OGH 3Ob150/98z

OGH3Ob150/98z24.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann C*****, vertreten durch Dr. Ernst Gruber, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Reinhard M*****, vertreten durch Dr. Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rechnungslegung, Zahlung und Feststellung (Streitwert S 5,100.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25. März 1998, GZ 13 R 234/97w-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 3. Oktober 1997, GZ 12 Cg 43/97z-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Urteil des Erstgerichtes vom 21. 6. 1993, 28 Cg 276/92-8, wurde eine Klage des nunmehrigen Klägers gegen den nunmehrigen Beklagten "zurückgewiesen", weil das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes ob der Liegenschaft EZ 2329 KG ***** S***** zugunsten des Klägers einzuwilligen, "weder exekutierbar noch grundbuchsfähig" sei.

Der nunmehrige Kläger brachte weiters gegen den nunmehrigen Beklagten eine Klage auf Ausfolgung eines Rangordnungsbeschlusses und Unterfertigung eines Kaufvertrags betreffend eine bestimmte Liegenschaft ein, die mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 30. März 1995, 15 Cg 329/93z-25, abgewiesen wurde. Dort brachte der Kläger vor, der Beklagte habe ihm mit Vereinbarung vom 10. 10. 1988 das Recht eingeräumt, diese Liegenschaft zu einem Preis, der dem zum Kaufvertragsstichtag aushaftenden Saldo der beiden auf der Liegenschaft lastenden Finanzierungsdarlehen samt Zinsen und Kosten entspreche, zu kaufen und sie mit sämtlichen Rechten und Pflichten zu übernehmen; der Kaufpreis sollte vom Beklagten zur Abdeckung der beiden Finanzierungsdarlehen verwendet werden. Der Kläger wiederum habe sich verpflichtet, diese Liegenschaft spätestens am 31. 12. 1993 zu den festgelegten Bedingungen käuflich zu erwerben. Weiters habe sich der Beklagte verpflichtet, über Aufforderung Rangordnungsgesuche für die beabsichtigte Veräußerung dieser Liegenschaft beglaubigt zu unterfertigen, um dem Kläger die grundbücherliche Anmerkung der Rangordnung zu ermöglichen, wobei der Kläger die Kosten zu tragen habe. Der Beklagte habe sich jedoch in der Folge vereinbarungswidrig und trotz Aufforderung durch den Kläger geweigert, ein Rangordnungsgesuch zu unterfertigen, dem Kläger diese Liegenschaft zu verkaufen und die zur Einverleibung notwendige Urkunde (Kaufvertrag samt Aufsandungserklärung) zu unterfertigen.

Der Kläger erhebt nun die Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig,

1. ihm über die Treuhandschaft hinsichtlich der Liegenschaft, die schon den Gegenstand der Vorverfahren bildete, insbesondere hinsichtlich des beim Verkauf dieser Liegenschaft erzielten Preises und seiner Aufwendungen durch die Treuhänderstellung, Rechnung zu legen und einen Eid dahin zu leisten, dass die Rechnungslegung richtig und vollständig ist; 2. ihm den auf Grund der vorangeführten Rechnungslegung sich als Überschuss aus dieser Treuhandschaft ergebenden Geldbetrag zu bezahlen; 3. ihm S 5,000.000 samt 12 % Zinsen seit 1. 1. 1994 abzüglich der Treuhandgelder gemäß Punkt 1. und 2. des Klagebegehrens zu bezahlen. Weiters erhebt der Kläger das Begehren auf Feststellung, dass ihm der Beklagte für sämtliche Schäden aus der Nichterfüllung des mit 31. 12. 1993 zustandegekommenen Kaufvertrages gemäß Vereinbarung vom 10. 10. 1988 hafte.

