OGH 3Ob175/88

OGH3Ob175/8814.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei M*** Handelsgesellschaft mbH, Linz, Bäckermühlweg 61, vertreten durch Dr. Walter Haslinger ua, Rechtsanwälte in Linz, wider die verpflichtete Partei F.M. Z*** Gesellschaft mbH & Co, Dornbirn, Wallenmahd 46, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Unterlassung, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 12. September 1988, AZ 1 b R 143/88, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 22. August 1988, AZ E 2924/88, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Kreisgericht Wels bewilligte mit Beschluß vom 18. November 1987 der betreibenden Partei auf Grund der von ihm erlassenen einstweiligen Verfügung vom 22. Oktober 1987 gegen die verpflichtete Partei "zur Erwirkung der Unterlassung die Exekution durch Verhängung einer Geldstrafe nach § 355 EO" und sprach aus, daß die Verhängung der Geldstrafe dem Exekutionsgericht vorbehalten werde. Den dem Exekutionsgericht übermittelten Ausfertigungen der Exekutionsbewilligung war die Ablichtung einer Ausfertigung der angeführten einstweiligen Verfügung angeschlossen, in der der verpflichteten Partei zur Sicherung des der betreibenden als gefährdeter Partei zustehenden Anspruchs auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen verboten wird, an einem bestimmten Standort in Wels Lebensmittel, Fleisch- und Wurstwaren, Haushaltswaren, Kosmetikartikel, Waschmittel, Sportartikel, Textilien, Autozubehör und Elektroartikel auf einer Verkaufsfläche von insgesamt mehr als 600 m2 gegenüber Letztverbrauchern anzubieten oder an Letztverbraucher zu verkaufen. Die einstweilige Verfügung wurde in der Folge vom Oberlandesgericht Linz mit der Maßgabe bestätigt, daß es im Spruch anstatt "mehr als 600 m2" "mehr als konkret abgegrenzten 600 m2" zu lauten hat. Die mit der Erlassung der einstweiligen Verfügung befaßten Gerichte gründeten ihre Entscheidungen im wesentlichen darauf, daß die verpflichtete Partei gegen § 15 Z 1 GewO verstoßen habe, weil sie ihre Waren an Letztverbraucher in einem Gebiet, das nicht für Geschäftsbauten vorgesehen ist, auf einer Gesamtverkaufsfläche von mehr als 600 m2 verkauft habe, obwohl dies nach § 16 Abs.12 und 13 des oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes (oöROG) nicht zulässig sei. Durch den Verstoß habe sich die verpflichtete Partei einen unberechtigten Vorteil gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft, weshalb ihr Verhalten sittenwidrig im Sinn des § 1 UWG sei.

Das Erstgericht verhängte auf Grund der angeführten Exekutionsbewilligung über die verpflichtete Partei insgesamt acht Geldstrafen von zusammen S 350.000,-.

Die verpflichtete Partei erhob beim Kreisgericht Wesl mit Klage Einwendungen gegen den Unterlassungsanspruch und beantragte die Aufschiebung der Exekution. Sie stützte die Einwendungen im wesentlichen darauf, daß nach Erlassung der einstweiligen Verfügung die Berufungsbehörde in einem Verwaltungsstrafverfahren ausgesprochen habe, ihrem Geschäftsführer könne die Übertretung der Gewerbeordnung nicht vorgeworfen werden. Diese Entscheidung sei für die Gerichte maßgebend, weil "die einstweilige Verfügung ein Zuwiderhandeln gegen Bestimmungen der Gewerbeordnung behauptet". Zum Beweise des Vorbringens bezog sie sich auf den Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 28. März 1988. Das Erstgericht schob auf Grund des Antrags der verpflichteten Partei die Exekution am 16. Mai 1988 bis zur rechtskräftigen Erledigung der Klage gegen eine Sicherheitsleistung von S 1 Mio. auf. Das Rekursgericht wies infolge Rekurses der betreibenden Partei den Aufschiebungsantrag ab, und der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung mit seinem Beschluß vom 19. Oktober 1988, 3 Ob 107/88, im wesentlichen mit der Begründung, daß die verpflichtete Partei die Gefahr eines Nachteiles im Sinn des § 43 Abs.1 und § 44 Abs.1 EO nicht nachgewiesen habe. Wegen der bereits verhängten Geldstrafen sei eine solche Gefahr nicht gegeben. Die Verhängung weiterer Beugestrafen könne die verpflichtete Partei dadurch verhindern, daß sie das in der einstweiligen Verfügung auferlegte Unterlassungsgebot befolge. Sie habe nicht den erforderlichen Nachweis erbracht, daß dies für sie mit einem schwer zu ersetzenden Nachteil verbunden wäre.

