European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00166.20P.0324.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Der Kläger ist nach einem vollstreckbaren Urteil des Handelsgerichts Wien vom 12. Juli 2018 verpflichtet, der Beklagten 25.689,13 EUR sA zu zahlen. Zur Hereinbringung dieser Forderung bewilligte das Erstgericht als Exekutionsgericht der Beklagten als betreibende Partei gegen den Kläger als verpflichtete Partei mit Beschluss vom 8. Februar 2019 die Fahrnis- und Forderungsexekution.
[2] Die Beklagte wurde 2007 ins Firmenbuch eingetragen. Alleineigentümerin der Beklagten ist die (ebenfalls seit 2007 im Firmenbuch eingetragene) C***** GmbH. Bis zum 1. August 2017 hielt der syrische Staatsbürger N***** K***** 90 % der Stammeinlage der C***** GmbH. Danach wurden diese Anteile an den Sohn von N***** K***** übertragen. Seit 2007 hält die Gattin von N***** K***** die restlichen 10 % an der C***** GmbH. N***** K***** war bis 23. Mai 2017 neben seiner Gattin selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Beklagten, danach wurde er von seinem Sohn als Geschäftsführer abgelöst.
[3] N***** K***** wurde am 21. Jänner 2019 als Nutznießer und/oder Unterstützer des syrischen Regimes in die Liste A des Anhangs II der Verordnung (EU) Nr 36/2012 des Rates vom 18. Januar 2012 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Syrien und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr 442/2011 (im Folgenden: Syrien‑Sanktionen VO) aufgenommen und unterliegt daher dieser VO.
[4] Im Firmenbuch war bei der Beklagten unter Lfd Nr 19 eine Mitteilung nach § 6 Sanktionengesetz 2010 (BGBl I 2010/36; im Folgenden: SanktG) des Bundesministeriums für Inneres vom 8. Februar 2019, AZ ***** eingetragen, wonach das Vermögen der Gesellschaft gemäß der Syrien-Sanktionen VO eingefroren ist. Nach der Einschätzung des Bundesministeriums für Inneres bestehe der begründete Verdacht, dass N***** K***** nach wie vor Kontrolle über die Beklagte und die C***** GmbH habe und deren Nutznießer sei. Die entsprechende Entscheidung des Firmenbuchgerichts wurde im Rekursweg ersatzlos behoben und die Eintragung am 30. Mai 2019 gelöscht. Nach der Rekursentscheidung übe N***** K***** bei der Beklagten keine Funktion aus, die ein Einfrieren des Vermögens der Gesellschaft erlaube.
[5] Ungeachtet dessen hält eine Bank das Firmenkonto der Beklagten nach wie vor noch gesperrt, während eine andere Bank das vormals gesperrte Konto wieder frei gab.
[6] Mit seiner als Impugnationsklage bezeichneten Klage begehrt der Kläger das Urteil, dass die Exekution unzulässig sei. Er macht dabei das Zahlungsverbot nach Art 14 Syrien-Sanktionen VO geltend. N***** K*****, der nach Titelschaffung in die Sanktionenliste aufgenommen worden sei, sei der wirtschaftliche Eigentümer der Beklagten. Die Gattin und der Sohn des N***** K***** würden die Geschäftsanteile der C***** GmbH (= Alleingesellschafterin der Beklagten) „als Strohmänner“ treuhändig für ihn halten. Die Exekution würde dazu führen, dass der Beklagten und damit mittelbar N***** K***** wirtschaftliche Ressourcen (nämlich Pfandrechte und exekutive Zahlungen) zukommen.
[7] Die Beklagte bestritt, dass sie von den über N***** K***** verhängten Sanktionen betroffen sei. Dieser sei seit Mai 2017 nicht mehr Geschäftsführer der Beklagten. N***** K***** habe im August 2017 seine Geschäftsanteile (90 %) an der C***** GmbH ohne Bedingungen oder Gewährungen von Einflussrechten, Stimmbindungs- und/oder Treuhandverträgen zu seinen Gunsten an seinen Sohn verkauft. N***** K***** stünden keine Kontroll- oder sonstigen Rechte über die Beklagte oder über die C***** GmbH zu. Die Beklagte stehe damit weder im Eigentum des N***** K***** noch werde sie von diesem kontrolliert.
[8] Das Erstgericht wies die Klage ab. Zusätzlich zum eingangs zusammengefassten Sachverhalt stellte es fest, dass im Zuge der Forderungsexekution eine Drittschuldnerin das Guthaben des Klägers, das zugunsten der Beklagten gepfändet wurde, auf ein „eingefrorenes“ Konto der Beklagten überweisen konnte.