Der Kläger brachte vor, er sei gemäß Vereinbarung vom 10. 10. 1988 Treugeber, der Beklagte Treuhänder hinsichtlich der Liegenschaft, dies samt den im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung getroffenen vertraglichen Absprachen. Er stütze die Klage auch auf Schadenersatz infolge Nichterfüllung und Vereitelung der Erfüllung des mit 31. 12. 1993 zustandegekommenen Vertrages auf Übereignung dieser Liegenschaft gemäß Vereinbarung vom 10. 10. 1988. Die Klage werde nicht auf die Option gemäß Abs 2 dieser Vereinbarung, sondern auf den bereits vorliegenden bindenden Kaufvertrag gemäß Abs 3 Satz 1 dieser Vereinbarung gestützt. Aus dem dritten Absatz zweiter Satz der Vereinbarung vom 10. 10. 1988 ergebe sich, dass die im Innenverhältnis vereinbarte Treuhandschaft mit 31. 12. 1993 befristet gewesen sei. Mit 31. 12. 1993 sollte daher die Treuhandliegenschaft rücküberführt werden; sie sollte auch im Außenverhältnis auf ihn umgeschrieben werden, wenn er keinen anderen Erwerber namhaft mache. Dieser klagbare Anspruch sei ihm in diesem Vertrag vom 10. 10. 1988 eingeräumt worden. Der Beklagte sollte die Liegenschaft wegen Wegfalls des Rechtsgrundes für das Behalten des Eigentumsrechtes an ihn (den Kläger) in derjenigen Weise übereignen, dass er nach außen einen Scheinrechtsgrund in Form eines Kaufvertrages angeben sollte und auf diese Weise im Grundbuch der Eigentumsübergang an ihn (den Kläger) infolge Erlöschens der Treuhandschaft dargestellt werden sollte. Der Beklagte habe jedoch im Jahr 1993 von vornherein wiederholt erklärt, dass er keinesfalls zu einer solchen Rückgabe der Liegenschaft, unter welchen Bedingungen auch immer, bereit sei; so habe er diese grundbücherliche Abwicklung der Treuhandschaft von vornherein vereitelt. Infolge des Erlöschens des Rechtsgrundes der Treuhandschaft sei das Grundbuch unrichtig; er (der Kläger) sei automatisch Eigentümer geworden; jedenfalls sei er aber im Innenverhältnis so zu behandeln gewesen, als wäre er mit 31. 12. 1993 im Grundbuch als Eigentümer eingetragen worden. Er habe die Mittel zur Abdeckung der Lasten bereit gehalten, habe sie aber nicht einsetzen können, weil der Beklagte jegliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei der Herstellung der grundbuchsfähigen Urkunden und damit auch bei der Abwicklung der Rückführung der Treuhandschaft von vornherein verweigert habe. Der Beklagte habe im Jahr 1993 und danach mit solchem "Bestemm" erklärt, dass er überhaupt nicht daran denke, die Vereinbarung vom 10. 10. 1988 über die befristete Treuhandschaft einzuhalten, weil er sie seiner Meinung nach wirksam aufgekündigt habe, weshalb Abwicklungsschritte aussichtslos erschienen seien. Der Beklagte habe eben klar zum Ausdruck gebracht, dass er jegliche Abwicklung vereiteln würde. Die Rechtskraftwirkung liege nicht vor, weil sich die bisherigen Verfahren nicht mit dem Anspruch auf Eigentumserwerb bzw mit seinem Eigentumserwerb infolge Befristung der Treuhandschaft mit 31. 12. 1993 auseinandergesetzt hätten, auch nicht mit der Verpflichtung des Beklagten, zu diesem Termin einen Kaufvertrag zur Darstellung seines Eigentumserwerbs infolge Erlöschens der Treuhandschaft zu errichten. Die Urkunde vom 10. 10. 1988 sei insofern ein Beweis für das Vorliegen der Treuhandschaft, als sie diese sehr deutlich andeute, im übrigen aber nur regle, wie im Außenverhältnis die Rechtsfolge der Treuhandschaft verdeckt dargestellt werden sollte oder solle. Die bisherigen Entscheidungen hätten sich nur mit der Darstellung der Rechtsfolgen durch Optionen befasst bzw der Annahme solcher Optionen. Nicht jedoch hätten sich alle Vorentscheidungen damit befasst, was eben bei Beendigung der Treuhandschaft mit 31. 12. 1993 zu geschehen habe.

