OGH 3Ob179/06d

OGH3Ob179/06d19.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Sophie-Marie Neumann, geboren am 26. März 2003, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter Barbara N*****, vertreten durch Mag. Astrid Edlinger, Rechtsanwältin in Wien als Verfahrenshelferin, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. April 2006, GZ 42 R 189/06i-85, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 3. März 2006, GZ 16 P 50/06z-78, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte den Beschluss des Pflegschaftsgerichts, mit dem dieses den Antrag der Mutter, der mütterlichen Großmutter die (dieser nach § 177 ABGB übertragene) Obsorge für ihre nunmehr dreieinhalbjährige uneheliche Tochter zu entziehen und (wieder) ihr zu übertragen, abgewiesen hatte. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Nach den Feststellungen des Erstgerichts besteht zwischen der Großmutter und dem Kind eine starke emotionale Beziehung. Während die Rechtsmittelwerberin einen Förderungsbedarf des in seiner Entwicklung verzögerten Kindes nicht erkennt, nimmt die Großmutter alle Angebote zur Förderung und Unterstützung wahr. Durch die Förderung hat die Minderjährige bereits „eine Menge aufgeholt", sodass nur mehr ein diskreter Entwicklungsrückstand besteht. Zwischen der Mutter und dem Kind hat sich bislang keine stabile Beziehung aufgebaut. Dieses ist durch Schwankungen in deren Stimmungslage verunsichert und verängstigt. Die Mutter wäre zwar in der Lage, mit entsprechender Unterstützung wieder langsam ein höheres Maß an Betreuungsaufgaben für dieses zu übernehmen, doch müsste dies durch einen langsamen Beziehungsaufbau und behutsamen Wechsel geschehen. Derzeit würde ein Wechsel des Kindes zur Mutter eine emotionale Belastung darstellen. Die Mutter kann das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht darstellen. Sie macht in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs geltend, das Rekursgericht weiche von der oberstgerichtlichen Rsp ab, wonach bei Wegfall der zum Obsorgeentzug führenden Umstände die Obsorge dem ursprünglich Berechtigten wieder zu übertragen sei und Müttern bei der Erziehung von Kleinkindern der Vorzug gegeben sei. Entgegen dieser Rsp fehle auch eine Zukunftsprognose. Eine Gefährdung der Minderjährigen durch sie sei nach den Feststellungen de ersten Instanz nicht mehr gegeben, weshalb ihr die Obsorge wieder zu übertragen sei.

Rechtliche Beurteilung

In Wahrheit weicht die Entscheidung des Rekursgerichts von der Rsp des Obersten Gerichtshofs nicht ab.

Die Revisionsrekurswerberin übersieht vor allem, dass die Obsorge für ihr mj. Kind ihrer eigenen Mutter - anders als in den Fällen der von ihr zitierten Entscheidungen (insbesondere auch [richtig] 2 Ob 324/97d und 9 Ob 28/04i) - nicht nur bloß vorläufig übertragen wurde, weshalb, wie die Vorinstanzen richtig erkannten, eine Änderung nur unter den Voraussetzungen des § 176 ABGB erfolgen könnte. Eine allfällige Obsorgerückübertragung setzt - wie auch die Mutter erkennt - voraus, dass eine Beeinträchtigung der Kindesinteressen nicht mehr zu befürchten ist, wobei vor einer Rückübertragung der Obsorge von Dritten auf einen Elternteil zusätzlich die Vor- und Nachteile beider Möglichkeiten abzuwägen sind (7 Ob 253/01h; RIS-Justiz RS0109080; zustimmend - wie von der Mutter zitiert - Schwimann in Schwimann² § 176 ABGB Rz 5; ebenso jetzt auch Weitzenböck in Schwimann3 § 176 ABGB Rz 20, je mwN). Dass diese Abwägung unter der den Umständen des gegebenen Einzelfalls und Berücksichtigung des Kindeswohls (§ 178a ABGB) gegen die Mutter ausfiel, wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf. Wie sich aus den Feststellungen des Erstgerichts ergibt, würde - zumindest derzeit - ein Wechsel der Minderjährigen von der Großmutter zur Mutter eine emotionale Belastung des Kindes darstellen. Die der Mutter fehlende Einsicht, dass ein Förderungsbedarf ihres Kindes besteht, bedeutete in diesem Fall eine Gefährdung dessen Wohls.

Richtig ist, dass nach stRsp des Obersten Gerichtshofs bei der Obsorgezuteilung nicht nur von der aktuellen Situation auszugehen ist, sondern vielmehr auch Zukunftsprognosen zu stellen sind (9 Ob 8/02w = EFSlg 100.366 u.v.a.; RIS-Justiz RS0115719). Eine Prognose über die bei einer Rückübertragung der Obsorge zu erwartende - allerdings für die Mutter nicht günstige - Situation stellte das Erstgericht ohnehin an, weiters auch eine darüber, unter welchen Bedingungen der Mutter die Obsorge über die Minderjährige übertragen werden könnte. Die Mutter vermag nicht darzulegen, inwiefern sich die Verhältnisse gegenüber den einige Monate vor der erstinstanzlichen Entscheidung liegenden Zeitpunkten der vorliegenden Stellungnahmen der Jugendwohlfahrtsträger bzw. der Sachverständigen in den wesentlichen Punkten geändert hätten. Insbesondere behauptet sie gar nicht, dass sie bereits eine vertrautere Beziehung zu ihrer Tochter aufgebaut hätte.

Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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