60 sA bei Exekution zu bezahlen.
Zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderungen hatte die betreibende Partei mit der (wie im vorliegenden Verfahren vorgetragenen) Behauptung, sie sei Rechtsnachfolgerin der Titelgläubigern und die verpflichteten Parteien seien nach Zustellung des Versäumungsurteils von der mit "C*****straße 88, D-6800 Mannheim 24" angegebenen Anschrift unbekannten Aufenthaltes verzogen, die Bestellung des Dr.Gerhard Roth, Rechtsanwalt in Murau, zum Kurator gemäß § 116 ZPO und die Zwangsversteigerung der den verpflichteten Parteien je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft EZ ***** KG A***** beantragt. Diese Anträge wurden rechtskräftig abgewiesen, weil zum einen die Voraussetzungen für die Kuratorbestellung nicht bescheinigt und zum anderen die Rechtsnachfolge nicht gemäß § 9 EO nachgewiesen worden sei (AZ E 1742/93 des Erstgerichtes, R 1261/93 des Landesgerichtes Leoben).
Im vorliegenden Verfahren beantragte die betreibende Partei am 12.1.1994 mit den gleichen - wie den oben dargelegten - Behauptungen unter Vorlage einer Negativbestätigung des Einwohnermeldeamtes Mannheim und einer eidesstattlichen Erklärung ihres (gleichen) Rechtsvertreters, wonach dessen Nachforschungen über den Aufenthalt der beiden Verpflichteten bei - ungenannt gebliebenen - anderen Personen, die in einem Naheverhältnis zu diesen stehen und über ihren
Verbleib üblicherweise Bescheid wissen müßten, und selbst durch Telefonanrufe fruchtlos geblieben seien, die Bestellung Dris Gerhard Roth zum Kurator und die Bewilligung der Zwangsversteigerung.
Das Erstgericht entschied nunmehr antragsgemäß, stellte den Kuratorbestellungsbeschluß gemäß § 25 ZustG (durch Edikte in der Wiener Zeitung, an der Gerichtstafel, beim örtlich zuständigen Gemeindeamt Mariahof und beim Gemeindeamt Mannheim) zu und nahm in der Folge alle weiteren Zustellungen an die Verpflichteten zu Handen des Kurators vor. Die Liegenschaft wurde am 4.7.1994 um das Meistbot von S 1,125.940 (= um den halben Schätzwert) dem einzigen Bieter Mag.Christian Friedrich G***** zugeschlagen, wobei der Vertreter der betreibenden Partei zuvor noch in der Versteigerungstagsatzung telefonisch angekündigte, aber nicht eingehaltene Zahlungsankündigungen des Erstverpflichteten bekanntgab, dabei aber weiterhin dessen Aufenthalt nicht zu kennen versicherte (ON 26 aS 101 verso).
Am 5.7.1994, einem Dienstag, sprach der Erstverpflichtete beim Erstgericht vor und teilte mit, er habe erst am vergangenen Freitag telefonisch von seiner Ehefrau erfahren, daß seine Liegenschaft versteigert werden solle. Als Termin sei ihm Dienstag der 5.7.1994 10.00 Uhr genannt worden. Am 18.7.1994 stellte der nunmehr durch Dr.Werner Kirchleitner, Rechtsanwalt in Neumarkt, vertretene Erstverpflichtete einen - mittlerweile rechtskräftig abgewiesenen - Wiedereinsetzungsantrag mit folgenden Behauptungen: Er habe von allen Zustellvorgängen ohne sein Verschulden keine Kenntnis erlangt, weil er bereits vor rund 14 Jahren nach Deutschland, und zwar nach Rehburg-Loccum, W*****weg 42, verzogen sei. Im Jahr 1990 sei er nach D-06618 Naumburg, M*****straße 12a, übersiedelt. Unter der Anschrift C*****straße 88, D-6800 Mannheim 24, hätten er und seine ehemalige Ehegattin, die Zweitverpflichtete, nie gewohnt. Dort habe lediglich ein Lager eines Unternehmens bestanden.
