European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00150.16D.0922.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs und der Rekurs werden zurückgewiesen.
Die verpflichtete Partei ist schuldig, der betreibenden Partei die mit 833,88 EUR (hierin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Mit Beschluss vom 31. August 2015 bewilligte das Erstgericht der Betreibenden gegen die Verpflichtete aufgrund eines Zahlungsbefehls die Exekution zur Sicherstellung der titulierten Forderung von 9.718,32 EUR sA durch Vormerkung eines Zwangspfandrechts ob der Liegenschaft der Verpflichteten, nachdem diese – nach Zurückweisung ihres Einspruchs gegen den Zahlungsbefehl als verspätet – die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist beantragt hatte.
Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2015 (ON 3) beantragte die Verpflichtete die Einstellung der Exekution gemäß § 39 Abs 1 Z 1 EO, weil der Exekutionstitel mittlerweile – durch Stattgebung ihres (primär erhobenen) Rekurses gegen die Zurückweisung des Einspruchs – außer Kraft getreten sei.
Das Erstgericht wies diesen Antrag mit Beschluss vom 5. Jänner 2016 (ON 4) mit der Begründung zurück (richtig: ab), dass mit der von der Verpflichteten vorgelegten Rekursentscheidung zwar dem Titelgericht die gesetzmäßige Behandlung des Einspruchs gemäß §§ 440 ff ZPO aufgetragen, der Zahlungsbefehl aber nicht aufgehoben worden sei.
Diesen Beschluss „berichtigte“ das Erstgericht mit Beschluss vom 11. Jänner 2016 (ON 5) dahin, dass dieser „als nichtig aufgehoben ist“, und stellte die Sicherstellungsexekution antragsgemäß nach § 39 Abs 1 Z 1 EO ein.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluss infolge Rekurses der Betreibenden ersatzlos auf. Der Beschluss ON 4 war in der Zwischenzeit unbekämpft in Rechtskraft erwachsen.
Nach Zustellung der Rekursentscheidung beantragte die Verpflichtete neuerlich die Einstellung der Exekution, weil der Zahlungsbefehl gemäß § 249 Abs 1 ZPO außer Kraft getreten sei (ON 12).
Vor der Entscheidung des Erstgerichts über diesen Antrag beantragte die Betreibende die Anmerkung der Rechtfertigung des vorgemerkten Zwangspfandrechts, weil der der Sicherstellungsexekution zugrundeliegende Titel nunmehr rechtskräftig und vollstreckbar sei (ON 13).
Das Erstgericht wies den Antrag der Verpflichteten ON 12 mit Beschluss vom 17. März 2016 (ON 14) mit der Begründung ab, dass § 39 Abs 1 Z 1 EO durch § 376 Abs 1 Z 3 EO „ersetzt“ sei. Durch die „Aufhebung des Zahlungsbefehls“ (gemeint: Erhebung des rechtzeitigen Einspruchs) bestehe zwar der der Exekution zugrundeliegende Titel nicht mehr, die Forderung sei aber nicht iSd § 376 Abs 1 Z 3 EO der Betreibenden aberkannt oder als erloschen festgestellt worden.
Mit Beschluss vom 6. April 2015 (einjournalisiert als ON 13) bewilligte es den Antrag der Betreibenden ON 13.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Verpflichteten gegen den Beschluss ON 14 mit der Maßgabe nicht Folge, dass der Antrag ON 12 wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückgewiesen werde. Da die Verpflichtete den Beschluss ON 4 nicht angefochten habe, sei es ihr nach dem Grundsatz „ne bis in idem“ verwehrt, bei unveränderter Sach‑ und Rechtslage einen neuerlichen gleichartigen Einstellungsantrag zu stellen.
Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung für zulässig, weil es zum Umfang der Bindungswirkung von abweisenden Entscheidungen über Einstellungsanträge und zum Verhältnis zwischen § 39 Abs 1 Z 1 und § 376 Abs 1 Z 3 EO nur einige wenige ältere höchstgerichtliche Entscheidungen gebe.
Dem Rekurs der Verpflichteten gegen den Beschluss ON 13 gab das Rekursgericht dahin Folge, dass es dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den Antrag ON 13 nach „Verfahrensergänzung“ – nämlich der Beischaffung des mit dem Antrag ON 13 vorgelegten und vor Vorlage des Rekurses an die Betreibendenvertreterin zurückgestellten Ausfertigung des Exekutionstitels zur Abklärung der erforderlichen Identität zwischen sichergestellter und gerechtfertigter Forderung – auftrug. Der Antrag auf Anmerkung der Rechtfertigung sei nämlich nur insoweit berechtigt, als das vorgemerkte und das gerechtfertigte Recht ident seien. Ob dies der Fall sei, könne das Rekursgericht derzeit nicht überprüfen.
Das Rekursgericht ließ den Rekurs gegen diese Entscheidung mit der Begründung zu, dass keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu der über den Anlassfall hinaus bedeutenden Frage vorliege, ob es bei der Rechtfertigung auch bei einem bedingten Zahlungsbefehl iSd § 376 Abs 1 Z 3 EO nur auf den Fortbestand der gesicherten Geldforderung ankomme, oder ob in dieser Konstellation auf den Fortbestand des Exekutionstitels abzustellen sei.