Am 13. Juli 1988 faßte das Kreisgericht Wels auf Antrag der betreibenden Partei den Beschluß, daß der betreibenden Partei auf Grund der einstweiligen Verfügung vom 22. Oktober 1987 gegen die verpflichtete Partei zur Erwirkung der Unterlassung der darin angeführten Handlungen die Exekution durch Verhängung einer Beugehaft nach § 355 EO am Geschäftsführer der verpflichteten Partei Dkfm. Martin Z*** bewilligt und dem Exekutionsgericht die Verhängung der Beugehaft vorbehalten wird. Dieser Beschluß wurde infolge Rekurses der verpflichteten Partei vom Oberlandesgericht Linz als nichtig aufgehoben, zugleich aber der Antrag der betreibenden Partei als Vollzugsantrag gemäß § 44 JN an das Bezirksgericht Dornbirn als Exekutionsgericht überwiesen. Dieses verhängte über die im Antrag der betreibenden Partei angeführte Person die Haft. Infolge Rekurses der verpflichteten Partei wies das Rekursgericht den Strafantrag der betreibenden Partei ab. Dieser Beschluß ist noch nicht rechtskräftig.

Die verpflichtete Partei beantragte am 4. August 1988 neuerlich die Aufschiebung der Exekution, weil nunmehr die Verhängung der Haft und damit die Gefahr eines unersetzlichen Nachteiles drohe. Die betreibende Partei sprach sich gegen die Aufschiebung mit der Begründung aus, die Klage sei aussichtslos, weil die einstweilige Verfügung nicht auf das Straferkenntnis der Gewerbebehörde gestützt gewesen sei, das mit dem in der Klage angeführten Bescheid der Berufungsbehörde beseitigt wurde. Das Erstgericht schob die mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 28. November 1987 bewilligte Exekution neuerlich bis zur rechtskräftigen Erledigung der Klage gegen eine Sicherheitsleistung von S 1 Mio. auf. Die Entscheidung über den ersten Aufschiebungsantrag stünde der Aufschiebung nicht entgegen, weil nunmehr die Verhängung der Haft drohe und sich in diesem Punkt die Verhältnisse geändert hätten. Die von der betreibenden Partei gegen die Klage ins Treffen geführten Argumente seien zwar beachtlich, könnten aber nicht zur Abweisung des Aufschiebungsantrags führen, weil dies einen nicht vertretbaren Vorgriff auf das Ergebnis des über die Klage durchzuführenden Verfahrens darstellen würde. Wegen des drohenden Vollzugs der Haft an dem Geschäftsführer der verpflichteten Partei sei die Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteiles gegeben.

Das Rekursgericht wies infolge Rekurses der betreibenden Partei den Aufschiebungsantrag ab und sprach aus, daß der "Beschwerdegegenstand" S 300.000,- übersteigt. Bei Vollzug der Haft entstünde zwar dem Geschäftsführer der verpflichteten Partei ein unwiderbringlicher (immaterieller) Schaden. Damit sei aber noch nicht bewiesen, daß der verpflichteten Partei selbst ein unersetzlicher oder schwer zu ersetzender Vermögensnachteil, auf den § 44 Abs.1 EO abstelle, drohe. Überdies sei ein Erfolg der Oppositionsklage zumindest wenig wahrscheinlich. Die den Exekutionstitel bildende einstweilige Verfügung gründe sich nämlich auf einen anderen Verstoß gegen die GewO als den, dessen Vorliegen der Landeshauptmann von Oberösterreich in seinem Berufungsbescheid verneint habe.