Die Liegenschaft sei für den Beklagten insofern wieder verfügbar, als der derzeitige Eigentümer bereit sei, sie um S 7,500.000 zu verkaufen; der Kaufvertrag könne daher erfüllt werden.

Der Beklagte wendete ein, bereits die Vorentscheidungen (insbesondere das Urteil 15 Cg 329/93z des Landesgerichtes für ZRS Wien) hätten sich sowohl mit Treuhandschaft als auch mit Option auseinandergesetzt und in bindender Form festgelegt, dass eine aus dem Verschulden des Klägers abgelaufene Option vorgelegen sei. Die nunmehrige Klage stelle den Versuch dar, das Prinzip ne bis in idem zu unterlaufen.

Das Erstgericht wies die Klage ab; es vertrat die Rechtsansicht, infolge der Bindungswirkung sei es ausreichend, die im Vorprozess 15 Cg 329/93z des Landesgerichtes für ZRS Wien getroffenen Feststellungen zu wiederholen. Es sei davon auszugehen, dass auch ohne Identität der Begehren ein Urteil im Vorprozess zwischen denselben Parteien zufolge seiner materiellen Rechtskraft zur inhaltlichen Bindung des später entscheidenden Gerichtes führen könne, wenn der rechtserzeugende Sachverhalt identisch sei und ein so enger Zusammenhang zwischen den Prozessen bestehe, dass die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben in beiden Fällen zur entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatten (RZ 1977/49). Diese über die eigentliche Rechtskraftwirkung hinausgehende Bindung aus dem Sinnzusammenhang schließe die Verhandlung, Beweisaufnahme und neuerliche Prüfung des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs aus, nicht aber auch die Verhandlung und Entscheidung über das neue Klagebegehren. Der Richter habe dabei von dem rechtkräftig entschiedenen Anspruch auszugehen und ihn ohne weiteres der neuen Entscheidung zugrundezulegen.

