OGH 3Ob168/12w

OGH3Ob168/12w17.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch die Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christof Pöchhacker, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 36.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Juli 2012, GZ 3 R 39/12w-15, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 9. Februar 2012, GZ 22 Cg 118/10m-11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen verboten der Beklagten, die bundesweit Telefondienstleistungen anbietet, über Klage des gemäß § 29 Abs 1 KSchG legitimierten Vereins die Verwendung folgender Klauseln im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen:

„Für Kunden mit Vertragsabschluss ab Inkrafttreten dieser AGB, jedoch frühestens ab 21. Februar 2007 gilt ausschließlich folgende Regelung: [die Beklagte] übermittelt Rechnungen ausschließlich elektronisch. Sollte der Kunde eine Rechnung in Papierform wünschen, ist [die Beklagte] berechtigt, ein angemessenes Entgelt laut Tarifinformation (gemäß Punkt 8.4 und 8.5 iVm Punkt 20.1 dieser AGB) zu verrechnen.“

Ab 2. Oktober 2010 verwendete Fassung: „[die Beklagte] übermittelt Rechnungen elektronisch an eine vom Kunden dafür bekannt gegebene E-Mail Adresse [die Beklagte] stellt die Rechnung für alle Kunden, unabhängig davon, ob sie eine E-Mail Adresse angegeben haben, in der Kundenzone [der Beklagten] ... mittels Link zum Abruf zur Verfügung und informiert den Kunden per SMS über den Rechnungseingang. Eine elektronische Rechnung gilt als zugestellt, sobald sie für den Kunden unter gewöhnlichen Umständen abrufbar ist. Über Wunsch des Kunden versendet [die Beklagte] Rechnungen auch in Papierform gemäß den mit dem Kunden vereinbarten und auf der Website [der Beklagten] ... abrufbaren Tarifinformationen“.

Das Berufungsgericht verwies auf die zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangene Entscheidung 4 Ob 141/11f, mit der eine mit den hier zu beurteilenden Klauseln vergleichbare Klausel als gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB beurteilt wurde. Die von der Beklagten ins Treffen geführte Entscheidung 4 Ob 50/00g habe einen nicht vergleichbaren Sachverhalt betroffen, weil es dort um die Vorschreibung eines Barzahleraufschlags bei Nichterteilung einer Einzugsermächtigung ging. Die hier zu beurteilende elektronische Rechnung bringe dem Kunden der Beklagten keine Vorteile, sie erspare ihm im Vergleich zur Rechnung in Papierform weder Arbeit noch Zeitaufwand. Eine gröbliche Benachteiligung ihrer Kunden liege entgegen der Rechtsansicht der Beklagten schon darin, dass ihnen für die Erfüllung einer vertraglichen Nebenpflicht der Beklagten (Ausstellung einer Rechnung in Papierform) ein gesondertes Entgelt abverlangt werde. Eine elektronische Rechnung sei nicht als adäquate Rechnungslegung aufzufassen. Sie bilde kein gleichwertiges Äquivalent zur Papierrechnung. Auch die Rechnungsübermittlung an eine vom Kunden bekannt gegebene E-Mail Adresse verursache demjenigen, der die Rechnung einsehen wolle, Kosten und Mühe. Die per E-Mail übermittelte Rechnung werde daher häufig uneingesehen bleiben, was eine allfällige Rechtsverfolgung erschwere (Versäumnis von Einspruchsfristen). Kunden, die über keinen Internetzugang verfügten, bliebe die Möglichkeit des Rechnungsempfangs ohnedies verschlossen. Müsse der Kunde - wie im vorliegenden Fall - erst durch Nachschau auf der Website der Beklagten im dortigen Kundenbereich selbst für die „Zustellung“ der Rechnung sorgen, sei dies mit § 6 Abs 1 Z 3 KSchG, welcher vertragliche Zugangsfiktionen verbiete, nicht vereinbar. Daher sei die von der Beklagten bloß als Umsetzung des § 12 ECG betrachtete Vertragsbestimmung, wonach eine elektronische Rechnung als zugestellt gelte, sobald sie für den Kunden unter gewöhnlichen Umständen abrufbar sei, rechtswidrig.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte vermag keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Der Oberste Gerichtshof ist auch zur Auslegung von AGB-Klauseln nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmter Geschäftsbranchen, welche regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden und damit Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung sind, eine erhebliche Rechtsfrage bildet, sofern solche Klauseln bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilt wurden (RIS-Justiz RS0121516).