[9] In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass wegen Art 19 Syrien-Sanktionen VO die Bestimmung des Art 14 leg cit nicht für Gutschriften auf eingefrorenen Konten gelte. Eine rechtskonforme Zahlung zu Gunsten der Beklagten sei damit auf das eingefrorene Konto möglich. Ebenso wie einem Drittschuldner müsse es in einem solchen Fall auch dem Kläger möglich sein, seine Geldschulden zu erfüllen. Daher könne dahinstehen, ob N***** K***** Einfluss oder Kontrollmöglichkeiten über die Beklagte habe.
[10] Das Berufungsgericht hob infolge Berufung des Klägers das Urteil des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es ging davon aus, dass kein eingefrorenes Konto vorliege, das den Ansprüchen des Art 19 Syrien-Sanktionen VO gerecht werde. Die vom Erstgericht herangezogene Sperre eines Bankkontos beruhe nur auf dem eigenen Ermessen der Bank und nicht auf einem Rechtsakt oder einer Maßnahme iSd SanktG.
[11] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil zur Frage, ob Sanktionen iSd Syrien-Sanktionen VO einen Impugnations- oder Oppositionsgrund bilden, ebensowenig höchstgerichtliche Rechtsprechung wie zur Problematik vorliege, ob ein Verpflichteter auf Konten des betreibenden Gläubigers leisten dürfe, wenn diese nicht explizit iSd SanktG eingefroren sind.
[12] Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen, hilfsweise dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung aufzutragen.
[13] Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[14] Der Rekurs ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.
[15] 1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Syrien-Sanktionen VO, der Verordnung (EG) Nr 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (im Folgenden: Anti-Terror-VO) und des SanktG lauten wie folgt:
1.1 Syrien-Sanktionen VO:
KAPITEL V
EINFRIEREN VON GELDERN UND WIRTSCHAFTLICHEN RESSOURCEN
Artikel 14
(1) Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder Besitz der in den Anhängen II und IIa aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.
(2) Den in den Anhängen II und IIa aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen.
(3) Es ist verboten, wissentlich und vorsätzlich an Tätigkeiten teilzunehmen, mit denen unmittelbar oder mittelbar die Umgehung der in den Absätzen 1 und 2 genannten Maßnahmen bezweckt oder bewirkt wird.
[…]
Artikel 19
(1) Artikel 14 Absatz 2 gilt nicht für die Gutschrift auf den eingefrorenen Konten von
a) Zinsen und sonstigen Erträgen dieser Konten oder
b) Zahlungen aufgrund von Verträgen, Vereinbarungen oder Verpflichtungen, die vor dem Tag geschlossen bzw übernommen wurden, ab dem diese Verordnung auf diese Konten Anwendung findet, oder
c) Zahlungen aufgrund von in einem Mitgliedstaat ergangenen oder in dem betreffenden Mitgliedstaat vollstreckbaren gerichtlichen, behördlichen oder schiedsge-richtlichen Entscheidungen,
sofern diese Zinsen, sonstigen Erträge und Zahlungen nach Artikel 14 Absatz 1 eingefroren werden.
(2) Artikel 14 Absatz 2 hindert die Finanz- und Kreditinstitute in der Union nicht daran, Gelder, die auf das Konto einer in der Liste geführten natürlichen oder juristischen Person, Organisation oder Einrichtung überwiesen werden, auf den eingefrorenen Konten gutzuschreiben, sofern die auf diesen Konten gutgeschriebenen Beträge ebenfalls eingefroren werden. Die Finanz- und Kreditinstitute unterrichten unverzüglich die betreffende zuständige Behörde über diese Transaktionen.
1.2 Anti-Terror VO:
Artikel 1
(6) „Kontrolle über eine juristische Person, Vereinigung oder Körperschaft“ ist
a) das Recht, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft zu bestellen oder abzuberufen;
b) die Tatsache, allein durch die Ausübung seiner Stimmrechte die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft für das laufende oder das vorhergehende Geschäftsjahr bestellt zu haben;
c) die alleinige Verfügung über die Mehrheit der Stimmrechte der Anteilseigner bzw. Mitglieder der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Anteilseignern bzw. Mitgliedern derselben;
d) das Recht, auf die juristische Person, Vereinigung oder Körperschaft einen beherrschenden Einfluss aufgrund eines mit dieser juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft geschlossenen Vertrages oder aufgrund einer in ihrer Gründungsurkunde oder Satzung niedergelegten Bestimmung auszuüben, sofern das Recht, dem die juristische Person, Vereinigung oder Körperschaft unterliegt, es zulässt, dass diese solchen Verträgen oder Bestimmungen unterworfen wird;
e) die Befugnis, von dem Recht zur Ausübung eines beherrschenden Einflusses im Sinne des Buchstaben d) Gebrauch zu machen, ohne dieses Recht selbst innezuhaben;
f) das Recht, alle oder einen Teil der Vermögenswerte der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft zu verwenden;
g) die Führung der Geschäfte der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft auf einer einheitlichen Grundlage mit Erstellung eines konsolidierten Abschlusses;
h) die gesamtschuldnerische Erfüllung der finanziellen Verbindlichkeiten der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft oder das Bürgen für sie.
1.3 SanktG
Innerstaatliche Durchführungsmaßnahmen
§ 2. (1) Soweit dies zur Erfüllung von völkerrechtlich verpflichtenden Sanktionsmaß-nahmen der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union erforderlich ist, ist die Oesterreichische Nationalbank ermächtigt, durch Verordnung oder Bescheid die nachstehend angeführten Maßnahmen anzuordnen:
1. das Einfrieren von Vermögenswerten von
a) Personen, die terroristische Handlungen begehen, zu begehen versuchen oder sich an deren Begehung beteiligen oder diese erleichtern sowie von sonstigen Personen oder Einrichtungen, gegen die Sanktionsmaßnahmen der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union verhängt wurden,
b) Einrichtungen, die unmittelbar oder mittelbar im Eigentum oder unter der Kontrolle von Personen oder Einrichtungen gemäß lit. a) stehen,
c) Personen und Einrichtungen, die im Namen oder auf Anweisung von Personen gemäß lit. a) und oder Einrichtungen gemäß lit. a) oder lit. b) handeln,
einschließlich der Gelder, die aus Vermögen stammen oder hervorgehen, das unmittelbar oder mittelbar im Eigentum oder unter der Kontrolle dieser Personen und mit ihnen verbundener Personen und Einrichtungen steht;
[…]
(3) Rechtsakte gemäß Abs. 1 und 2 sind aufzuheben, sobald die diesen zugrundeliegenden Sanktionsmaßnahmen der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union aufgehoben werden.
Eintragungen im Grundbuch oder im Firmenbuch
§ 6. (1) Sind im Grundbuch oder im Firmenbuch Vermögenswerte ersichtlich, die aufgrund eines Rechtsakts nach § 2 Abs 1 oder aufgrund unmittelbar anwendbarer Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union eingefroren sind, so hat die Bundesministerin für Inneres diesen Umstand dem für die Liegenschaft oder den Rechtsträger zuständigen Gericht (§§ 118, 120 der Jurisdiktionsnorm – JN, RGBl Nr 111/1895) mitzuteilen. In dieser Mitteilung sind der Rechtsakt oder die Sanktionsmaßnahme, die betroffene Person oder Einrichtung sowie der Vermögenswert bestimmt zu bezeichnen.
(2) Aufgrund einer Mitteilung im Sinn des Abs. 1 hat das Gericht von Amts wegen im Grundbuch (§ 8 Z 3 des Allgemeinen Grundbuchs-gesetzes 1955 – GBG, BGBl Nr 39) oder im Firmenbuch einzutragen, dass das Vermögen der betreffenden Person oder Einrichtung eingefroren ist. Dabei ist auch der zugrundeliegende Rechtsakt nach § 2 Abs 1 oder die zugrundeliegende unmittelbar anwendbare Sanktionsmaßnahme der Europäischen Union anzuführen.
(3) Wird der Rechtsakt nach § 2 Abs 1 oder die unmittelbar anwendbare Sanktionsmaßnahme der Europäischen Union in weiterer Folge aufgehoben, so hat die Bundesministerin für Inneres das zuständige Gericht auch davon zu verständigen; in diesem Fall hat das Gericht die Eintragung von Amts wegen zu löschen.
[16] 2. Die Vorinstanzen haben die Frage, ob die Impugnationsklage eine taugliche Rechtsschutzmaßnahme ist, um einen Vermögenstransfer zu einer Person zu verhindern, die nach Schaffung des Titels von der Syrien-Sanktionen VO umfasst wurde, implizit bejaht, ohne sich mit dieser Problematik näher auseinanderzusetzen. Die Beklagte macht geltend, dass ein Zahlungsverbot nach der Syrien-Sanktionen VO keinen Impugnationsgrund iSd § 36 Abs 1 EO verwirklicht.
