OGH 3Ob171/09g

OGH3Ob171/09g22.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M***** B*****, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke und Dr. Wolfgang Broesigke, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) Ing. H. R***** GmbH, *****, vertreten durch Brandstetter Pritz & Partner Rechtsanwälte KEG in Wien, 2) S***** Ges.m.b.H., *****, vertreten durch Hochsteger, Perz, Wallner & Warga, Rechtsanwälte in Hallein, 3) S***** S.A., P*****, vertreten durch Frieders Tassul & Partner, Rechtsanwälte in Wien, und 4) S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Rudolf Christian Stiehl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 25.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revisionen der erst- und zweitbeklagten Parteien gegen das Teil- und Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Mai 2009, GZ 2 R 23/09f-174, womit das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts Korneuburg vom 12. November 2008, GZ 6 Cg 6/05w-143, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.401,30 EUR (darin 233,55 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.401,30 EUR (darin 233,55 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger beauftragte 1999 die Erstbeklagte mit der Lieferung und der Installation der Schwimmbadtechnik für sein Wohnhaus. Um diesen Auftrag auszuführen, bestellte die Erstbeklagte bei der Zweitbeklagten die Filteranlage, die sie nach Lieferung im Haus des Klägers gemeinsam mit anderen Komponenten, wie vor allem Druckventilen, installierte und verrohrte. Die Zweitbeklagte hatte die von ihr gelieferte Filteranlage ihrerseits aus mehreren Komponenten zusammengebaut, im hier wesentlichen Umfang aus der aus Deutschland bezogenen Filterpumpe und dem von der Drittbeklagten hergestellten Filterkessel. Die Erstbeklagte installierte die Wassertechnik.

Auf dem Filterkessel brachte die Erstbeklagte ein Schild mit ihrem Namen samt Adresse und Telefonnummer an. Dort befand sich auch ein Typenschild der Zweitbeklagten mit ihrem Namen und technischen Daten des Kessels (Betriebsdruck max 2 bar). Aus diesen Schildern ergab sich nicht, dass die Erst- und Zweitbeklagte ausschließlich als Händler auftreten, die Herstellereigenschaft wurde nicht verneint.

Auf der Filteranlage war eine kurze Bedienungsanleitung aufgeklebt, aus der hervorging, dass vor Inbetriebnahme die Absperrungen für Skimmer und Einströmdüsen geöffnet sein müssen und dass bei Inbetriebnahme das Grobfiltergehäuse der Pumpe mit Wasser gefüllt und danach ca drei Minuten lang rückgespült werden sollte. Bei Filterbetrieb müssten Schieber, Einströmdüsen und Skimmer geöffnet sein, der Bodenablauf ca 1/3 geöffnet sein. Weiters waren die Stellungen des Sechswegeventils kurz beschrieben. Warnhinweise auf eine Explosionsgefahr oder sonstige Folgen einer Fehlbedienung waren nicht angebracht.

Vor der ersten Inbetriebnahme wurde dem Kläger die Funktion des Sechswegeventils und die allgemeine Bedienung der Anlage erklärt, ebenso die Art der Überwinterung, die Wiederinbetriebnahme danach und wie er den Filtersand wechseln sollte. Eine über die auf der Filteranlage angebrachten Kurzhinweise hinausgehende schriftliche Bedienungsanleitung erhielt der Kläger nicht. Auf eine Explosionsgefahr bei einer Fehlbedienung wurde er auch mündlich nicht hingewiesen.