Im Vorprozess 15 Cg 329/93z des Landesgerichtes für ZRS Wien sei festgestellt worden, dass die Streitteile am 10. 10. 1988 einen Optionsvertrag geschlossen hätten, der Kläger seine Rechte aus diesem Optionsvertrag verwirkt habe und der Beklagte somit nicht zur Übereignung dieser Liegenschaft verpflichtet gewesen sei. Mit dieser Vorentscheidung sei das Vorliegen einer Treuhandschaft, welche sich in keiner Weise aus der Vereinbarung vom 10. 10. 1988 ableiten lasse, verneint worden. Die im Vorprozess getroffenen Feststellungen stünden mit der hier zu entscheidenden Frage (Treuhandschaft oder nicht) in einem solchen engen inhaltlichen Zusammenhang, dass infolge Bindungswirkung die Klage abzuweisen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil es den in Judikatur und Lehre ausgeformten Grundsätzen zur Bindungswirkung gefolgt sei und die Anwendung auf den vorliegenden Einzelfall keine revisionswürdige Frage darstelle. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, der Zivilrichter sei zufolge der Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft an ein rechtskräftiges Urteil eines anderen Zivilgerichtes gebunden. Bindungswirkung bedeute, dass bei der Entscheidung über ein neues, begrifflich aber untrennbar mit der rechtskräftigen Vorentscheidung zusammenhängendes Klagebegehren die Verhandlung, die Beweisaufnahme und neuerliche Prüfung des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs ausgeschlossen seien. Liege weder Identität der Begehren, noch das begriffliche Gegenteil vor, so genüge Präjudizialität derart, dass der rechtskräftig entschiedene Anspurch eine Vorfrage, also das bedingte Rechtsverhältnis für den neuen Anspruch sei (Miet 31.701). Präjudizialität liege daher immer dann vor, wenn über den neuen Anspruch nur dann entschieden werden könne, wenn gleichzeitig als Voraussetzung hiefür über den Bestand des bereits rechtskräftigen Anspruchs erkannt werden müsste. Im vorangegangenen Verfahren 15 Cg 329/93z des Landesgerichtes für ZRS Wien sei der Inhalt der Vereinbarung vom 10. 10. 1988 festgestellt und dieser Vertrag als Kaufoption beurteilt worden. Optionsverträge räumten einem Beteiligten das Recht ein, ein inhaltlich schon vereinbartes Rechtsgeschäft durch einseitige Erklärung in Geltung zu setzen. Die Stellung des Optionsberechtigten entspreche hinsichtlich des Hauptvertrages der eines Offertempfängers. Vorliegend bedeute dies, dass im Vorprozess rechtskräftig festgestellt worden sei, dass zwischen den Streitteilen am 10. 10. 1988 eine Vereinbarung getroffen wurde, die den Kläger berechtigte, durch einseitige Erklärung bis spätestens 31. 12. 1993 den vereinbarten Kaufvertrag in Wirksamkeit zu setzen. Der Kläger berufe sich neuerlich auf die Vereinbarung vom 10. 10. 1988. Er qualifiziere diese Vereinbarung einerseits als Treuhandvertrag, der den Beklagten verpflichte, Rechnung zu legen und den Überschuss herauszugeben, andererseits offenbar selbst als Optionsvertrag, weil er das Begehren ableite, der Beklagte sei verpflichtet, für alle Schäden aus der Nichterfüllung des mit 31. 12. 1993 zustandegekommenen Kaufvertrags zu haften. Das Zustandekommen eines Kaufvertrags zwischen den Streitteilen auf Grund der Vereinbarung vom 10. 10. 1988 sei im Vorprozess rechtskräftig verneint worden, weshalb der Kläger diese Frage nicht neuerlich aufrollen könne. Aber auch der Qualifikation als Treuhandvertrag stünden die bindenden Feststellungen des Vorprozesses entgegen. Die Annahme eines Treuhandvertrages würde bedeuten, die bereits im Sinne eines Optionsvertrages rechtskräftig entschiedene Vorfrage für die Verpflichtungen des Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit anders zu lösen. Auf Grund der Bindungswirkung sei es dem Erstgericht verwehrt gewesen, zum vorgetragenen Sachverhalt neuerlich Beweise aufzunehmen.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zuläsig, weil das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Bindungswirkung von zivilgerichtlichen Urteilen abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Erstgerichtes vom 30. 3. 1995, 15 Cg 329/93z-25, hat entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes keine Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren.

Die Bindungswirkung eines zivilgerichtlichen Urteils wird primär aus der materiellen Rechtskraft abgeleitet. Nach § 411 ZPO sind Urteile der Rechtskraft insoweit teilhaft, als darin über einen durch Klage oder Widerklage geltend gemachten Anspruch oder über ein Rechtverhältnis oder Recht entschieden wurde, dessen Feststellung gemäß § 236 ZPO oder gemäß § 259 ZPO begehrt wurde. Die objektiven Grenzen der Rechtskraft, die Auskunft über die Entscheidungwirkungen in sachlicher Hinsicht geben, werden somit gemäß § 411 ZPO auf den durch Klage oder Widerklage geltend gemachten "Anspruch" bezogen. Nach der Theorie vom zweigliedrigen Streitgegenstand versteht die herrschende Ansicht darunter das Tatsachenvorbringen als rechtserzeugenden Sachverhalt (den Klagegrund) in Verbindung mit dem daraus abgeleiteten Klagebegehren. Die Bindungswirkung wird jedoch, soweit sie sich als Funktion der objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft darstellt, im Kern auf den Spruch der Entscheidung beschränkt. Deren Gründe bleiben von der Bindungswirkung gewöhnlich ausgegrenzt. Das gilt gerade auch für jene Tatsachenfeststellungen, die sich auf den geltend gemachten rechtserzeugenden Sachverhalt (den Klagegrund) beziehen. Den Klagegrund definieren jedoch häufig auch Tatsachenbehauptungen zu Vorfragen, ohne deren Lösung eine Entscheidung über das Klagebegehren nicht möglich wäre. Auch die Verfahrenspraxis belegt, dass der Gegenstand einer Entscheidung durch den Spruch allein nur selten individualisiert werden kann. Dessen Auslegung erfordert daher oft die Heranziehung der ihn tragenden Gründe. Innerhalb ihrer objektiven Grenzen muss sich somit die materielle Rechtskraft jedenfalls so weit auf die Entscheidungsgründe erstrecken, als diese der Individualisierung des Urteilsspruchs dienen, weil sich nur dann der Umfang der Rechtskraft überhaupt erst bestimmen läßt (verstärkter Senat SZ 70/60 mit eingehendem Nachweis von Lehre und Rsp).