[17] Dazu ist auszuführen:
[18] 2.1 Die Impugnationsklage zielt (nur) auf die Unzulässigerklärung der konkreten Anlassexekution ab (RIS‑Justiz RS0000947). Hingegen verfolgt die Oppositionsklage als Ziel sowohl die Feststellung des Erlöschens bzw der Hemmung des Anspruchs als auch die Unzulässigerklärung jeglicher Zwangsvollstreckung aus dem Titel (jüngst 3 Ob 100/20g mwN). Während sich die Oppositionsklage somit gegen den betriebenen Anspruch mit dem Vorbringen, dieser sei erloschen oder gehemmt, richtet, dient die Impugnationsklage dem Verpflichteten als Rechtsbehelf zur Geltendmachung von Sachverhalten, die gerade nicht den Bestand oder die Hemmung des Anspruchs betreffen (RS0001160), die Exekutionsführung im Einzelfall aber aus anderen Gründen unzulässig machen ( Jakusch in Angst/Oberhammer , EO 3 § 36 EO Rz 1).
[19] 2.2 Nach Art 14 Syrien-Sanktionen VO dürfen einer von den Sanktionen betroffenen Person keine Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen. Dieses allgemein und umfassend formulierte Zahlungsverbot schließt auch die Erfüllung einer titulierten Schuld ein. Die bei Vorliegen eines eingefrorenen Kontos normierte Ausnahme des Zahlungsverbots nach Art 19 Abs 1 lit c Syrien-Sanktionen VO bei Zahlungen aufgrund einer vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidung wäre nicht verständlich, wenn die Zahlung einer titulierten Forderung sonst (also ohne eingefrorenes Konto) zulässig ist. Das Verbot einer titelgemäß gedeckten Zahlung an einen Gläubiger während der Zeit aufrechter Sanktionen führt notwendigerweise zur Hemmung der mit der Schuld des Verpflichteten korrespondierenden Forderung. Nach richtiger Auffassung hält der Kläger mit seiner Klage dem Anspruch der hier beklagten Partei damit Einwendungen nach § 35 EO entgegen, die auf den Anspruch hemmenden Tatsachen beruhen (= Aufnahme von N***** K***** in die Sanktionenliste im Jänner 2019), die erst nach Schaffung des dem Exekutionsverfahren zugrundeliegenden Titels vom Juli 2018 entstanden sind.
[20] 2.3 Diesem Ergebnis steht weder die (irrtümliche) Bezeichnung der Klage als „Impugnationsklage“ noch das konkrete Begehren entgegen. Ungeachtet des richtigen Hinweises im Rechtsmittel, dass kein Impugnationsgrund vorliegt, war dem Rekurs aus diesem Grund daher nicht Folge zu geben. Für die rechtliche Einordnung einer exekutionsrechtlichen Klage kommt es nämlich nicht auf die konkrete Formulierung des Klagebegehrens an (zB 3 Ob 292/05w). Vielmehr ist zu ermitteln, was der Kläger mit seiner Klage eigentlich will. Es ist nicht auf die Bezeichnung der Klage abzustellen, sondern auf das gesamte Vorbringen (RS0001876). Der Spruch ist dann allenfalls von Amts wegen richtig zu formulieren (RS0001665). Nachdem der Aufhebungsbeschluss jedenfalls zu bestätigen war (siehe die weiteren Ausführungen), bleibt die weitere Vorgangsweise dem Erstgericht überlassen.
[21] 3. Das Rechtsmittel bestreitet, dass N***** K***** Kontroll- und sonstige Rechte über die Beklagte oder deren Alleingesellschafterin hat, weshalb die Beklagte nicht der Syrien-Sanktionen VO unterliege. Die Beklagte verweist hier auf die von ihr vorgelegten Urkunden. Auch damit kann die vom Beklagten angestrebte Wiederherstellung des Ersturteils nicht erreicht werden. Die Beklagte blendet hier aus, dass Feststellungen dazu fehlen, um gesichert beurteilen zu können, ob N***** K***** die vom Kläger behauptete Kontrolle iSd Art 1 Z 6 Anti-Terror-VO ausübt.
[22] Die Begriffe „Eigentum“ und „Kontrolle“ sind in der Syrien-Sanktionen VO selbst nicht definiert. In der Entscheidung 5 Ob134/19w wurde unter Bezugnahme auf die Materialien zum SanktG und die Leitlinien zur Umsetzung und Evaluierung restriktiver Maßnahmen (Sanktionen) im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU (Doc 5664/18) klargestellt, dass dazu die Anti-Terror VO heranzuziehen ist. Nach Art 1 Z 6 leg cit kommt eine Vielzahl von Tatbeständen der „Kontrolle“ in Betracht.