Fünf Jahre funktionierte die Anlage ohne Probleme, der Kläger hielt bei Betrieb, Überwinterung und Wiederinbetriebnahme die schriftlichen und mündlichen Betriebsanweisungen ein; einen Filtersandwechsel nahm er erst im April 2004 vor, wobei er den Filterkessel öffnete, den Sand erneuerte und den Kessel ordnungsgemäß verschloss. Etwa ein Monat später nahm er die Anlage nach der Winterpause erstmals in Betrieb. Nach Füllen des Beckens und Öffnen der Zulaufhähne stellte er das Sechswegeventil auf „Filtern" und schaltete die Filterpumpe ein. Davor vergaß er, das im Wasserkreislauf nach dem Filterkessel eingebaute Rücklaufventil zum Schwimmbad zu öffnen. Dadurch kam es zu einem Druckanstieg im Filterkessel auf 2,1 bar. Diesem Druck hielt der Kessel nicht stand, weil der Spannring, der die beiden Kesselhälften zusammenhielt, dafür nicht taugte. Durch den Druckanstieg barst der Kessel, der Deckel flog explosionsartig davon und verletzte den Kläger im Bereich des Gesichts und des Oberkörpers.

Zum explosionsartigen Bersten kam es, weil der Kessel nicht zur Gänze mit Wasser sondern teilweise auch mit Luft gefüllt war. Wäre der Kessel zur Gänze mit Wasser gefüllt gewesen, wäre er durch den Druckanstieg zwar geborsten, aber nicht mit Wucht explodiert. Der Kläger hatte es auch verabsäumt, bei Inbetriebnahme der Anlage entsprechend der Betriebsanleitung zunächst eine Rückspülung vorzunehmen.

Hätte der Kläger das Rücklaufventil vor Einschalten der Pumpe geöffnet, wäre der Druckanstieg und die Kesselexplosion unterblieben. Wäre der Kessel dem Stand der Technik entsprechend konstruiert worden, um Personen nicht zu gefährden, hätte er einem Überdruck von 4,5 bis 5 bar Stand gehalten, sodass die Explosion trotz Pumpbetrieb bei geschlossenem Rücklaufventil unterblieben wäre. Die Erst-, Zweit- und Viertbeklagten konnten aus technischer Sicht als Fachunternehmen davon ausgehen, dass der von einem Fachunternehmen (Drittbeklagte) gelieferte Filterkessel bei Angabe eines maximalen Betriebsdrucks von 2 bar dem im vorliegenden Fall durch Pumpendruck und hydrostatischen Druck zusammengesetzten Betriebsdruck von 2,1 bar standhalten werde. Dass dies aufgrund der Konstruktion dieses Kessels nicht der Fall war, konnten sie ohne technische Überprüfung nicht feststellen.

Für die Beklagten war zu erwarten, dass die Filteranlage im privaten Bereich eingesetzt und von technischen Laien bedient wird. Das Nichtöffnen eines Rücklaufventils vor Einschalten der Pumpe ist eine Fehlbedienung, die bei derartigen Anlagen einem Laien leicht passieren kann.

Der Kläger begehrte von allen Beklagten 25.000 EUR Schmerzengeld sowie die Feststellung der Haftung für künftige Schäden aus dem Unfall.

Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren mit Teil- und Zwischenurteil in Ansehung der Erst- und der Zweitbeklagten dem Grunde nach statt. Beide Beklagten hafteten als Hersteller des Produkts „Filteranlage", weil aus den angebrachten Namensplaketten nicht hervorgehe, dass einer von ihnen bloß Händler sei. Das Produkt habe nicht die Sicherheit aufgewiesen, die der Kläger zu erwarten berechtigt gewesen sei. Die Haftung der Beklagten werde nicht durch ein Mitverschulden des Klägers geschmälert. Da der Filterkessel aus technischer Sicht die Fehlbedienung aushalten hätte müssen, diene das Öffnen des Rücklaufventils und der Rückspülvorgang nicht der Verhinderung der Explosionsgefahr, sondern nur der Funktion der Anlage und ihrer Bewahrung vor Schäden. Da jegliche Warnung vor der Explosionsgefahr gefehlt habe, die Bedienungsanleitung kryptisch gewesen sei und der Kläger aufgrund der Sachkunde der Beklagten und der Darbietung des Produkts auf dessen Sicherheit vertrauen habe dürfen, sei sein in der Fehlbedienung liegendes Mitverschulden als unbeachtlich zu beurteilen. Gegenüber der Viertbeklagten sei das Klagebegehren abzuweisen, weil sie durch den nachträglichen Einbau einer Solaranlage keinen Einfluss auf den im bestehenden Wasserkreislauf herrschenden Druck genommen habe.

