OGH 3Ob100/20g

OGH3Ob100/20g2.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch MMag. Dr. Martin Hasibeder, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, gegen die beklagte Partei C*****, vertreten durch Forcher-Mayr & Kantner Rechtsanwälte-Partnerschaft in Innsbruck, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (§ 36 EO), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. Mai 2020, GZ 4 R 16/20m‑15, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 30. Dezember 2019, GZ 6 C 42/19g‑10, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00100.20G.0902.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.307,52 EUR (hierin enthalten 217,92 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile sind verheiratet. Mit vollstreckbarem Urteil vom 15. Dezember 2006 wurde der Kläger zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags in Höhe von 650 EUR an die Beklagte verpflichtet. Aufgrund dieses Titels wurde der Beklagten mit Beschluss des Erstgerichts vom 16. August 2019 gegen den Kläger zur Hereinbringung rückständigen Unterhalts für den Zeitraum Juli 2016 bis Juli 2019 in Höhe von 23.400 EUR sA die Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung und die Forderungsexekution (letztere auch zur Hereinbringung des laufenden Unterhalts von 650 EUR monatlich ab 1. August 2019) bewilligt.

[2] Die Beklagte hatte bereits im Jahr 2008 aufgrund dieses Unterhaltstitels gegen den Kläger Exekution geführt. Ein Verfahren über eine vom Kläger daraufhin eingebrachte exekutionsrechtliche Klage wurde aufgrund einer außergerichtlichen Einigung des Inhalts beendet, dass die Beklagte vorerst auf die Zahlung weiterer Unterhaltsbeiträge verzichte und sich für den Fall geänderter Verhältnisse rechtzeitig mit dem Rechtsvertreter des Klägers in Verbindung setzen werde.

[3] Bereits im Juli 2016 hatte sich die Einkommens- und Vermögenssituation des Klägers im Vergleich zu jener im Oktober 2008 wesentlich verändert. Die exekutiv betriebenen Unterhaltsbeiträge wurden vom Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht bezahlt.

[4] Der Kläger macht in seiner Impugnationsklage geltend, die Exekutionsführung sei unberechtigt, weil die Beklagte im Jahr 2008 auf die Einleitung der Exekution verzichtet habe. Jedenfalls aber sei aufgrund der getroffenen Vereinbarung die exekutive Betreibung des vor der Einmahnung des Unterhalts aufgelaufenen Rückstands unzulässig.

[5] Die Beklagte wendete insbesondere ein, sie habe niemals für die Zukunft auf die Exekutionsführung aus dem Titel verzichtet.

[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Schon nach dem Wortlaut der Vereinbarung aus dem Jahr 2008 ergebe sich, dass die Beklagte nicht generell auf eine künftige Exekutionsführung verzichtet habe.

[7] Das Berufungsgericht wies die Berufung des Klägers, mit der dieser eine Abänderung des Ersturteils dahin anstrebte, dass die beiden Anlassexekutionen (nur) hinsichtlich des betriebenen Unterhaltsrückstands für unzulässig erklärt würden, zurück. Die Exekutionen zur Hereinbringung des Unterhaltsrückstands seien jeweils im Jänner 2020 – nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz, aber noch vor Einbringung der Berufung – infolge Begleichung der betriebenen Forderung durch den Kläger eingestellt (die Forderungsexekution also auf die Hereinbringung des laufenden Unterhalts eingeschränkt) worden. Das einer Impugnationsklage stattgebende Urteil bewirke – anders als im Fall der Oppositionsklage – lediglich die Unzulässigkeit der konkreten Anlassexekution, sodass auch nur diese einzustellen bzw einzuschränken sei. Angesichts der aufgrund der Zahlung des Klägers erfolgten Einstellung der Anlassexekutionen könne daher kein Zweifel daran bestehen, dass die Beschwer des Klägers bereits vor Erhebung der Berufung weggefallen sei, sodass sein Rechtsmittel zurückzuweisen sei.

[8] In seinem Rekurs macht der Kläger geltend, Änderungen der Sach- und Rechtslage nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz seien irrelevant. Eine Einstellung der Anlassexekution während des erstinstanzlichen Verfahrens führe nur dann zur Abweisung des Klagebegehrens, wenn der Kläger dieses nicht auf Kosten einschränke. Im Berufungsverfahren komme aber eine Klageeinschränkung auf Kosten nicht in Betracht, sofern nicht eine Berufungsverhandlung stattfinde. Das Berufungsgericht hätte daher die Berufung jedenfalls nicht zurückweisen dürfen, ohne dem Kläger zuvor in einer mündlichen Berufungsverhandlung Gelegenheit zur Einschränkung seines Begehrens auf Kosten zu geben.

[9] Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

[11] 1. § 36 ZPO normiert zwar – anders als § 35 EO („im Zuge des Exekutionsverfahrens“; RIS‑Justiz RS0001465) – nicht ausdrücklich die nach wie vor bestehende Anhängigkeit der Anlassexekution als Voraussetzung für die Berechtigung der Impugnationsklage, dieses Erfordernis ergibt sich allerdings zwingend aus ihrem Rechtsschutzziel, nämlich der Unzulässigerklärung der konkreten Anlassexekution (Jakusch in Angst/Oberhammer 3 § 36 EO Rz 39; RS0001807; RS0000947).