Rechtliche Beurteilung

Der von der verpflichteten Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Umstand, daß der Strafantrag der betreibenden Partei in der Zwischenzeit abgewiesen wurde, steht der Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht entgegen, weil die hierüber ergangene Entscheidung nicht rechtskräftig und daher das für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels erforderliche (vgl. EvBl. 1984/84 mwN) Rechtsschutzbedürfnis der verpflichteten Partei noch gegeben ist. Wie der Oberste Gerichtshof in dem erwähnten Beschluß 3 Ob 107/88 dargelegt hat, ist auch bei der Aufschiebung einer gemäß § 355 EO zur Erwirkung von Duldungen oder Unterlassungen geführten Exekution zwischen den bereits vollzogenen und den in Zukunft zu vollziehenden Exekutionsakten zu unterscheiden. Für erst zu vollziehende Exekutionsakte darf die Aufschiebung gemäß dem hierauf sinngemäß anzuwendenden § 43 Abs.2 EO nur angeordnet werden, wenn der Vollzug der Exekution demjenigen, der die Aufschiebung verlangt, einen schwer zu ersetzenden Nachteil verursachen würde, und er überdies für die volle Befriedigung des zu vollstreckenden Anspruchs Sicherheit leistet. Da bei der Exekution zur Erwirkung von Unterlassungen zukünftige Vollzugsakte weitere, vom Willen des Verpflichteten abhängige Verstöße gegen das Unterlassungsgebot zur Voraussetzung hätten, muß der Verpflichtete behaupten und nachweisen, daß die Befolgung des Unterlassungsgebots für ihn mit einem schwer zu ersetzenden Nachteil verbunden wäre. Diesen Nachweis hatte die verpflichtete Partei nicht erbracht, weil sie nur die Gefahr von Vermögensnachteilen behauptet habe, ohne darzutun, daß sie hiefür gegebenenfalls von der betreibenden Partei keinen Ersatz erlangen könnte.

Zur Aufschiebung der Exekution für zukünftige Exekutionsakte hat die betreibende Partei nichts Neues vorgebracht, und es hat sich in diesem Punkt gegenüber der angeführten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes auch sonst nichts geändert, weshalb der Aufschiebungsantrag insoweit aus den schon in dieser Entscheidung angegebenen Gründen nicht berechtigt ist.

Unter zukünftigen Exekutionsakten sind bei der Exekution zur Erwirkung von Duldungen oder Unterlassungen Beugestrafen zu verstehen, die nach der Entscheidung über den Aufschiebungsantrag auf Grund von nach diesem Zeitpunkt einlangenden Anträgen verhängt werden könnten. Die Aufschiebung der Exekution für Beugestrafen, deren Verhängung zur Zeit der Entscheidung über den Aufschiebungsantrag schon beantragt wurde, richtet sich hingegen nach den Grundsätzen der Aufschiebung der Exekution für bereits vollzogene Exekutionsakte unabhängig davon, ob die beantragte Beugestrafe schon verhängt wurde. Wurde über den Strafantrag noch nicht entschieden, müssen dessen Erfolgsaussichten bei der Beurteilung der Frage berücksichtigt werden, ob die für die Aufschiebung erforderliche Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Nachteiles vorliegt.

Gemäß § 44 Abs.1 EO hat die Bewilligung der Exekutionsaufschiebung zu unterbleiben, wenn die Exekution begonnen oder fortgeführt werden kann, ohne daß dies für denjenigen, der die Aufschiebung verlangt, mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteiles verbunden wäre. Es werden im Gesetz zwar nur Vermögensnachteile erwähnt; auf Grund des gebotenen Größenschlusses sind aber entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes auch ideelle Nachteile zu berücksichtigen, die gleich schwer oder schwerer als ein Vermögensnachteil wiegen. Dazu gehört die mit der Haft verbundene Einschränkung der persönlichen Freiheit. Es ist ohne Bedeutung, daß dieser Nachteil nicht die verpflichtete Partei (eine Personengesellschaft) selbst, sondern den Geschäftsführer ihres persönlichen Gesellschafters (einer Gesellschaft mbH) trifft, weil dessen Verhalten und damit auch die ihm entstehenden Nachteile ihr zuzurechnen sind.