Der Oberste Gerichtshof sprach bereits zu 4 Ob 141/11f - gleichfalls für das Telefoniedienstleistungs- geschäft - aus, dass eine (unentgeltliche) Papierrechnung durchaus noch üblich und vom Gesetzgeber gewünscht ist und die bloß elektronisch zur Verfügung gestellte Rechnung nicht als adäquate Rechnungslegung zu erachten ist. Eine gröbliche Benachteiligung (§ 879 Abs 3 ABGB) der Kunden der Beklagten durch die beanstandete Klausel liegt darin, dass ihnen für die Erfüllung einer vertraglichen Nebenleistungspflicht, nämlich der Ausstellung einer Rechnung in Papierform, ein gesondertes Entgelt abverlangt wird (4 Ob 141/11f). Auch wenn in der zweiten hier beanstandeten Klausel - im Gegensatz zu dem zu 4 Ob 141/11f entschiedenen Fall - eine elektronische Rechnungslegung in Form der Ablage eines PDF-Dokuments im für den Kunden eingerichteten elektronischen Postfach oder die Zusendung eines entsprechenden E-Mails an die vom Kunden angegebene E-Mail Adresse genannt wird, führt dies gegenüber der bloßen SMS-Benachrichtigung von der Rechnung, die in der Kundenzone der Website der Beklagten bereit gehalten wird, zu keinem wesentlichen Unterschied. Auch die E-Mail Rechnung bedeutet für den Kunden gegenüber der Postzustellung einer Papierrechnung eine Erschwernis, weil er erst die ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellte E-Mail Adresse (oder die sonstige von ihm der Beklagten bekannt gegebene) aufrufen, die entsprechende E-Mail suchen und öffnen muss. Dieser Vorgang verursacht nicht nur Kosten (Strom) und Mühe, sondern macht den Kunden auch vom Funktionieren verschiedener elektronischer Geräte abhängig. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wenn die Beklagte nur Vorteile der elektronischen Zustellung sehen will und daher die gröbliche Benachteiligung des Kunden gegenüber der Übermittlung einer Papierrechnung in Abrede stellt.

Ein Widerspruch zu der von der Beklagten ins Treffen geführten Entscheidung 4 Ob 50/00g besteht nicht, zumal es dort nicht um adäquate Rechnungslegung, sondern um Entgelt für Bareinzahlungen statt unentgeltlicher Erteilung einer Einziehungsermächtigung ging.

Auch die Beurteilung der Vertragsbestimmung, wonach eine elektronische Rechnung als zugestellt gilt, sobald sie für den Kunden unter gewöhnlichen Umständen abrufbar ist, als § 6 Abs 1 Z 3 KSchG widersprechend, steht mit der Rechtsprechung im Einklang. Die Bereithaltung der elektronischen Rechnung in der Kundenzone auf der Website der Beklagten ist durchaus mit der vom Obersten Gerichtshof als rechtswidrige Zugangsfiktion beurteilten oder ihr gleichgestellten Bestimmung vergleichbar ähnlich, wonach Mitteilungen an den Kunden mit der Bereitstellung zur Abholung (4 Ob 28/01y) oder mit dem nächsten Bankarbeitstag nach der Bereitstellung zur Abholung als zugegangen gelten (6 Ob 253/07k). In beiden genannten Fällen, ebenso aber auch in dem hier zu Beurteilenden, wird ein Zustellmodus vorgesehen, der vom Normalfall der Zustellung auf dem üblichen Postweg abweicht und darauf verzichtet, dass die Erklärung in den Machtbereich des Adressaten gelangt. Bei der Zustellung durch die Post wird dem Kunden der eigentliche Zustellvorgang abgenommen und er muss die ihm zugestellte Post nur noch zur Kenntnis nehmen; beim Bereithalten am Kontoauszugsdrucker oder hier auf der Website der Beklagten muss hingegen der Kunde selbst für die „Zustellung“ sorgen. Die Gefahr, dass er rechtlich bedeutsame Erklärungen nicht rechtzeitig zur Kenntnis nimmt, ist daher in diesen Fällen wesentlich größer als bei der Postzustellung (6 Ob 253/07k). Die beanstandete Zugangsklausel gibt daher nicht bloß die in § 12 ECG normierte Zugangsregel für elektronische Willenserklärungen wieder, sondern geht über diese hinaus. Die von der Beklagten auf ihrer Website bereit gehaltene Rechnung ist eben noch nicht in den Empfangsbereich des Kunden gelangt.

Mangels erheblicher Rechtsfragen nach § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten daher zurückzuweisen.

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