Spruch:
Die von einem Elternteil im gerichtlichen Vergleich übernommene Verpflichtung zu einer Unterlassung bei der Ausübung des Rechtes auf persönlichen Verkehr mit den mj. Kindern kann nicht im Wege der Exekutionsführung nach § 355 EO durchgesetzt werden. Abhilfe gegen einen Verstoß ist durch die Anrufung des Außerstreitrichters zu suchen (§ 19 Abs. 1 AußStrG)
OGH 6. Oktober 1982, 3 Ob 140/82 (OLG Linz 5 R 34/82; KG Wels 4 Cg 199/81)
Text
Im Rechtsstreit wegen Ehescheidung verstanden sich die Parteien zu einer einstweiligen Regelung des Rechtes zum persönlichen Verkehr mit ihren Kindern, die in den gerichtlichen Vergleich des Kreisgerichtes Wels vom 24. 6. 1981, 4 Cg 199/81, wie folgt Eingang fand: "2. Die Streitteile vereinbaren nachstehendes vorläufiges Besuchsrecht für die ehelichen Kinder, und zwar in der Form, daß bis zur Rechtskraft der pflegschaftsgerichtlichen Entscheidung zu P 124/81 des Bezirksgerichtes Wels der Mutter ab 27. Juni 1981 und jeweils an den folgenden Samstagen in der Zeit von 8.00 Uhr bis 19.00 Uhr die ehelichen Kinder Till N, geboren am 29. Jänner 1973, Götz N, geboren am 29. Juli 1974, und Veit N, geboren am 4. April 1977, in W, F-Straße Nr. 11, besuchen und auch mitnehmen kann, wobei sie sich verpflichtet, die Kinder nicht in die Wohnung in W, S-Straße Nr. 8, zu nehmen sowie einen Kontakt zwischen den Kindern und Gerhard W zu unterlassen." Dieser für den Fall der Rechtskraft der Scheidung ihrer Ehe geschlossene gerichtliche Vergleich würde mit Eintritt dieser Bedingung am 30. 7. 1981 wirksam und vom Bezirksgericht Wels als Pflegschaftsgericht der mj. ehelichen Kinder auch genehmigt.
Am 28. Dezember 1981 behauptete der Vater, die Mutter habe die Kinder am 25. 12. 1981 mit Gerhard W zusammengebracht, und beantragt, die Exekution nach § 355 EO "zur Erwirkung der Unterlassung des Kontaktes der minderjährigen Till, Götz und Veit N mit Gerhard W durch die Verpflichtete durch Verhängung einer Geldstrafe von 15 000 S" zu bewilligen.
Das Erstgericht bewilligte auf Grund des Vergleiches die Exekution und behielt die Entscheidung über den Bestrafungsantrag dem Exekutionsgericht vor.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Verpflichteten, die sich auf eine Änderung der Grundlagen des Titels durch ihre Eheschließung mit Gerhard W am 14. 10. 1981 und darauf berief, der Exekutionstitel sei zur Erwirkung der Unterlassung nicht geeignet, Folge und wies den Exekutionsantrag ab. Das Rekursgericht sah in dem Vergleichspunkt 2, der durch die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung zum Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung geworden sei, keine Grundlage zur Bewilligung einer Exekution nach § 355 EO zur Erwirkung der Unterlassung einer Handlung, weil zur Durchsetzung das Recht auf persönlichen Verkehr mit den Kindern (§ 148 ABGB) betreffender Ansprüche nur die Zwangsmittel nach § 19 AußStrG geeignet seien. Die Unterlassungsverpflichtung betreffe nicht ausschließlich Interessen des betreibenden Gläubigers, sondern berühre die Interessen der Kinder, die nur im außerstreitigen Verfahren gewahrt werden könnten. Der Antrag könne aber nicht als solcher nach § 19 AußStrG behandelt werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im gerichtlichen Vergleich hat der Vater sein Einverständnis erklärt, daß bis zu einer Regelung durch das Pflegschaftsgericht - offenbar iS des § 177 Abs. 2 und des § 148 Abs. 1 ABGB - die Mutter an jedem Samstag die Kinder an sich nehmen könne, diese aber nicht in ihre Wohnung nehme und einen Kontakt der Kinder mit einem bestimmten Mann unterlasse. Dieser letzten Verpflichtung der Mutter konnte keinesfalls ein eigener Untersagungsanspruch des Vaters zugrunde liegen, weil die Regelung erst nach rechtswirksamer Auflösung der Ehe durch Scheidung wirken sollte und der Vater kein eigenes Recht darauf hatte, daß die Mutter während der Ausübung des vorläufigen