OGH 3Ob161/21d

OGH3Ob161/21d25.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Dr. Sebastian Schumacher, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei E* AG, *, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 6. Mai 2021, GZ 30 R 61/21t‑16, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 8. Februar 2021, GZ 20 Cg 39/20v‑12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00161.21D.1125.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (hierin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist ein klageberechtigter Verein iSd § 29 KSchG.

[2] Die Beklagte ist eine österreichweit tätige Bank. Sie verwendete in den Jahren 2003 bis 2008 im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern im Rahmen der Vergabe von Fremdwährungskrediten das Informationsblatt „Allgemeine Risiken von Finanzierungen in Fremdwährung“, das (ua) folgenden Text enthält:

Mit der Ausnutzung der durch uns in Euro bzw in Fremdwährung zur Verfügung gestellten Finanzierung in einer von Ihnen gewählten Fremdwährung nützen Sie die Vorteile dieses Marktes. Sie haben sich verpflichtet, den Gegenwert der Finanzierung in der von Ihnen gewählten Fremdwährung rückzuführen.

Da sich die Währungsparitäten (Austauschverhältnis zwischen EUR und der von Ihnen gewählten Fremdwährung) täglich ändern, kann dies bei ungünstiger Entwicklung derselben zu einer in ihrer Höhe nicht vorhersehbaren Mehrbelastung für Sie führen.

Sinkt der Wert der Finanzierungswährung gegenüber dem Euro, so sinkt auch der Euro-Gegenwert der Finanzierungsaushaftung: Für Zinszahlungen und Tilgung des Kapitalbetrages werden in diesem Fall nur geringere Eurobeträge benötigt – so gesehen wird in diesem Fall die Belastung geringer und es kann die Situation eintreten, dass Sie de facto weniger zurückzuzahlen brauchen als Sie an Kapital aufgenommen haben.

Steigt hingegen der Wert der Finanzierungswährung gegenüber dem Euro, so erhöht sich auch der Euro-Gegenwert der Finanzierungshaftung: Für Zinszahlung und Tilgung des Kapitalbetrages werden höhere Euro-Beträge benötigt – in diesem Fall wird die Belastung für Sie höher und es kann der Fall eintreten, dass Sie de facto mehr zurückzahlen müssen, als Sie ursprünglich an Kapital aufgenommen haben. (Klausel 1.1.) […]

Durch Ihre Unterschrift am Finanzierungsvertrag bestätigen Sie, dass Sie auf die Risiken dieses Finanzierungsinstrumentes ausdrücklich hingewiesen wurden und sich der Risikokomponente bewusst sind.(Klausel 1.2.)

[3] Der Kläger begehrte nach Klageausdehnung insbesondere, der Beklagten (ua) die Verwendung der Klauseln 1.1. und 1.2. zu untersagen und ihr zu verbieten, sich darauf zu berufen. Klausel 1.1. sei intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG. Bei Klausel 1.2. handle es sich um eine Tatsachenbestätigung, die gemäß § 6 Abs 1 Z 11 KSchG aufgrund der damit verbundenen Beweislastverschiebung unzulässig sei. Für den Fall, dass Klausel 1.1. für sich genommen nicht als Tatsachenbestätigung gewertet werde, erhob der Kläger ein auf die Unterlassung der Verwendung von Klausel 1.1. in Verbindung mit Klausel 1.2. gerichtetes Eventualbegehren (Klausel 1.4.); diese beiden Klauseln seien in ihrer Gesamtheit intransparent.

[4] Die Beklagte wendete, soweit in dritter Instanz noch von Relevanz, ein, Klausel 1.1. unterliege als bloße Wissenserklärung der Beklagten nicht der Transparenzkontrolle; sie enthalte auch keine Tatsachenbestätigungen. Die Aufklärung sei im Übrigen richtig und ausreichend transparent.

[5] Das Erstgericht trug der Beklagten – von dieser unbekämpft – auf, binnen drei Monaten die Verwendung der Klausel 1.2. sowie einer weiteren Klausel im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Vertragsformblättern zu unterlassen und es weiters zu unterlassen, sich auf diese oder sinngleiche Klauseln zu berufen, soweit diese bereits Inhalt der von ihr mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträge geworden sind. Hingegen wies es das Klagebegehren hinsichtlich Klausel 1.1. sowie das Eventualbegehren ab. Das Informationsblatt enthalte im Umfang der Klausel 1.1. für sich genommen weder Willenserklärungen noch Tatsachenbestätigungen des Verbrauchers, sodass eine Inhaltskontrolle iSd § 6 Abs 3 KSchG ausscheide.

[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen die Abweisung des Hauptbegehrens hinsichtlich Klausel 1.1. und des Eventualbegehrens nicht Folge. Klausel 1.1. enthalte weder Willenserklärungen noch Tatsachenbestätigungen des Verbrauchers; vielmehr kläre die Beklagte den Verbraucher darin in allgemeiner Form über das Währungs‑ bzw Wechselkursrisiko auf. Ob die Beklagte mit den im Informationsblatt enthaltenen Risikoinformationen ihrer Aufklärungspflicht ausreichend nachgekommen sei, sei nicht im Verbandsverfahren, sondern nur im Individualverfahren zu klären. Klausel 1.1. enthalte auch keine unrichtige Aufklärung über die Rechtslage, die dem Verbraucher ein falsches Bild vermitteln und ihn von der Durchsetzung seiner Rechte abhalten könnte. Mit den darin enthaltenen Informationen werde dem Verbraucher das Wechselkursrisiko nicht aufgebürdet. Auch das Eventualbegehren sei unberechtigt, weil für eine neuerliche Untersagung der Verwendung der Klausel 1.2. gemeinsam mit der im Verbandsverfahren nicht zu beanstandenden Risikoaufklärung „Klausel 1.1.“ kein Anlass bestehe.

