OGH 3Ob118/56

OGH3Ob118/5614.3.1956

SZ 29/27

Normen

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz §68
EO §35
ZPO §190
ZPO §228
ZPO §530 Abs1 Z7
Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz §68
EO §35
ZPO §190
ZPO §228
ZPO §530 Abs1 Z7

 

Spruch:

Spruchrepertorium Nr. 45 neu.

Gründet sich ein Urteil auf einen Verwaltungsbescheid, der nach Schluß der Verhandlung erster Instanz aufgehoben worden ist, so ist die Erhebung einer Wiederaufnahmsklage ausgeschlossen; es kann nur der Exekutionstitel mittels Feststellungsklage oder - nach Einleitung der Exekution - durch eine Klage nach § 35 EO. bekämpft werden.

Entscheidung vom 14. März 1956, 3 Ob 118/56.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Klägerin wurde im Verfahren 47 C 230/54 des Erstgerichtes zur Räumung der von ihr gemieteten Garagenräume auf Grund einer auf § 19 Abs. 2 Z. 9 a MietG. gestützten Aufkündigung verurteilt. Der zur Dartuung des Kündigungsgrundes vorgelegte Bescheid des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vom 10. Juni 1954 wurde mit dem nach Schluß der Verhandlung in erster Instanz ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Mai 1955, Zl. 2733/54, wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Die Klägerin hatte nach Kenntnisnahme dieses Erkenntnisses eine Wiederaufnahmsklage erhoben, die in zwei Instanzen rechtskräftig mit der Begründung zurückgewiesen wurde, daß das Erkenntnis erst nach Abschluß des Vorprozesses erflossen und daher eine erst nach diesem Zeitpunkt entstandene neue Tatsache sei, die keinen Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs. 1 Z. 7 ZPO. bilden könne (47 C 283/55 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien).

Hierauf erhob die Klägerin die den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites bildende Oppositionsklage, der vom Erstgericht stattgegeben wurde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Begehren ab. Es stellte sich in Gegensatz zu der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ. XXII 139, wonach in einem solchen Falle die Oppositionsklage zulässig ist, mit der Begründung, daß Exekutionsanspruch der aus dem Titel ersichtliche Räumungsanspruch sei, eine diesen Anspruch hemmende Tatsache sich daher auf den Exekutionstitel selbst beziehen müsse und es nicht genüge, daß die maßgebliche Vorfrage, auf die sich das Titelurteil stützte, in der Zwischenzeit von der zuständigen Behörde anders entschieden worden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und änderte das Urteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß der Klage stattgegeben wurde.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungsgründe:

Unbegrundet ist die Ansicht der Revision zunächst in der Richtung, daß die Berufung der beklagten Partei vom Berufungsgericht als verspätet hätte zurückgewiesen werden müssen, weil es sich um ein Bestandverfahren handle, bei welchem die Rechtsmittelfrist acht Tage beträgt. Schon das Berufungsgericht hat aber mit Recht darauf hingewiesen, daß für Klagen nach § 35 EO. die vierzehntägige Berufungsfrist gilt und nicht die Frist des § 575 Abs. 1 ZPO. Diese Ansicht deckt sich mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. SZ. IX 87). Die Berufung war daher innerhalb der vierzehntägigen Berufungsfrist rechtzeitig eingebracht worden.

Im übrigen ist die Revision begrundet.