Zugleich erhob der Zweitverpflichtete Rekurse gegen den Kuratorbestellungsbeschluß ON 3 und gegen die Zuschlagserteilung ON
26.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Erstverpflichteten gegen den Beschluß ON 3 Folge, wies den Antrag der betreibenden Partei, für den Erstverpflichteten einen Kurator zu bestellen, ab, hob das gesamte mit dem Kurator ab der Zustellung des Bestellungsbeschlusses geführte Exekutionsverfahren als nichtig auf und verwies den Erstbeklagten mit seinem Rekurs gegen die Zuschlagserteilung auf diese Entscheidung. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für zulässig, weil zum Umfang der Nichtigerklärung des Zwangsversteigerungsverfahrens (auch in Ansehung der Zweitverpflichteten) Rechtsprechung fehle. Zuvor hatte das Rekursgericht ergänzende Erhebungen über Art und Umfang der Nachforschungen der betreibenden Partei (deren Rechtsvertreters), aber auch des bestellten Kurators angeordnet und war nach deren Ergebnis zur Überzeugung gelangt, daß der Aufenthalt des Erstverpflichteten (wohl aber auch: der Zweitverpflichteten) bei zu fordernden ausreichenden Erhebungen zu ermitteln gewesen wäre, sodaß die als mangelhaft zu beurteilenden Nachforschungen der betreibenden Partei keinen tauglichen Grund zur Bestellung eines Kurators im Sinne der §§ 116 ff ZPO darstellten. Die Wohnanschrift der beiden Verpflichteten im Titelverfahren des Erstgerichtes habe "W*****weg 42, D-***** R*****", gelautet; Klage, Ladung zur mündlichen Streitverhandlung vom 26.6.1992 sowie das den Exekutionstitel bildende Versäumungsurteil seien der Zweitverpflichteten unter dieser Anschrift zugestellt worden. Die Zustellung dieser Schriftstücke an den Erstverpflichteten sei unter dessen von der Zweitverpflichteten angegebenen neuen Anschrift 4800 N*****, I***** 1 (Firma I***** GmbH) erfolgt. Daß die Verpflichteten nach Zustellung des Versäumungsurteils nicht mehr unter obiger Anschrift aufhältig gewesen seien, habe die betreibende Partei zwar behauptet, nicht aber glaubhaft gemacht. Sie habe vielmehr ein Schreiben an das Einwohnermeldeamt M***** vorgelegt, dem entnommen werden könne, daß sie den letzten Aufenthalt der Verpflichteten während des Titelverfahrens unrichtigerweise unter der Anschrift "C*****straße 88, D-6800 M*****" angenommen habe, während die tatsächliche Anschrift im Titelverfahren "W*****weg 42, D- 3056 R*****" gelautet habe. Wie aus der Stellungnahme des Vertreters der betreibenden Partei vom 18.8.1994 hervorgehe, seien somit an einer ehemaligen Geschäftsadresse der I***** GmbH, deren Geschäftsführer der Erstverpflichtete gewesen sei, erfolglose Nachforschungen über den Wohnort der Verpflichteten angestellt worden, obwohl nach den Zustellausweisen im Titelakt die Zweitverpflichtete unter der dort angegebenen Anschrift erreichbar gewesen sei und vom Aufenthalt des Erstverpflichteten Kenntnis gehabt habe. Da die eidesstattliche Erklärung des Vertreters der betreibenden Partei somit von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei, wenn sie sich auf vergebliche Erhebungen beim Einwohnermeldeamt M***** berufen habe, im übrigen aber auch darin nicht konkret dargetan worden sei, bei welchen den Verpflichteten nahestehenden Personen erfolglose Nachforschungen über deren Aufenthalt angestellt worden seien, seien die objektiven Voraussetzungen für eine Kuratorbestellung nach §§ 115, 116 ZPO nicht gegeben, zumal von der betreibenden Partei nicht einmal bescheinigt worden sei, daß die Verpflichteten nicht mehr unter den im Titelverfahren ersichtlichen Anschriften erreichbar gewesen seien. Der Erstverpflichtete (hinsichtlich der Zweitverpflichteten liege kein tauglicher Rechtsmittelantrag vor) sei daher durch einen ungesetzlichen Vorgang bei der Zustellung vom vorliegenden Exekutionsverfahren im Sinne des § 477 Abs 1 Z 4 (und 5) ZPO ausgeschlossen gewesen, sodaß das gesamte, einheitlich geführte Exekutionsverfahren ab Zustellung des Kuratorbestellungsbeschlusses als nichtig aufzuheben sei.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist nicht gerechtfertigt.