[7] Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass die von der Beklagten verwendeten und inhaltsgleiche Informationsblätter für zahlreiche Verbraucher von Bedeutung seien und der Oberste Gerichtshof bisher zur Möglichkeit der Inhaltskontrolle bei solchen Informationsblättern noch nicht Stellung genommen habe.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

[9] 1.1. Gemäß § 28 Abs 1 KSchG kann auf Unterlassung geklagt werden, wer im geschäftlichen Verkehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die er von ihm geschlossenen Verträgen zugrunde legt, oder in hiebei verwendeten Formblättern für Verträge Bedingungen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen, oder wer solche Bedingungen für den geschäftlichen Verkehr empfiehlt.

[10] 1.2. Gegenstand einer solchen Unterlassungsklage sind nach ständiger Rechtsprechung nur Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen bei Abschluss eines Vertrags stellt und die seinen Inhalt determinieren (vgl RS0131601). Eine Formulierung ist grundsätzlich unbedenklich, wenn sie keine Willenserklärung des Verbrauchers enthält, sondern bloß dessen Aufklärung dient (2 Ob 155/16g [P 4.6] mwN = RS0131601 [T3]).

[11] 1.3. Anderes gilt für sogenannte Tatsachenbestätigungen: Dabei handelt es sich um eine widerlegbare Erklärung des Verbrauchers über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Tatsache (vgl RS0121955). Nach der Judikatur unterliegen auch solche Tatsachenbestätigungen der Klauselkontrolle, wenn sie zu einer unzulässigen Verschiebung der Beweislast oder zumindest im Ergebnis zu dieser Wirkung führen (vgl 1 Ob 57/20y [P 7]) oder wenn es sich um völlig unklare Tatsachenbestätigungen zu Lasten des Verbrauchers handelt, die ihn von der Durchsetzung seiner Rechte abhalten können (vgl 1 Ob 113/17z [P 4]).

[12] 1.4. Ist ein Warnhinweis hingegen nicht dazu bestimmt, die vertragliche Beziehung zwischen der Beklagten und ihren Kunden zu regeln und hat er auf die daraus resultierenden wechselseitigen Rechte und Pflichten keinen Einfluss, so ist er von der Inhalts‑ und Geltungskontrolle von AGB im Rahmen des Verfahrens nach den §§ 28 f KSchG nicht umfasst (2 Ob 184/20b mwN).

[13] 2. Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung sind die Vorinstanzen nicht abgewichen, indem sie in Klausel 1.1. eine bloße Wissenserklärung der Beklagten erblickten (vgl auch 2 Ob 184/20b zu einem vergleichbarenInformationsblatt einer anderen Bank).

[14] 3. Nichts anderes kann für die Abweisung des Eventualbegehrens hinsichtlich Klausel 1.1. gelten. Soweit in der (aus den Klauseln 1.1. und 1.2. kombinierten) Klausel 1.4., eine Tatsachenbestätigung (nämlich im Umfang der Klausel 1.2.) enthalten ist, wurde sie ohnehin bereits vom Erstgericht für unzulässig erklärt. Daran, dass Klausel 1.1. nicht von der Inhalts‑ und Geltungskontrolle von AGB im Rahmen des Verfahrens nach den §§ 28 f KSchG erfasst ist, kann sich auch durch ihre Kombination mit Klausel 1.2. nichts ändern.

[15] 4. Die vom Kläger zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht ins Treffen geführte Entscheidung des EuGH vom 10. Juni 2021 in den verbundenen Rechtssachen C‑776/19 bis C‑782/19 , BNP Paribas Personal Finance SA, ist hier schon deshalb nicht einschlägig, weil sie nicht in einem Klauselprozess, sondern in Individualverfahren erging. Die vom Kläger hervorgehobene Aussage in Rn 72 dieser Entscheidung (zur gebotenen Transparenz der dem Kreditnehmer übermittelten Risikoinformationen) bezieht sich daher nur auf die – im Klauselprozess aber, anders als im Individualprozess, gerade nicht zu prüfende – Frage der ausreichenden Risikoaufklärung eines konkreten Verbrauchers. Damit ist aber auch die vom Kläger angeregte Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens zu diesem Thema entbehrlich.

[16] 5. Durch die vom Kläger bemängelte Setzung einer Leistungsfrist für die Befolgung des Unterlassungsurteils (vgl dazu jüngst 1 Ob 93/21i) ist der Revisionswerber nicht mehr beschwert: Der dem Klagebegehren stattgebende Teil des Ersturteils ist von der Beklagten unbekämpft in Rechtskraft erwachsen. Damit war aber die vom Erstgericht gesetzte Leistungsfrist der Beklagten gegenüber bereits im Zeitpunkt der Einbringung des Antrags nach § 508 ZPO und der damit verbundenen ordentlichen Revision abgelaufen.

[17] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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