Dass die Entscheidungsgründe zur Auslegung und Individualisierung des rechtskräftigen Anspruches heranzuziehen sind, gilt insbesondere, wenn der Umfang der Rechtskraftwirkung (Bindungswirkung) eines abweisenden Urteiles festgestellt werden soll (Burgstaller, Zur Bindungswirkung von Säumnisentscheidungen, JBl 1999, 563 [566]).

Die für die Annahme der Bindungswirkung vorausgesetzte Identität des Anspruchs ist hier jedoch nicht gegeben. Der Kläger hat schon in der von ihm nun eingebrachten Klage darauf hingewiesen, er stütze sich unmittelbar auf einen mit dem Beklagten auf Grund der Vereinbarung vom 10. 10. 1988 für den Fall der Beendigung der Treuhandschaft zustandegekommenen Kaufvertrag bzw auf die Ansprüche aus der Beendigung der Treuhandschaft; der Anspruch werde nicht darauf gestützt, dass dem Kläger in dieser Vereinbarung ein Optionsrecht eingeräumt worden sei, das er ausgenützt habe. Ein identisches Tatsachenvorbringen wurde somit in beiden Verfahren nicht erstattet.

Ungeachtet unterschiedlichen tatsächlichen Vorbringens im ersten und im zweiten Prozess ist jedoch die Identität der Streitgegenstände dann nicht zu verneinen, wenn das Vorbringen im zweiten Prozess, wäre es bereits im Vorprozess erstattet worden, keine Klageänderung dargestellt hätte (SZ 48/113).

Diese Situation liegt hier jedoch nicht vor; während nunmehr für die Berechtigung der Klage als Vorfrage zu beurteilen ist, ob am 10. 10. 1988 die vom Kläger nun behauptete Vereinbarung getroffen wurde, war im Vorverfahren maßgeblich, ob am 10. 10. 1988 die damals vom Kläger behauptete Optionsvereinbarung getroffen wurde und ob der Kläger in der Folge die weitere, für die Begründung der klagsweise geltend gemachten Ansprüche erforderliche Optionerklärung abgegeben hatte.

In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes findet sich in einer langen Entscheidungskette (RIS-Justiz RS0041157; siehe hiezu verstärkter Senat SZ 70/60) der Rechtssatz, auch mangels Identität des Begehrens könne ein Urteil eines Vorprozesses zufolge seiner materiellen Rechtskraft zur inhaltlichen Bindung des später entscheidenden Gerichtes führen, insbesondere wenn Parteien und rechtserzeugender Inhalt identisch sind und beide Prozesse in einem so engen inhaltlichen Zusammenhang stehen, dass die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben in beiden Fällen entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatten.

Dagegen reicht es nach einer anderen, jüngeren Judikaturkette (SZ 68/2; SZ 69/54; Miet 48.645; 5 Ob 2152/96y; 7 Ob 106/98h ua) nicht aus, dass eine im Vorprozess relevante Vorfrage auch eine solche des späteren Prozesses ist. Wenn eine bestimmte Tatsache aber im Vorprozess nicht den Hauptgegenstand des Verfahrens bildete, sondern lediglich eine Vorfrage darstellte, komme der Entscheidung dieser Vorfrage im Vorprozess keine bindende Wirkung im folgenden zu. In diesen Entscheidungen wird der überwiegenden Lehre (siehe die Literaturübersicht in verstärkter Senat SZ 70/60) gefolgt.