[23] Die vom Berufungsgericht vermissten Feststellungen wären nur dann entbehrlich, wenn im Anlassfall die Bestimmung des Art 19 Syrien-Sanktionen VO zur Anwendung kommt, weil diese Bestimmung eine Gutschrift auf eingefrorenen Konten vom Zahlungsverbot ausnimmt.
[24] 4. Die Beklagte beruft sich auf Art 19 Syrien‑Sanktionen VO und argumentiert damit, dass sämtliche Vermögenswerte einer in den Anhängen der Syrien‑Sanktionen VO angeführten Person aufgrund unmittelbar anwendbarer Sanktionsmaßnahmen der Union ohnedies (automatisch) eingefroren seien. Die Beklagte verfüge über ein eingefrorenes Konto, auf das Zahlungen aufgrund bereits bestehender Verpflichtungen gutgeschrieben werden könnten.
[25] Damit ist die Beklagte nicht im Recht.
[26] 4.1 Die Beklagte selbst ist unstrittig in der Sanktionenliste nicht eingetragen. Ihr Hinweis, dass sie aufgrund unmittelbar anwendbarer Sanktionsmaßnahmen über ein eingefrorenes Konto verfügt, steht damit zu ihrem Standpunkt im Widerspruch, wonach sie von der sanktionierten Person (N***** K*****) nicht kontrolliert werde. Aus dem Standpunkt der Beklagten lässt sich daher nicht schlüssig ableiten, dass sie selbst über ein Konto verfügt, das unmittelbar aufgrund der Sanktionsmaßnahmen der Union eingefroren sein soll.
[27] 4.2 Ein Einfrieren eines Kontos nach der Syrien-Sanktionen VO setzt eine unmittelbar anwendbare Sanktionsmaßnahme der Europäischen Union oder einen Rechtsakt nach § 2 Abs 1 SanktG (Anordnung einer Maßnahme durch die Österreichische Nationalbank) voraus (RV 656 BlgNR 24. GP 8; vgl auch § 6 Abs 1 SanktG).
[28] 4.3.1 In Bezug auf die Beklagte wurde weder eine (aufrechte) Sanktionsmaßnahme der Europäischen Union noch ein entsprechender Rechtsakt der Österreichischen Nationalbank behauptet noch festgestellt. Auch das Rechtsmittel verweist darauf, dass ein nationaler Rechtsakt nach § 2 Abs 1 SanktG nicht vorliegt.
[29] 4.3.2 Die Aufnahme von N***** K***** in die Sanktionenliste der Syrien-Sanktionen VO ist keine unmittelbar anwendbare Sanktionsmaßnahme der Europäischen Union gegenüber der Beklagten und kann daher nicht zum (automatischen) Einfrieren ihrer Konten führen. Vielmehr setzt das Einfrieren von Konten der Beklagten eine weitere, durch die Syrien-Sanktionen VO gedeckte Maßnahme voraus. Das deckt sich auch mit der die Beklagte betreffenden grundbuchsrechtlichen Entscheidung zu 5 Ob 134/19w, in der eine Sanktionsmaßnahme der Europäischen Union in Bezug auf die dortige Revisionsrekurswerberin (= Beklagte) vermisst wurde.
[30] 4.3.3 Auch der bloße Umstand, dass eines der Konten der Beklagten wegen einer mittlerweile gelöschten Eintragung im Firmenbuch bei einer bestimmten Bank (im Gegensatz zu einem anderen Konto bei einer anderen Bank) noch gesperrt ist, kann den Tatbestand des Art 19 Syrien‑Sanktionen VO nicht erfüllen. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass hier die aufrechte Sperre allein auf dem Ermessen der Bank beruht und daher eine Ausnahme vom Zahlungsverbot nicht rechtfertigen kann.
[31] 4.3.4 Damit liegt der Ausnahmetatbestand des Art 19 Syrien-Sanktionen VO nicht vor.
[32] 5. Das Berufungsgericht hat dem Erstgericht daher zu Recht die Ergänzung der Tatsachengrundlage zur behaupteten Kontrolle von N***** K***** auf die Beklagte aufgetragen, damit die Frage geprüft werden kann, ob (auch) die Beklagte den Sanktionen unterliegt. Der Rekurs musste erfolglos bleiben.
[33] 6. Die Kostenentscheidung beruht angesichts der Erfolglosigkeit des zulässigen Rekurses auf § 52 Abs 1 ZPO (RS0035976).
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