Das Berufungsgericht bestätigte die Verurteilung der Erst- und Zweitbeklagten und ließ die ordentliche Revision zu. Es fehle Rechtsprechung zu § 3 PHG in einem vergleichbaren Fall. Überdies fehlten ausreichende grundsätzliche Aussagen zur Gewichtung der Zurechnungsgründe nach § 11 PHG.

Auf eine allfällige Haftung der Erstbeklagten als Anscheinshersteller wegen ihres Namensschildes auf dem Filterkessel komme es nicht an, weil sie ohnehin als (tatsächlicher) Hersteller der von ihr durch Installation und Verrohrung der von der Zweitbeklagten bezogenen Filteranlage, die sie mit weiteren Komponenten, insbesondere Druckventilen verbunden habe, geschaffenen neuen funktionellen Einheit („Schwimmbadtechnik") hafte. Es liege im Hinblick auf das für die Zusammenstellung erforderliche besondere Konstruktions- und Fachwissen keine bloße Montage vor. Es sei bedeutungslos, ob der Kläger die in der Bedienungsanleitung gebotene Rückspülung unterlassen habe, weil die Anlage nach dem Stand der Technik im Hinblick auf die Bedienung durch Laien oder sogar Kinder auch bei Fehlbedienung nie explodieren hätte dürfen. Nach § 11 PHG sei die Schwere des Produktfehlers, insbesondere seine Gefährlichkeit im Einzelfall, gegenüber einem in verschiedenen Graden denkbaren Verschulden des Geschädigten im Sinn einer Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten abzuwägen. Die Bedienungsfehler des Klägers, die nach den Feststellungen einem Laien leicht passieren könnten, hätten gegenüber dem von den Beklagten zu verantwortenden Konstruktionsfehler so geringes Gewicht, dass sie zu keiner Haftungseinschränkung führen könnten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen der Erst- und Zweitbeklagten sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Die Beklagten vermögen keine erheblichen Rechtsfragen nach § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

1. Zur Abgrenzung zwischen dem nach § 3 erster Fall PHG haftendem Hersteller eines von ihm zusammengesetzten neuen Produkts (Assembling) und der nicht haftungsbegründenden Tätigkeit als montierender Händler (Make-Ready-Service oder Finishing) besteht Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Es kommt nicht darauf an, ob die Montage auf Wusch des Kunden oder aus freien Stücken erfolgt. Vielmehr sind die Fälle der Montage, deren Gesamtbetrachtung nach der Verkehrsauffassung das Bild einer bloßen Dienstleistung ergibt, vom Fertigungsprozess im Sinn eines Assemblers anhand verschiedener Kriterien wie die wirtschaftliche Wertveränderung bei der Zusammenstellung; der Umfang der dadurch bewirkten Änderung des Gebrauchszwecks des Produkts oder seiner charakteristischen Eigenschaften (vor allem im Hinblick auf das Sicherheitsrisiko), desgleichen ein über die Gestaltung der gelieferten Teile hinaus erforderliches Konstruktionswissen und Fachwissen für die Zusammenstellung abzugrenzen. Die Abgrenzung ist anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen (8 Ob 136/06t = EvBl 2007/53, mit Anm von M. Leitner, der für die Bejahung einer Herstellungstätigkeit als wesentliches Kriterium den Einfluss des Zusammenfügens auf die Sicherheitseigenschaften des Endprodukts anführt).

Der Einbau der Filteranlage in die Gesamtanlage der von der Erstbeklagten zu liefernden Schwimmbadtechnik erforderte zweifellos erhebliches Fachwissen, bewirkte eine Wertänderung und ermöglichte erst die vom Kunden gewünschte Nutzung für das Schwimmbad. Die Qualifikation der Erstbeklagten als Produkthersteller bildet daher keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Die Produkteigenschaft in Ansehung der Schwimmbadtechnik (die Erstbeklagte betreffend) oder auch deren Teils Filteranlage (die Zweitbeklagte betreffend) geht durch den Einbau in das Haus des Klägers nicht verloren (§ 4 PHG).