Der Oberste Gerichtshof vertritt den Standpunkt, daß bei einer nachträglichen Aufhebung eines Verwaltungsbescheides, auf den sich ein Urteil gestützt hat, die Oppositionsklage, bzw. vor Einleitung der Exekution die Feststellungsklage, zulässig ist (vgl. SZ. XXII 139, 3 Ob 399/54). Sowohl die Wiederaufnahmsklage als auch die Oppositionsklage dienen unter bestimmten Voraussetzungen zur Korrektur einer Entscheidung, wenn sich herausstellt, daß der der Entscheidung zugrunde liegende rechtserhebliche Tatbestand nicht vorgelegen ist oder sich nachträglich geändert hat. Ob der eine oder der andere Rechtsbehelf gegeben ist, hängt - von Ausnahmen wie dem Fall des § 530 Abs. 1 Z. 5 ZPO. abgesehen - davon ab, ob die neue Tatsache vor oder nach Entstehung des Exekutionstitels eingetreten ist (§ 35 EO.). Die beiden Rechtsbehelfe sind daher nur bezüglich der zeitlichen Abgrenzung streng auseinanderzuhalten. Sie dürfen aber in ihren übrigen Voraussetzungen nicht derart eng ausgelegt werden, daß in einem bestimmten Falle, wie im vorliegenden, beide Behelfe versagen müßten. Dazu führt aber die angefochtene Entscheidung, die selbst zugibt, daß nach der herrschenden Rechtsprechung (vgl. hiezu SZ. XXII 139, RiZ. 1955 S. 46, 2 Ob 624/5O, 3 Ob 399/54) auch eine Wiederaufnahmsklage keinen Erfolg haben könnte. Sie kommt damit zu dem Ergebnis, daß trotz Aufhebung des Verwaltungsbescheides, der allein infolge seiner das Gericht bindenden Kraft die Grundlage des Urteils gewesen ist, es bei dem erwirkten Exekutionstitel sein Bewenden haben müsse, einem Ergebnis, das nicht den Absichten des Gesetzgebers entspricht, der gegen solche, der wahren Rechtslage widersprechende, Titel Abhilfe schaffen wollte. Es ist die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht nur scheinbar durch den Wortlaut des § 35 EO. gedeckt. Es darf nicht übersehen werden, daß die Oppositionsklage gegenüber der an bestimmte, taxativ aufgezählte Wiederaufnahmsgrunde gebundenen Wiederaufnahmsklage der allgemeinere und weitgehendere Rechtsbehelf ist, der sich den gegebenen Situationen ebenso anzupassen vermag wie die in diesem Falle vor Einleitung der Exekution zulässige Feststellungsklage. Es ist auch nicht richtig, daß im vorliegenden Fall nur eine Vorfrage nachträglich von der Verwaltungsbehörde anders entschieden wurde; es ist vielmehr durch die Aufhebung des Verwaltungsbescheides dem Titelurteil zur Gänze der Boden entzogen worden. Dem muß aber ebenso Rechnung getragen werden, wie es der Gesetzgeber ausdrücklich im Falle des § 530 Abs. 1 Z. 5 ZPO. hinsichtlich eines den Zivilrichter bindenden Strafurteils verfügt hat.

Das stattgebende Urteil der ersten Instanz war daher wiederherzustellen, allerdings in der für Oppositionsansprüche richtigen Form, indem ausgesprochen wird, daß der Anspruch aus dem Exekutionstitel erloschen ist (vgl. SZ. XIX 316). Es genügt in einem solchen Falle nicht, bloß die Hemmung des Exekutionstitels zu verfügen. Durch das aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes wurde der Bescheid zur Gänze vernichtet und damit dem Titelurteil die Grundlage genommen. Sollte ein neuer Bescheid erlassen werden, so kann dieser folgerichtig nur den Grund zu einer neuerlichen Aufkündigung nach § 19 Abs. 2 Z. 9a MietG. bilden. Das ergangene Urteil kann aber durch die Erlassung eines solchen neuen Bescheides nicht wieder von neuem wirksam werden, weil durch den neuen Bescheid der dringende Eigenbedarf erst wieder für den Zeitpunkt des neuerlichen Ausspruches festgestellt wird, nicht aber für die Vergangenheit.

Unter einem hat der dritte Senat beschlossen, den eingangs angeführten Rechtssatz in das Spruchrepertorium unter Nr. 45 neu einzutragen.

Stichworte