Peter Böhm, Der Streitgegenstandsbegriff des EuGH und seine Auswirkungen auf das österreichische Recht, in Bajons/Mayr/Zeiler,

Die Übereinkommen von Brüssel und Lugano 141 (155 ff) vertritt die These, die nationale Rechtskraftlehre müsse mit den Vorgaben der Art 21 und 22 EuGVÜ bzw LGVÜ abgestimmt werden. Wenn nämlich bei sachlicher Unvereinbarkeit eines an sich zu beachtenden ausländischen Urteils mit einem früheren inländischen Richterspruch die ausländische Entscheidung nicht anzuerkennen und zu vollstrecken sei, so müsse das wohl auch gegenüber einem späteren inländischen Erkenntnis im gleichen Ausmaß zutreffen. Andernfalls wäre der spätere inländische Richterspruch gegenüber dem späteren ausländischen Urteil privilegiert. Das verstieße aber gegen den Grundsatz der Gleichstellung von inländischer und ausländischer Entscheidung im Rahmen der europäischen Verträge. Umgekehrt erfordere der verfassungsgesetzlich verankerte Gleichheitssatz aber wohl auch, dass dem inländischen Urteil intern nicht geringere Wirkungen zukomme als einem ausländischen Urteil. Somit würden alle diese normativen Vorgaben zu einem grundlegenden Überdenken der traditionell engen österreichischen (wie auch deutschen) Rechtskraftlehre zwingen.

Auch Burgstaller, Zur Bindungswirkung von Säumnisentscheidungen, JBl 1999, 563 (566) meint, für die österreichische Auffassung von Streitgegenstand und Bindungswirkung stelle sich nun die Frage, ob sie mit dem europäischen Recht koordiniert werden sollte. Dafür spreche, dass es letztlich unerträglich wäre, inländischen Urteilen eine geringere Bindungswirkung zuzubilligen als ausländischen.

Im vorliegenden Fall ist zu der in der jüngsten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (insbes SZ 70/261; 9 ObA 205/98g; 7 Ob 106/98h) nicht einheitlich beurteilen Frage der objektiven Grenzen der Rechtskraft bei der Bindungswirkung von Vorentscheidungen nicht Stellung zu nehmen. Nach jeder der soeben referierten Ansichten ist nämlich im vorliegenden Fall entgegen der Rechsansicht des Berufungsgerichtes eine Bindung an das im Verfahren 15 Cg 329/93z des Landesgerichtes für ZRS Wien ergangene Urteil zu verneinen. Dort war nämlich, wie bereits ausgeführt, nicht zu prüfen, ob sich unmittelbar aus der Vereinbarung vom 10. 10. 1988 der nun geltend gemachte, aus der Beendigung der Treuhandschaft abgeleitete Anspruch ergibt. Die Annahme einer Optionsvereinbarung schließt auch nicht denknotwendig aus, dass gleichartige Ansprüche aus der Beendigung der Treuhandschaft entstanden sein können, was die Überlegung zeigt, dass auch die Option zur Abwicklung des Treuhandverhältnisses vereinbart worden sein könnte. Im Vorverfahren war all dies schon deshalb nicht zu prüfen, weil es an einem entsprechenden Vorbringen fehlte.

Aus dem im Verfahren 28 Cg 276/92 des Landesgerichtes für ZRS Wien ergangenen Urteil ergibt sich für das nunmehrige Verfahren schon deshalb keine Bindungswirkung, weil die Klage mit der Begründung "zurückgewiesen" wurde, das Klagebegehren sei weder exekutierbar noch grundbuchsfähig.

In Stattgebung der Revision des Klägers waren daher die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben; dem Erstgericht wird es obliegen, im Beweisverfahren die Parteienvereinbarungen zu klären.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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