[12] 2. Nach ständiger Rechtsprechung zu § 35 EO ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob die Anlassexekution noch anhängig ist, jener des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz (RS0001454; RS0001465 [T6, T8]). Nichts anderes gilt im Fall einer Impugnationsklage (3 Ob 240/19v).

[13] 3. Dennoch ist die Beschwer des Klägers durch die hier erst nach diesem maßgeblichen Zeitpunkt (allerdings bereits vor Einbringung der Berufung) erfolgte Einstellung (Einschränkung) der Anlassexekutionen im Hinblick auf die Begleichung des gesamten betriebenen Unterhaltsrückstands weggefallen:

[14] 3.1. Nach ständiger Rechtsprechung setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer voraus, weil es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen ist, rein theoretische Fragen zu entscheiden (RS0002495). Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist nicht nur die formelle, sondern auch die materielle Beschwer. Letztere liegt vor, wenn die (materielle oder prozessuale) Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt wird, diese also für ihn ungünstig ausfällt (RS0041868 [T3, T7]). Ist das nicht der Fall, ist das Rechtsmittel auch dann zurückzuweisen, wenn die Entscheidung formal vom Antrag abweicht (RS0041868 [T15]).

[15] 3.2. Die Beschwer muss zur Zeit der Einlegung des Rechtsmittels gegeben sein und zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen, widrigenfalls das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen ist (RS0041770).

[16] 3.3. Nach ständiger Rechtsprechung verfolgt die Oppositionsklage als Ziel sowohl die Feststellung des Erlöschens bzw der Hemmung des Anspruchs als auch die Unzulässigerklärung jeglicher Zwangsvollstreckung aus dem Titel (3 Ob 150/03k mwN), sodass das Rechtsschutzinteresse des Oppositionsklägers mit Einstellung der Anlassexekution nicht wegfällt, sofern der Anspruch des Beklagten, zu dessen Durchsetzung die Exekution bewilligt worden war, noch immer offen und mit einer neuerlichen Exekutionsführung zu rechnen ist (RS0041770 [T9]; RS0001808 [T1]). Da das Rechtsschutzziel der Impugnationsklage demgegenüber ausschließlich die Einstellung der Anlassexekution ist, fällt mit ihrer Einstellung das Rechtsschutzinteresse des Impugnationsklägers weg (RS0000947).

[17] 3.4. Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich bei seiner Klage (nur) um eine Impugnationsklage, weil er sich ausschließlich auf die Unzulässigkeit der Exekutionsführung stützte und nicht etwa (auch) auf ein Erlöschen oder Ruhen des Unterhaltsanspruchs der Beklagten an sich. In diesem Sinn zielte auch sein Berufungsantrag zu Recht nur auf die Einstellung der beiden Anlassexekutionen (soweit sie zur Hereinbringung des Unterhaltsrückstands geführt wurden) ab. Dieses Rechtsschutzziel hatte der Kläger jedoch aufgrund der von ihm geleisteten Vollzahlung des betriebenen Rückstands und der im Hinblick darauf erfolgten Einstellung bzw Einschränkung der beiden Exekutionen auf Antrag der Beklagten bereits vor Erhebung seiner Berufung erreicht. Das danach verbleibende bloße Interesse am Zuspruch seiner Kosten des Verfahrens erster Instanz konnte seine Beschwer nicht begründen (RS0041770 [T87]).

[18] 4. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers daher zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Unabhängig davon, ob im Berufungsverfahren überhaupt eine Klageeinschränkung auf Kosten zulässig ist (vgl dazu Pimmer in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 483 ZPO Rz 22), war die Anberaumung einer Berufungsverhandlung, um dem Kläger diese Möglichkeit zu eröffnen, hier jedenfalls entbehrlich. Schließlich hatte er bei Erhebung der Berufung von der– durch die seiner Disposition unterliegende (!) Zahlung veranlassten – Einstellung (Einschränkung) der Anlassexekutionen, also vom Umstand Kenntnis, dass er das mit dem Rechtsmittel verfolgte Rechtsschutzziel ohnehin bereits erreicht hatte. Das Rechtsschutzinteresse fällt zwar im Regelfall erst mit Eintritt der Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses weg (RS0001807). Der Kläger irrt aber, wenn er meint, die (davor zugestellten) „Einstellungsbeschlüsse“ seien bei Erhebung der Berufung noch nicht rechtskräftig gewesen. Denn ein rechtsgestaltender Einstellungsbeschluss nach § 39 Abs 1 Z 6 EO wird bereits mit seiner Zustellung wirksam und rechtskräftig (3 Ob 240/19v).

[19] 5. Entgegen der Ansicht des Klägers stellt § 50 Abs 2 ZPO keine Grundlage für den Zuspruch der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens dar; der nachträgliche Wegfall der Beschwer ist nur bei der Entscheidung über die Rechtsmittelkosten nicht zu berücksichtigen (RS0036102 [T3]). Hat aber der Rechtsmittelwerber – wie hier – den vor Einbringung des Rechtsmittels eingetretenen Wegfall der Beschwer selbst zu vertreten, scheidet ein Kostenersatzanspruch nach § 50 Abs 2 ZPO von vornherein aus (RS0114749).

[20] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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