OGH 3Ob595/57

OGH3Ob595/5715.1.1958

SZ 31/10

Normen

Außerstreitgesetz §19
Außerstreitgesetz §19

 

Spruch:

Ein vor dem Pflegschaftsgericht geschlossener Vergleich kann nicht nach § 19 AußStrG. vollzogen werden.

Entscheidung vom 15. Jänner 1958, 3 Ob 595/57.

I. Instanz: Bezirksgericht Fünfhaus; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Ehe der Eltern des mj. Milan D. wurde geschieden; das Kind blieb in Pflege und Erziehung der väterlichen Großeltern in Belgrad. Am 12. Juni 1957 schlossen die Eltern des Kindes mit Zustimmung des Pflegschaftsgerichtes einen Vergleich, in dem sie vereinbarten, daß das Kind in der Zeit vom 1. bis zum 31. Juli 1957 zum vorübergehenden Ferienaufenthalt zur Mutter komme. Die Mutter verpflichtete sich, das Kind am 31. Juli 1957 wieder zurückzustellen; hingegen verpflichtete sich der Vater, das Kind ab 31. Juli 1957 so lange in Österreich zu behalten und mit dem Kinde Österreich nicht zu verlassen, bis eine Regelung über die weitere Unterbringung des Kindes gerichtlich rechtskräftig getroffen oder einvernehmlich zwischen den Beteiligten erzielt worden sei. Der Vater nahm zur Kenntnis, daß bei schuldhafter Unterlassung oder bei Zuwiderhandeln gegen die getroffenen Vereinbarungen gegen ihn gemäß § 19 AußStrG. vorgegangen werde.

Der Vater hielt seine Verpflichtungen aus dem Vergleich nicht ein, weshalb die Mutter am 21. August 1957 beantragte, über den Vater gemäß § 19 AußStrG. eine Arreststrafe, in eventu eine Geldstrafe, zu verhängen. Der hiezu vernommene Vater gab die Nichteinhaltung seiner Verpflichtung zu. Er legte ein ärztliches Zeugnis vor, daß das Kind im Juni 1957 an Anämie und an den Folgen einer rachitischen Erkrankung litt und drei Monate auf Erholung fahren mußte. Er habe dies der Mutter mitgeteilt, eine Einigung mit ihr sei nicht erzielt worden. Das Kind besuche das humanistische Gymnasium in Belgrad. Er beantragte die pflegschaftsbehördliche Genehmigung, daß das Kind weiterhin bei seinen Eltern verbleibe, und zwar wenigstens auf ein Jahr, weil ein Schulwechsel während des Jahres nicht im Interesse des Kindes gelegen sei. Gleichzeitig zog er einen früheren Antrag, ihm das Kind in Pflege und Erziehung zu übergeben, zurück. Die Mutter hielt ihren Antrag aufrecht.

Hierauf verhängte das Erstgericht über den Vater gemäß § 19 AußStrG. eine Geldstrafe von 500 S. Der Vater habe das Kind entgegen seiner Verpflichtung bei seinen Eltern belassen. Habe das Kind eine Erholung nötig gehabt, hätte es diese Erholung auch bei seiner Mutter in Österreich haben können. Keinesfalls habe der Vater aus eigenem gegen den Vergleich handeln dürfen. Da dem Vater im Falle des Zuwiderhandelns ein Vorgehen nach § 19 AußStrG. angedroht worden sei, sei über ihn eine angemessene Strafe zu verhangen gewesen.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf. Die Sanktion des § 19 AußStrG. sei nur gegen Parteien anzuwenden, welche die an sie ergangenen Verfügungen des Gerichtes unbefolgt ließen. Hier handle es sich jedoch nicht um eine Verfügung des Gerichtes, sondern um einen vor dem Erstrichter geschlossenen Vergleich, der als ziviler Vertrag wirksam sei und dessen gerichtliche Beurkundung nur seine Vollstreckbarkeit begrunde. Das Vorgehen nach § 19 AußStrG. wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Vater einer vom Gericht über Antrag der Mutter erlassenen gerichtlichen Verfügung auf Erfüllung des Vergleiches nicht nachgekommen wäre.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Mutter des Minderjährigen nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es ist dem Rekursgericht beizupflichten, daß es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Verfügung des Gerichtes handelt, sondern um einen vor dem Pflegschaftsgericht abgeschlossenen Vertrag zwischen den Parteien, welcher die pflegschaftsbehördliche Genehmigung erhalten hat. Verfügungen sind Ausflüsse der zur Ausführung staatlicher Regierungsgewalt berufenen Behörden und bestehen u. a. in der endgültigen Regelung einer Rechtsangelegenheit durch autoritativen Ausspruch der dazu bestellten staatlichen Organe. Hier hat aber nicht der Außerstreitrichter die Angelegenheit geregelt, sondern es liegt ein Übereinkommen der Parteien vor, mag dieses auch unter Mitwirkung des Gerichtes und mit dessen Genehmigung zustandegekommen sein. Nun bestimmt aber § 19 Abs. 1 AußStrG., daß die an die Parteien ergangenen Verfügungen des Gerichtes nach dieser Gesetzesstelle vollstreckt werden können. Ein Vergleich ist aber, wie dargelegt, keine Verfügung und kann daher auch nicht nach dieser Gesetzesstelle vollzogen werden.

Es braucht in diesem Zusammenhang nicht untersucht zu werden, ob dieser Vergleich überhaupt vollstreckt werden kann. Keinesfalls kann der vorliegende Vergleich ohne vorausgegangene Verfügung des Pflegschaftsgerichtes nach § 19 Abs. 1 AußStrG. in Vollzug gesetzt werden. Daran ändert auch nichts, daß dem Vater bereits im Vergleich die Sanktion des § 19 Abs. 1 AußStrG. angedroht wurde, weil es sich hier nicht um Dispositivvorschriften handelt.

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