Wie schon die Vorinstanz zutreffend darlegte, kommt die Bestellung eines Kurators für Personen, an welche die Zustellung wegen Unbekanntheit ihres Aufenthaltes nur durch öffentliche Bekanntmachung geschehen könnte (§ 116 ZPO) ohne Verstoß gegen das rechtliche Gehör nach Z 4 (oder auch die gesetzliche Vertretung nach Z 5) des § 477 Abs 1 ZPO nur dann in Betracht, wenn der - in seiner Rechtssphäre dadurch zu schützende - antragstellende Verfahrensgegner dartut, daß er ernstliche, an bis zuletzt bekannte Umstände (Anschriften, Verfahrensschritte vor Gericht oder anderen in Frage kommenden Behörden, Befragung nahestehender Personen usw) anknüpfende, naheliegende und ihm somit zumutbare Nachforschungen über deren Aufenthalt vergeblich angestellt hat (JBl 1980, 267 mwN; SZ 25/10; MietSlg 37.737 uam; Fasching ZPR2 Rz 543 f). Die Bestimmungen über die Kuratorbestelelung nach §§ 116 ff ZPO sind gemäß § 78 EO auch im Exekutionsverfahren anzuwenden. Die Verpflichtung zur Bescheinigung ausreichender Recherchen im dargestellten Sinn trifft primär den antragstellenden Gegner der angeblich unbekannten Aufenthaltes weilenden Personen (Parteien). Da diese Voraussetzungen vor der Antragstellung und im Zeitpunkt der Bewilligung gegeben sein müssen, kann sich daher der Antragsteller nicht mit dem Hinweis auf Säumnisse anderer Personen, etwa des auf seinen Antrag hin bestellten Kurators (der - wie hier zugestanden - überhaupt keine Nachforschungen über den Aufenthalt der beiden Verpflichteten pflog) entlasten. Die von der betreibenden Partei bescheinigten Nachforschungen über den Aufenthalt der beiden Verpflichteten erschöpften sich in der Einholung einer Meldeauskunft der Gemeinde M*****, bei welcher nach der nicht zutreffenden Auffassung des Vertreters der betreibenden Partei der letzte bekannte Aufenthalt beider Verpflichteter gewesen sein sollte, und in der eingangs dargestellten eidesstattlichen Erklärung des Vertreters der betreibenden Partei. Diese Nachforschungen waren jedoch angesichts der schon vorher bekannten Aktenlage des Titelverfahrens und des erstgerichtlichen Verfahrens AZ E 1742/93 jedenfalls unzureichend, weil - wie sich späterhin durch einfache Erhebungen herausstellte oder durch weiterführende Erhebungen herausgestellt hätte - die Zweitverpflichtete noch an der im Titelverfahren bekannten Anschrift verblieben ist und über den Aufenthalt des Erstverpflichteten als dessen geschiedene Ehegattin Informationen erteilen hätte können. Überdies wäre der betreibenden Partei zumutbar gewesen, Anfragen an die ausländische Meldebehörde der Anschrift im Titelprozeß zu richten und bei entsprechenden Unmeldungen fortführende weitere Erhebungen zu pflegen oder aber - noch näherliegend - beim inländischen Gemeindeamt, in dessen Gebiet die vorliegende Liegenschaft gelegen ist, Anfragen über die Entrichtung der betreffenden Gemeindeabgaben zu stellen, sowie - bisher nicht bekannte - allfällige nahestehende Personen zu befragen (JUS (1985) 8, 13). Auf solche Nachforschungsmaßnahmen hin wäre der Aufenthalt der Verpflichteten höchstwahrscheinlich bekanntgeworden, erst die Erfolglosigkeit solcher weiterer zumutbarer Recherchen hätte die Bestellung eines Kurators für das vorliegende Zwangsversteigerungsverfahren gerechtfertigt. In der Bestellung eines (Abwesenheits-)Kurators für eine Partei, die gar nicht unbekannten oder unerreichbaren Aufenthaltes ist (der Vertreter der betreibenden Partei gab in der Versteigerungstagsatzung telefonische Kontakte des Erstverpflichteten zur betreibenden Partei bekannt, ohne daß dadurch dessen Aufenthalt bekanntgeworden sei, was wohl nur mit einer - nicht behaupteten - Weigerung des Erstverpflichteten, seinen Aufenthalt bekanntzugeben, erklärt werden könnte), und in der Zustellung aller mit entsprechenden Rechtsfolgen für "abwesende Parteien" verbundenen Verfahrensanordnungen und Entscheidungen an den Kurator liegt ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör (und damit allenfalls zugleich gegen die gehörige Vertretung im Verfahren), der unabhängig davon, ob die unzureichenden Nachforschungen der antragstellenden Partei subjektiv vorwerfbar sind oder nicht, die Nichtigkeit des gesamten mit dem Kurator durchgeführten Verfahrens ab dessen Bestellung zur Folge hat (Fasching aaO Rz 544 mwN).
Da das vorliegende Exekutionsverfahren durch Zwangsversteigerung der im jeweiligen Hälfteeigentum der Verpflichteten stehenden Liegenschaft einheitlich geführt wurde, begegnet die Auffassung des Rekursgerichtes, die Nichtigerklärung sei auf das gesamte auch die Zweitverpflichtete betreffende Zwangsversteigerungsverfahren zu erstrecken, obwohl diese bisher keine geeigneten (Rechtsmittel)Anträge gestellt habe, keinen Bedenken (vgl RZ 1932, 162).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO, §§ 50, 40 ZPO.
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