Verkehrsrechtes einen Kontakt zwischen den Kindern und einem bestimmten Mann unterlasse. Diese Verpflichtung der Mutter umschreibt nur ein von ihr zugesagtes Vorgehen in der Zeit, in welcher sie über die Betreuung der Kinder bestimmen sollte, und konnte nur in der Vermeidung jeder Beeinträchtigung des Wohls der Kinder begrundet sein. Gegen einen Verstoß der Mutter war Abhilfe durch Anrufung des Pflegschaftsrichters zu suchen, der allein nach § 148 Abs. 1 ABGB die Ausübung des Rechtes, mit dem minderjährigen Kind persönlich zu verkehren, in einer dem Wohl des Kindes (§ 178a ABGB) gemäßen Weise zu regeln hatte. Die neuere Lehre und Rechtsprechung gehen einhellig davon aus, daß das Exekutionsverfahren nach den Vorschriften der Exekutionsordnung zur Durchsetzung von Ansprüchen in den Belangen der Pflege und Erziehung von Kindern ungeeignet ist und dafür ausschließlich die Vollstreckung nach § 19 Abs. 1 AußStrG dient (Heller - Berger - Stix 80 f.; SZ 51/11; EFSlg. 36 909 ua.). Nur so ist auch Gewähr gegeben, daß das Wohl des Kindes auch bei Anordnung von Zwangsmaßnahmen Beachtung findet (EFSlg. 35 106, 37 427; EvBl. 1982/78 ua.). Von der in SZ 31/10 ausgesprochenen Ansicht, ein vor dem Pflegschaftsgericht geschlossener Vergleich könne nicht nach § 19 AußStrG vollzogen werden, ist der OGH bereits abgerückt (EvBl. 1969/267). Das Wort "Verfügung" im § 19 Abs. 1 AußStrG ist nicht eng und buchstäblich auszulegen (Heller - Berger - Stix 81; EvBl. 1969/267). Ob der pflegschaftsgerichtlich genehmigte Vergleich vom 24. Juni 1981, 4 Cg 199/81 des Kreisgerichtes Wels, zur Anordnung angemessener Zwangsmittel wegen des behaupteten Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung ausreicht oder neue Anordnungen durch den Außerstreitrichter geboten sind, ist hier nicht zu untersuchen. Entscheidend ist, daß die Unterlassungsverpflichtung keine selbständige, sondern Teil der Besuchsrechtsregelung ist und daraus kein nach § 355 EO durchsetzbarer Anspruch begrundet wird, weil die Erziehungsrechte der Eltern nichts anderes als zur Ausübung der Erziehungspflicht notwendige Befugnisse sind (EvBl. 1964/422) und in Wahrheit die Kinder Träger der im Vergleich geregelten Rechte sind (Heller - Berger - Stix 81). Gerade die Neuordnung des Kindschaftsrechtes und die bei jeder Maßnahme gebotene Beurteilung des Kindeswohls (§ 178a ABGB) erfordert auch bei der Durchsetzung des Rechtes auf persönlichen Verkehr, also auch der Abwehr die Kinder gefährdenden Verhaltens, wie es etwa darin liegen kann, daß sie mit Dritten zusammengebracht werden, von denen Beeinträchtigungen befürchtet werden, die ausschließliche Befassung des Pflegschaftsrichters. Dies gilt nicht nur, wenn eine unvertretbare Handlung erzwungen werden soll (§ 354 EO), sondern gleichermaßen, wenn ein Elternteil zur Unterlassung einer Handlung im Zusammenhang mit der Verkehrsrechtsausübung verpflichtet ist (§ 355 EO). Die Mittel der Exekutionsordnung versagen hier, weil sie der besonderen Art des Anspruches nicht gerecht werden können. Die Unterlassungsverpflichtung der Mutter ist daher nicht nach § 355 EO vollstreckbar. Besorgt der Vater aus dem Zuwiderhandeln der Mutter Nachteile für die der Rechtsfürsorgetätigkeit des Pflegschaftsgerichtes anvertrauten minderjährigen Kinder, kann er dagegen nur dieses anrufen, das nach Prüfung für die gebotenen Verfügungen und deren Durchsetzung zu sorgen hat. Die Unzulässigkeit der beantragten Exekution hatte das Rekursgericht auf Grund des zulässigen und rechtzeitigen Rechtsmittels der Verpflichteten von Amts wegen zu beachten. Sie führte rechtsrichtig zur Abweisung des Exekutionsantrages des betreibenden Gläubigers, der verkannt hat, daß nicht ihm ein von den Interessen der minderjährigen ehelichen Kinder losgelöster vollstreckbarer Unterlassungsanspruch aus dem gerichtlichen Vergleich entstanden ist.
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