Sowohl der Revisionsrekurs als auch der Rekurs der Verpflichteten sind entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
1. Zum Revisionsrekurs:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Entgegen der Ansicht der Verpflichteten hat das Rekursgericht die „Zurückweisung“ des ersten Einstellungsantrags (ON 4) zutreffend als in Wahrheit inhaltliche (abweisende) Entscheidung beurteilt. Aus der Begründung (des Erstgerichts) ergibt sich nämlich klar, dass es das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs 1 Z 1 EO inhaltlich prüfte und – in Verkennung der Rechtslage (§ 249 Abs 1 ZPO) – die „Aufhebung“ des den Exekutionstitel bildenden Zahlungsbefehls verneinte.
1.2. Die Verpflichtete hat diesen Beschluss nicht bekämpft, sodass er ungeachtet seiner inhaltlichen Unrichtigkeit in Rechtskraft erwachsen ist. Es kann keine Rede davon sein, dass der Verpflichteten angesichts des noch innerhalb der Rekursfrist gefassten „Berichtigungsbeschlusses“ (ON 5) des Erstgerichts die Beschwer für die Erhebung eines Rekurses gefehlt hätte. Die formelle Beschwer der Verpflichteten durch die Abweisung ihres Antrags wäre nur dann nachträglich weggefallen, wenn der Beschluss ON 5 in Rechtskraft erwachsen wäre, was allerdings nicht geschehen ist. Das weitere Argument der Verpflichteten, sie habe den Beschluss ON 5 auch deshalb nicht bekämpfen können, weil er keine materiell-rechtliche Entscheidung enthalten habe, ist ebenfalls nicht stichhaltig; sind doch auch formelle (Zurückweisungs‑)Beschlüsse grundsätzlich anfechtbar (§ 65 Abs 1 EO).
1.3.
Nach ständiger Rechtsprechung ist als Teil der Bindungswirkung der Rechtskraft (§ 411 ZPO) die Präklusionswirkung anerkannt: Durch die Rechtskraft der Entscheidung ist auch das Vorbringen aller Tatsachen ausgeschlossen, die zur Begründung oder Widerlegung des entschiedenen Anspruchs rechtlich erforderlich waren und schon bei Fällung der Entscheidung (bzw bei Urteilen bei Schluss der mündlichen Verhandlung) bestanden haben (
RIS‑Justiz
RS0041321 [T8]).
Identität des Anspruchs liegt vor, wenn das neu gestellte Begehren sowohl inhaltlich die selbe Leistung, Feststellung oder Rechtsgestaltung fordert, wie sie bereits Gegenstand des rechtskräftigen Vorerkenntnisses war, als auch die zur Begründung des neuen Begehrens vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen dieselben sind, auf die sich auch die rechtskräftige Entscheidung gründet, sodass sie auch zwangsläufig dieselbe rechtliche Beurteilung zur Folge haben müssen (RIS‑Justiz RS0041229).
1.4. Wie bereits das Rekursgericht zutreffend erkannte, stützte die Verpflichtete beide auf Einstellung der Exekution und Löschung des vorgemerkten Zwangspfandrechts abzielenden Anträge auf das Außerkrafttreten (die „Aufhebung“) des Zahlungsbefehls infolge rechtzeitiger Erhebung des Einspruchs, also auf dieselben rechtserzeugenden Tatsachen. Demgemäß wurde der zweite Einstellungsantrag im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung wegen des Prozesshindernisses der rechtskräftig entschiedenen Sache zurückgewiesen.
2. Zum Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss:
2.1. Da der auf § 39 Abs 1 Z 1 EO gestützte Einstellungsantrag der Verpflichteten rechtskräftig abgewiesen und ein Antrag auf Einstellung analog § 376 Abs 1 Z 4 EO nicht gestellt wurde, kann bei der Entscheidung über den Antrag auf Anmerkung der Rechtfertigung nicht mehr wahrgenommen werden, dass die Sicherstellungsexekution einzustellen gewesen wäre.
2.2. Die Verpflichtete rügt in ihrem Rekurs lediglich, das Rekursgericht hätte aussprechen müssen, dass mit der Entscheidung über den Antrag auf Anmerkung der Rechtfertigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Einstellungsantrag „zuzuwarten“ gewesen wäre. Sie greift also die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob in einer Konstellation wie der hier vorliegenden bei der Entscheidung über den Antrag auf Anmerkung der Rechtfertigung darauf abzustellen ist, ob der Titel (hier also der Zahlungsbefehl) vollstreckbar geworden ist, oder ob es iSd § 376 Abs 1 Z 3 EO ausreicht, dass (nur) die mit der dem Zahlungsbefehl zugrunde liegenden Klage geltend gemachte Forderung dem Gläubiger nicht rechtskräftig aberkannt wurde, gar nicht auf, sondern beharrt darauf, dass ihr Einstellungsantrag zu bewilligen gewesen wäre.
2.3. Auch der Rekurs ist deshalb mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 EO. Das Rechtsmittelverfahren in Exekutionssachen ist zwar grundsätzlich nach wie vor einseitig (RIS‑Justiz RS0118686). Eine der Ausnahmen von diesem Grundsatz besteht allerdings gemäß § 65 Abs 3 Z 2 EO für Rechtsmittel gegen Entscheidungen über Einstellungsanträge. Die Betreibende hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035962).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)