OGH 1Ob449/49

OGH1Ob449/4922.9.1949

SZ 22/139

Normen

EO §35
ZPO §192
ZPO §193
ZPO §194
ZPO §228
EO §35
ZPO §192
ZPO §193
ZPO §194
ZPO §228

 

Spruch:

Ein nach Schluß der Tatsacheninstanz ergangener Verwaltungsbescheid ist weder eine neue Tatsache noch ein neues Beweismittel im Sinne des § 530 Abs. 1 Z. 7 ZPO.; er kann aber eine Klage nach § 35 EO. oder eine Feststellungsklage nach § 228 ZPO. rechtfertigen.

Entscheidung vom 22. September 1949, 1 Ob 449/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Im Vorprozeß war die Wohnungskündigung gegen die Rechtsvorgänger der Kläger aufrechterhalten worden, weil die Einweisung der gekundigten Partei in die Wohnung vom 26. September 1944 mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 19. Juni 1948 aufgehoben worden sei. Die gekundigte Partei hatte vorgebracht, daß sie gegen diesen Bescheid eine Aufsichtsbeschwerde an die Landesregierung eingebracht habe, und hatte beantragt, das Verfahren bis zur Erledigung dieser Beschwerde zu unterbrechen. Das Gericht hat den Unterbrechungsantrag abgewiesen und die Kündigung aufrechterhalten. Das Urteil wurde nicht angefochten.

Die Kläger haben nach Rechtskraft der Entscheidung des Vorprozesses eine Klage auf Feststellung eingebracht, daß der Anspruch des Beklagten aus dem Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 8. November 1948 erloschen sei. Sie begrunden dieses Begehren damit, daß die Tiroler Landesregierung mit Beschluß vom 29. Oktober 1948, der nach Schluß der mündlichen Verhandlung im Vorprozeß (14. Oktober 1948) ergangen ist, den Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 19. Juni 1948 als gesetzwidrig aufgehoben habe.

Die beiden unteren Instanzen haben das Feststellungsbegehren abgewiesen, das Berufungsgericht mit der Begründung, daß die Kläger die Möglichkeit gehabt hätten, die Entscheidung im Vorprozeß zu verwerten, sei es im Wege eines Wiedereröffnungsantrages nach § 194 ZPO., sei es durch Einbringung einer Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs. 1 Z. 7 ZPO.

Die Kläger bekämpften diese Entscheidung mit dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

Die Revision blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Gründen des Obersten Gerichtshofes:

Die Revision ist insofern im Recht, als sie die Gründe, aus denen die Untergerichte das Klagebegehren abgewiesen haben, als rechtsirrig bekämpft.

Gegen die Abweisung des Unterbrechungsantrages stand den Klägern im Vorprozeß kein Rechtsmittel zu (§ 192 ZPO.); es kann ihnen daher aus der Unterlassung der Anfechtung dieses Beschlusses kein Vorwurf gemacht werden.

Das gilt auch von der Unterlassung eines Wiedereröffnungsantrages nach § 194 ZPO., da nach dem Gesetz die Parteien gar nicht berechtigt sind, einen Wiedereröffnungsantrag zu stellen. Eine Wiedereröffnung kann nur von Amts wegen erfolgen, wenn sich nachträglich die Aufklärung oder Ergänzung des Vorgebrachten oder eine Erörterung von Beweisergebnissen notwendig zeigt oder wenn das Gericht im Falle des § 193 Abs. 3 ZPO. nach Einlangen der Beweisaufnahmeakten eine weitere Verhandlung für notwendig erachtet. Der Umstand, daß möglicherweise das Gericht sich über diese Vorschriften hinweggesetzt und einem Wiedereröffnungsantrag stattgegeben hätte, wenn die Kläger die inzwischen ergangene Entscheidung der Landesregierung vorgelegt hätten, muß außer Betracht bleiben, weil es den Klägern nicht zum Nachteil gereichen kann, daß sie sich an das Gesetz gehalten und nicht versucht haben, entgegen der Vorschrift des § 194 ZPO. die Wiedereröffnung der Verhandlung zu erwirken, wobei ganz davon abgesehen wird, daß das Berufungsgericht gar nicht festgestellt hat, ob die Kläger überhaupt vor Urteilsfällung bereits in den Besitz der Entscheidung der Landesregierung gelangt sind.

Rechtsirrig ist endlich auch die Anschauung des Berufungsgerichtes, daß die Kläger eine Wiederaufnahmsklage hätten einbringen können. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung vom 13. April 1937, ZBl. 1937, Nr. 393, eingehend begrundet, daß ein nach Schluß der Tatsacheninstanz ergangenes Verwaltungserkenntnis weder eine neue Tatsache noch ein neues Beweismittel im Sinne des § 530 Abs. 1 Z. 7 ZPO. darstellt, da unter diesen nicht solche verstanden werden können, die erst nach Schluß der Verhandlung entstanden sind, sondern nur solche, die zur Zeit des Hauptverfahrens schon vorhanden waren und in diesem hätten benützt werden können, wenn die Partei nicht ohne ihr Verschulden daran gehindert gewesen wäre.

Der Oberste Gerichtshof hat keinen Anlaß, von dieser Entscheidung abzugehen und lehnt daher die Auffassung der Untergerichte, daß die Kläger eine Wiederaufnahmsklage hätten einbringen können, als rechtsirrig ab.

Die Kläger konnten daher nur entweder eine Oppositionsklage einbringen oder eine Feststellungsklage erheben (E. v. 23. Oktober 1934, ZBl. 1935, Nr. 28). Da bisher eine Exekution nicht eingeleitet worden ist, waren sie auf die Feststeilungsklage beschränkt. Die Feststellungsklage war, insofern überhaupt eine Bekämpfung des Urteils im Vorprozeß möglich war, der einzige Rechtsbehelf, der den Klägern zu Gebote stand, um die Beseitigung des ergangenen Urteiles im Vorprozeß zu erreichen.

Nichtsdestoweniger konnte der Revision nicht Folge gegeben werden, weil die zwar zulässige Feststellungsklage inhaltlich nicht begrundet ist ...........

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