Der Oberste Gerichtshof hat den angefochtenen Beschluß auf Grund der Verhältnisse zu prüfen, die zur Zeit der Erlassung des Beschlusses des Erstgerichtes bestanden. Es ist daher auf die erst nachher vom Rekursgericht ausgesprochene Abweisung des Haftantrags nicht Bedacht zu nehmen, zumal diese noch nicht rechtskräftig ist. Zur Zeit des Beschlusses des Erstgerichtes war noch nicht anzunehmen, daß es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zur Verhängung der Haft kommen werde. Dies, obwohl es verfehlt war, daß die betreibende Partei beim Titelgericht neuerlich die Bewilligung der Exekution beantragte, weil es durchaus vertretbar ist und daher in Betracht gezogen werden muß, daß das mit einem Rekurs der verpflichteten Partei angerufene Gericht, wie dies in der Folge auch tatsächlich geschah, den Exekutionsantrag als Strafantrag wertet und an das Exekutionsgericht überweist. Zur Zeit der Entscheidung des Erstgerichtes war daher entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes die Gefahr eines Nachteiles im Sinn des § 44 Abs.1 EO nachgewiesen. Da sich die Verhältnisse in diesem Punkt gegenüber den Verhältnissen zur Zeit der Entscheidung über den ersten Aufschiebungsantrag der verpflichteten Partei geändert hatten, stand auch die Rechtskraft der hierüber ergangenen abweisenden Entscheidung dem neuen Aufschiebungsantrag nicht entgegen.

Schon die Vorinstanzen erkannten richtig, daß bei der Entscheidung über einen Aufschiebungsantrag auf die Erfolgsaussichten der Prozeßhandlung Bedacht zu nehmen ist, auf die der Aufschiebungsantrag gestützt wird (MietSlg. 30.813; RdW 1986, 113 ua). Der Aufschiebungsantrag ist dann abzuweisen, wenn die Prozeßhandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit als aussichtslos anzusehen ist (3 Ob 64/88).

Die verpflichtete Partei stützt ihre Klage auf einen Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich, der am 28. März 1988 und damit nach der den Exekutionstitel bildenden einstweiligen Verfügung erlassen wurde. Der Oberste Gerichtshof hat zwar schon ausgesprochen, daß der Exekutionstitel durch eine Klage nach § 35 EO bekämpft werden kann, wenn er sich auf einen Verwaltungsbescheid gründete, der nach Schluß der Verhandlung erster Instanz aufgehoben worden ist (SZ 22/139; SpR 45 neu = SZ 29/27; vgl. aber JBl. 1988, 471, woraus eine andere Ansicht abzuleiten sein könnte). Dieser Fall liegt hier aber nicht vor, weil der einstweiligen Verfügung nicht das durch den Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich behobene Straferkenntnis, das dort gar nicht erwähnt war, zugrunde liegt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die in der angeführten Rechtsprechung zum Ausdruck kommende Ansicht auch dann gilt, wenn erst nach Erlassung des Exekutionstitels der Bescheid einer Verwaltungsbehörde ergeht, an den die Gerichte gebunden gewesen wären und der zu einer anderen Entscheidung hätte führen können, wenn er bei der Erlassung des Exekutionstitels schon vorgelegen wäre. Ferner kann dahingestellt bleiben, ob aus der im Art. 6 Abs.2 MRK festgelegten "Unschuldsvermutung", wie die verpflichtete Partei meint, abzuleiten ist, daß die Gerichte an Bescheide einer Verwaltungsbehörde gebunden sind, mit denen ein Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird. Für die verpflichtete Partei wäre nämlich selbst bei Bejahung der Bindungswirkung und der Möglichkeit der Einbringung einer Oppositionsklage nichts gewonnen:

Aus dem Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich, auf den die verpflichtete Partei ihre Klage stützt, geht hervor, daß der Bürgermeister der Stadt Wels mit dem Straferkenntnis vom 19. Oktober 1987 über den gewerberechtlich Verantwortlichen der verpflichteten Partei wegen Übertretung des § 367 Z 26 GewO einer Strafe verhängte, weil er vom 4. Juni 1987 bis mindestens 21. September 1987 ständig in einer Vielzahl von Fällen durch Verkauf von Waren an Letztverbraucher den Einzelhandel ausgeübt habe, obwohl der für die Liegenschaft, auf der die von ihm vertretenen Firmen ihre Gewerbetätigkeit ausüben, vorhandene Betriebsanlagen-Genehmigungsbescheid ausdrücklich nur den Verkauf von Waren an Wiederverkäufer und Großverbraucher, also die Großhandelstätigkeit zulasse, und er somit eine in einem Bescheid vorgeschriebene Auflage nicht eingehalten habe. Infolge Berufung des Bestraften behob der Landeshauptmann dieses Straferkenntnis gemäß § 367 Z 26 GewO iVm § 51 VStG und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 lit.a VStG ein, weil er der Meinung war, daß der Verkauf von Waren an Letztverbraucher in einem nur für Wiederverkäufer genehmigten Einkaufszentrum ua deshalb nicht als Verwaltungsübertretung nach § 367 Z 26 GewO verfolgt werden könne, weil der Bestand einer Gewerbeberechtigung nicht Voraussetzung für die Genehmigung der Betriebsanlage sei. Der Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann für Gerichte nur bindend sein, soweit beide denselben Sachverhalt rechtlich beurteilt haben. Dies trifft hier jedoch nicht zu. Hier wurde von der Verwaltungsbehörde nur geprüft, welche Rechtsfolgen es hat, daß der für die verpflichtete Partei gewerberechtlich Verantwortliche entgegen der in der Betriebsanlagengenehmigung erteilten Auflage den Einzelhandel betrieb. Der Entscheidung der Gerichte lag hingegen zugrunde, daß die verpflichtete Partei das Handelsgewerbe auf einer Grundfläche von etwa 7.000 m2 ausübte, obwohl diese nicht als Geschäftsbaugebiet, sondern als Betriebsbaugebiet gewidmet ist. Daraus wurde abgeleitet, daß sie die gewerbliche Tätigkeit entgegen § 15 Z 1 GewO in einem Standort ausgeübt habe, in dem die Tätigkeit durch Rechtsvorschriften, nämlich durch § 16 Abs.12 und 13 oöROG, verboten ist. Im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden ging es also darum, ob die Gewerbeausübung wegen den in der Betriebsanlagengenehmigung erteilten Auflagen strafbar war, in den gerichtlichen Verfahren hingegen darum, ob die für den Standpunkt geltenden Rechtsvorschriften verletzt wurden. Diesen kommt im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nur insoweit Bedeutung zu, als die Behörde bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Belästigung der Nachbarn gemäß § 77 Abs.2 GewO auch die für die Widmung der Liegenschaft maßgebenden Vorschriften zu berücksichtigen hat. Sie stehen aber der Genehmigung der Betriebsanlage nicht entgegen (VwGH 9. Oktober 1981 Zl. 04/1744/80; 16. Oktober 1981 ZfVB 1982/2196, weshalb die Tatsache, daß die Gewerbeausübung durch die in der Betriebsanlagengenehmigung erteilten Auflagen nicht verboten war, nichts darüber aussagt, ob gegen die für den Standort maßgebenden Rechtsvorschriften verstoßen wurde.

Der Landeshauptmann von Oberösterreich hätte zwar das angefochtene Straferkenntnis auch wegen Verstößen gegen eine andere Bestimmung der GewO als jene, welche die Behörde erster Instanz annahm, aufrechterhalten können, er war dabei aber auf den Sachverhalt beschränkt, der den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hatte (VwGH Slg. 8864/A). Seinem Bescheid muß daher entgegen der Ansicht der verpflichteten Partei nicht entnommen werden, daß der für die verpflichtete Partei gewerberechtlich Verantwortliche durch kein Verhalten gegen die GewO verstoßen hat. Das gilt vielmehr nur für den Sachverhalt, den der Landeshauptmann beurteilte. Dieser war aber von dem von den Gerichten beurteilten verschieden.

Die mit der Erlassung der einstweiligen Verfügung befaßten Gerichte hätten somit schon aus diesem Grund den ihren Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalt auch dann rechtlich selbständig beurteilen können, wenn ihnen der Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich bereits vorgelegen wäre. Die Ausführungen der verpflichteten Partei, es sei "denkbar", daß die Gerichte dann anders entschieden hätten, sind nicht zielführend, weil Umstände, die - bei gleichgebliebenem Sachverhalt - allenfalls eine Änderung der rechtlichen Beurteilung rechtfertigen könnten, wie etwa eine Änderung der Rechtsprechung, keinen Grund für Einwendungen nach § 35 EO bilden.

Die Klage, auf die der Aufschiebungsantrag gestützt wird, ist daher mit hoher Wahrscheinlichkeit aussichtslos. Mit dieser Beurteilung wird dem Erfolg der Klageführung entgegen der im Revisionsrekurs und vom Erstgericht vertretenen Auffassung nicht in unzulässiger Weise vorgegriffen, weil dies nur in Betracht käme, wenn die Würdigung von Beweisen vorweggenommen würde. Wegen der geringen Erfolgsaussichten der Klage ist der Aufschiebungsantrag abzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 78 EO iVm den §§ 40 und 50 ZPO.

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