European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00140.16H.0922.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Der Minderjährige beantragte, seinen Vater beginnend mit 1. August 2013 zur Leistung eines Unterhaltsbeitrags in Höhe des zweifachen Regelbedarfs zu verpflichten.
Der in Deutschland lebende und dort erwerbstätige Vater erklärte sich letztlich mit der Festsetzung des zweifachen Regelbedarfs unter Anrechnung der Transferleistung der Familienbeihilfe einverstanden.
Das Erstgericht setzte die Unterhaltsverpflichtung des Vaters (unter Anrechnung der bereits von ihm geleisteten Zahlungen) in Höhe des zweifachen Regelbedarfs, jedoch ohne Berücksichtigung der Familienbeihilfe, fest. Eine Anrechnung der Familienbeihilfe komme nicht in Betracht, weil der Vater in Österreich nicht steuerpflichtig sei.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters nicht Folge. Die von ihm angestrebte steuerliche Entlastung habe nach ständiger Rechtsprechung dann nicht zu erfolgen, wenn der Unterhaltsschuldner – wie der Rekurswerber – nicht in Österreich steuerpflichtig sei.
Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass sich der Oberste Gerichtshof noch nicht mit den diese Rechtsprechung kritisierenden Lehrmeinungen (Gitschthaler, Familienbeihilfe, Kindesunterhalt und der Oberste Gerichtshof, ÖJZ 2003/51, 821; Schwimann/Kolmasch,Unterhaltsrecht7 130) auseinandergesetzt habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Vaters, mit dem er primär die Herabsetzung der ihm auferlegten Unterhaltsbeiträge infolge Anrechnung der Transferleistung der Familienbeihilfe begehrt, ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
1. Seit Aufhebung der Wortfolge „und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch“ in § 12a FLAG ist es ständige Rechtsprechung, dass der nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten zu bemessende Geldunterhalt im Interesse der gebotenen steuerlichen Entlastung von Unterhaltsschuldnern – bei getrennter Haushaltsführung – um jenen Teil des Kinderabsetzbetrags und der Familienbeihilfe zu kürzen ist, der die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bezweckt (RIS‑Justiz RS0117023). Aus diesem Grund hat die im Rahmen der Unterhaltsbemessung gebotene steuerliche Entlastung insbesondere dann nicht zu erfolgen, wenn der Unterhaltsschuldner im Inland nicht steuerpflichtig ist (RIS‑Justiz
RS0117122; RS0117023 [T4]). Die Familienbeihilfe kann sich also nur in jenen Fällen unterhaltsmindernd auswirken, in denen sie neben ihrem Zweck, grundsätzlich den betreuenden Elternteil zu entlasten, auch der steuerlichen Entlastung des steuerpflichtigen Unterhaltsschuldners (zur Abgeltung steuerlicher Mehrbelastungen des Geldunterhaltspflichtigen aufgrund der Individualbesteuerung nach Leistungsfähigkeit) zu dienen hat (8 Ob 51/16g mwN).
2. Die vom Rekursgericht dargelegte (und auch vom Vater als erheblich bezeichnete) Rechtsfrage stellt sich in Wahrheit nicht (mehr), weil sich der Oberste Gerichtshof bereits zu 8 Ob 90/09g und überdies jüngst zu 9 Ob 75/15t mit den gegenteiligen Lehrmeinungen, die das Rekursgericht zur Begründung seines Zulassungsausspruchs anführt, auseinandergesetzt und diese als nicht stichhaltig qualifiziert hat (vgl RIS‑Justiz RS0112921). Auch der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von der in Punkt 1. wiedergegebenen Rechtsprechung abzugehen.
3. Aus dem Diskriminierungsverbot nach Art 21 (gemeint: Abs 2) der EU-Grundrechte-Charta ist für den Vater nichts zu gewinnen, weil dieses die Diskriminierung von Unionsbürgern aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet, die Höhe der Unterhaltspflicht des Vaters aber gerade nicht an seine Staatsangehörigkeit (oder auch an seinen Wohnsitz), sondern ausschließlich an das Fehlen einer in Österreich bestehenden Einkommensteuerpflicht anknüpft (vgl 9 Ob 75/15t). Gleiches gilt für das Diskriminierungsverbot des Art 14 EMRK. Der Oberste Gerichtshof sieht sich deshalb auch im vorliegenden Fall nicht zur Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens an den Europäischen Gerichtshof veranlasst.
4. Aus der Entscheidung 4 Ob 143/12a will der Vater ableiten, dass er dann, wenn er seinen Wohnsitz in Österreich hätte und als Grenzgänger in Deutschland erwerbstätig wäre, in Österreich jedenfalls einkommensteuerpflichtig wäre. Auf die steuerrechtliche Behandlung eines Grenzgängers nach dem im konkreten Fall – hypothetisch – maßgeblichen Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland (BGBl III Nr 182/2002 idgF) kommt es hier allerdings nicht an, weil der Vater unstrittig kein Grenzgänger und in Österreich nicht einkommensteuerpflichtig ist.
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