2. Ob die Erstbeklagte aufgrund ihrer Namensangabe auf dem Filterkessel auch als Anscheinshersteller aufzufassen ist, braucht im Hinblick auf ihre Haftung als Hersteller infolge Assemblings nicht beurteilt zu werden.

3. Gemäß § 11 PHG ist das Mitverschulden des Geschädigten nach § 1304 ABGB zu beurteilen. Die nach § 5 PHG maßgebenden Sicherheitserwartungen sind nur dann berechtigt, wenn der Benutzer den Anforderungen an seine Eigenverantwortung gerecht wird, spricht doch § 5 Abs 1 Z 2 PHG vom Gebrauch des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden könne (8 Ob 192/99i; 1 Ob 62/00z; 1 Ob 169/02p, je mwN). Die Frage der Eigenverantwortung und des Mitverschuldens des Benützers kann nur einzelfallbezogen beantwortet werden (vgl 7 Ob 201/03i). Grundsätzliche Aussagen zur Gewichtung von Zurechnungsgründen, die allgemein anzuwenden wären, sind daher nicht möglich; sie finden sich daher auch nicht in bislang zu treffenden Mitverschuldensabwägungen des Obersten Gerichtshofs.

Der von der Erstbeklagten behauptete Widerspruch zu bislang beurteilten Fällen erheblicher Mitverantwortung des Geschädigten besteht nicht. Hier war für den Kläger keineswegs offensichtlich, dass ein Anlaufen der Pumpe gegen geschlossene Ventile und/oder verbleibende Luft im Filterkessel nicht etwa bloß zu einer Beeinträchtigung der Filteranlage sondern zur Kesselexplosion und damit zu einer erheblichen Gefahr für die körperliche Sicherheit in der Nähe befindlicher Personen führen könnte. Da es dem Stand der Technik entspricht, den Berstdruck eines Kessels wesentlich höher auszulegen als den zu erwartenden Betriebsdruck (oder allenfalls Sicherheitsventile vorzusehen) und überdies auch keine Warnung vor der Explosionsgefahr erfolgte, ist dem Kläger kein vergleichbar gravierender Vorwurf zu machen, wie bei der Entzündung ausströmenden Gases bei einer unsachgemäß weil verkantet zusammengeschraubten Lötlampe (5 Ob 108/04z), dem Eingriff in den laufenden Häcksler (8 Ob 192/99i) oder der barfüßigen Tätigkeit in ätzendem Beton, nachdem bereits Hautbrennen feststellbar und das Tragen von Stiefeln empfohlen worden war (1 Ob 62/00z). Ebenso wenig lässt der hier zu beurteilende Sachverhalt einen Vergleich mit dem zu 1 Ob 169/02p beurteilten zu, in dem ein für den Geschädigten erkennbar kopflastiger Raumteiler beim Verschieben umstürzte. Selbst bei einer im Gegensatz zu diesem Fall leicht erkennbaren Gefahr für die körperliche Sicherheit lehnte der Oberste Gerichtshof den von der Erstbeklagten auch hier angestrebten Entfall der Produkthaftung wegen überwiegendem Eigenverschulden ab.

Ein allfälliges Mitverschulden des Klägers im Sinn der Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten ist von vornherein als gering zu bewerten, steht doch fest, dass seine Fehlbedienung einem Laien leicht passieren kann. Ein derartiges Verhalten ist daher für den Hersteller vorhersehbar, er muss mit seinem Eintritt rechnen und entsprechend vorsorgen. Die Fehlkonstruktion, welche eine Gefährdung für Leib und Leben des Benutzers bewirkt und vor der überdies nicht gewarnt wurde, wiegt so schwer, dass die Auffassung der Vorinstanzen, das allfällige Mitverschulden des Klägers tritt gegenüber der Verantwortung des Produktherstellers zurück, nicht als vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung gesehen werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO; die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revisionen hingewiesen.

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