OGH 3Ob121/09d

OGH3Ob121/09d22.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria R*****, vertreten durch Dr. Carl Benkhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei DI Alexander M*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 9 C 603/06s des Bezirksgerichts Fünfhaus, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. April 2009, GZ 41 R 74/09z-5, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 9. März 2009, GZ 9 C 161/09w-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt die Wiederaufnahme eines Verfahrens des Erstgerichts, in dem ihr Klagebegehren auf Feststellung, sie sei Hauptmieterin von drei näher bezeichneten Wohnungen und die am 1. Jänner 1999 abgeschlossenen Mietverträge seien aufrecht, abgewiesen worden war.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, womit die Wiederaufnahmsklage noch vor Zustellung an den Beklagten zurückgewiesen worden war, und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels einer gemäß § 528 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Wiederaufnahmsklage bereits im Vorprüfungsverfahren zurückzuweisen, wenn sich das Verschulden des Klägers im Sinn des § 530 Abs 2 ZPO bereits aus den als richtig angenommenen Tatsachenbehauptungen der Klage ergibt oder wenn in der Klage jede Behauptung fehlt, dass die Geltendmachung des als Wiederaufnahmsgrund angeführten Beweismittels im Vorprozess ohne Verschulden unmöglich war (RIS-Justiz RS0044558; RS0044639 [T1]). Ein Verschulden des Wiederaufnahmsklägers liegt nur dann nicht vor, wenn er trotz sorgsamer Prozessvorbereitung von der neuen Tatsache erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung des Vorprozesses Kenntnis erlangt (RIS-Justiz RS0044533). Die Beurteilung, ob die Klageangaben geeignet sind, ein mangelndes Verschulden im Sinn des § 530 Abs 2 ZPO darzulegen, ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig, sodass sich im Regelfall erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht stellen (10 Ob 106/08y).

Den Wiederaufnahmskläger trifft bei dem hier geltend gemachten Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO somit die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass ihn kein Verschulden daran trifft, die nun geltend gemachten Tatsachen und Beweismittel nicht schon im Vorprozess vorgebracht zu haben (Jelinek in Fasching/Konecny² § 530 ZPO Rz 219 mwN). Nicht ausreichende Behauptungen machen die Wiederaufnahmsklage unschlüssig und führen - wie bereits ausgeführt - zur Zurückweisung der Klage schon im Vorverfahren, wobei die anzuwendende prozessuale Diligenzpflicht ihre Grenze in der Anwendung der zumutbaren Sorgfalt findet und sich die Zumutbarkeit nach den Umständen des Einzelfalls richtet (10 Ob 106/08y).

Zur Diligenzpflicht gehört die Mitwirkung an der Stoffsammlung. Die Parteien haben Zeugen zu führen, den Sachverständigenbeweis oder die Beischaffung von Auskünften zu beantragen (10 Ob 106/08y mwN). Ein Verstoß gegen die prozessuale Diligenzpflicht kann auch darin bestehen, dass eine Partei nicht die ihr zumutbare Erhebungen pflegt, um die zur Dartuung ihres Prozessstandpunkts erforderlichen Zeugen auszuforschen (E. Kodek in Rechberger³ § 530 ZPO Rz 16).

Demgemäß hält sich die Beurteilung, die alleinige Behauptung, wonach der Klägerin die neuen Beweismittel (hier: zwei Zeugen) „zufällig" zur Kenntnis gelangt seien, reiche hiezu nicht aus; der „Zufall" hätte vielmehr bereits in der Klage - im Tatsachenbereich - näher dargestellt werden müssen, nämlich insbesondere dahin, weshalb die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, die Existenz und den Wissensstand der „neuen Zeugen" im Rahmen der dargestellten Diligenzpflicht herauszufinden, im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Entgegen dem außerordentlichen Revisionsrekurs folgt die Beurteilung der Vorinstanzen aber auch insoweit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs als eine Wiederaufnahmsklage, in der - wie hier - ein solches Vorbringen (zum Mangel des Verschuldens) fehlt, erfolglos bleiben muss und eine insoweit nicht gesetzmäßige Ausführung des Wiederaufnahmsgrunds einer Verbesserung nicht zugänglich ist (1 Ob 194/06w mwN). In diesem Fall ergibt sich vielmehr bereits im Vorprüfungsverfahren, dass die Klage „schon in abstracto nicht zur Wiederaufnahme geeignet" und daher a limine zurückzuweisen ist.

Die von der Rechtsmittelwerberin zitierte Entscheidung 4 Ob 542/95 (= SZ 68/113) steht dem nicht entgegen, weil das damalige Erstgericht nur insoweit zur Einleitung eines Verbesserungsverfahrens verpflichtet wurde, als es an der genauen Bezeichnung eines vom Wiederaufnahmskläger angebotenen neuen Beweismittels (Anschrift eines Zeugen) im Sinn des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO fehlte; die Entscheidung 6 Ob 51/05a betraf keine Wiederaufnahmsklage.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte