Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin enthalten S 1.014,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Das Erstgericht erließ aufgrund der von der klagenden Partei eingebrachten Mahnklage, in der für den Beklagten eine Adresse im Sprengel des Erstgerichtes angegeben war, antragsgemäß am 15. 12. 1997 einen bedingten Zahlungsbefehl. Dieser konnte am 18. 12. 1997 dem Beklagten nicht zugestellt werden, weil dieser verzogen war.
Mit Antrag vom 9. 3. 1998 beantragte die klagende Partei die neuerliche Zustellung des Zahlungsbefehls an eine Adresse des Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland.
Nachdem dieser rechtzeitig Einspruch erhoben hatte, in welchem er lediglich einwandte, die Forderung bestehe nicht zu Recht, er habe keine Rechnung erhalten, die Forderung sei nicht fällig und auch verjährt, brachte er in einem ihm vom Erstgericht freigestellten Schriftsatz (ON 11) vor, dass die geltend gemachte Forderung zu Recht bestehe, deren Fälligkeit aber erst am 3. November 1998 eingetreten sei, weshalb erst ab diesem Zeitpunkt Verzugszinsen begehrt werden könnten. Er anerkenne daher die geltend gemachte Forderung und den Zinsenlauf ab 3. November 1998 und begehre Kostenersatz gemäß § 45
ZPO.
Zu Beginn der mündlichen Streitverhandlung vom 1. 12. 1998 brachte der Beklagte vor, dass ab der WGN 1997 die Erlassung eines Zahlungsbefehles an im Ausland befindliche Beklagte nicht zulässig sei. Er sei bereits zum Zeitpunkt der Einbringung der Mahnklage ständig an der nunmehr angegebenen Adresse wohnhaft gewesen. Daher wende er örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes ein; er sei auch Verbraucher.
Das Erstgericht schloss nach Erörterung die Verhandlung und gab bekannt, dass die Entscheidung schriftlich ergehe.
Mit Beschluss vom 9. 12. 1998 (ON 13) wies es schließlich die Klage mangels örtlicher Zuständigkeit zurück. In seiner Begründung führte es unter anderem aus, dass der Beklagte seinen ordentlichen Wohnsitz in Deutschland habe und mangels konkreten Vorbringens der klagenden Partei, dass der Beklagte kein Verbraucher sei, Klagen gegen ihn gemäß Art 14 LGVÜ nur in seinem Wohnsitzstaat erfolgen könnten.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem dagegen erhobenen Rekurs der klagenden Partei Folge und verwies den Beklagten mit seinem Kostenrekurs auf diese Entscheidung. Es änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, daß es die "Einrede der örtlichen Unzuständigkeit (richtig: der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit oder internationalen Unzuständigkeit)" verwarf. Diese Entscheidung begründete das Rekursgericht damit, dass sich die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Beklagte die Einrede der Unzuständigkeit nach dem LGVÜ erheben könne, nach innerstaatlichem Verfahrensrecht, somit nach § 104 JN, richte. Die Heilung einer allfälligen Unzuständigkeit sei mit Einbringung des dem Beklagten vom Gericht ermöglichten vorbereitenden Schriftsatzes (der einem aufgetragenen gleichzuhalten sei) erfolgt, weil er darin nur zur Sache selbst vorgebracht, nicht jedoch die Unzuständigkeit des Erstgerichtes geltend gemacht habe. Somit sei dieses gemäß Art 18 LGVÜ zuständig geworden.
Nach § 448 Abs 2 Z 3 ZPO dürfe ein Zahlungsbefehl nicht erlassen werden, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Ausland habe. Der Umstand, dass der Beklagte im Ausland wohnhaft war, sei dem Erstgericht zur Zeit der Erlassung des Zahlungsbefehls nicht bekannt gewesen. Es habe daher aufgrund der Angabe einer österreichischen Zustelladresse in der Klage zu Recht den Zahlungsbefehl erlassen, der dem Beklagten auch zuzustellen gewesen sei. Eine Nichtigkeit dieses Zustellvorgangs und des darauf folgenden Verfahrens sei weder im Gesetz angeordnet noch durch Analogie aus den gesetzlichen Nichtigkeitsgründen abzuleiten.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob nach rechtmäßiger Erlassung eines Zahlungsbefehls dessen Zustellung im Ausland (auch im Hinblick auf die Vorschriften des LGVÜ) nichtig sei, nicht vorliege, diese Frage aber grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO habe.
Der Revisionsrekurs des Beklagten, mit dem er die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung anstrebt, ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Vorauszuschicken ist, dass das Rekursgericht bei seiner Entscheidung außer Acht gelassen hat, dass auf die vorliegende, bereits vor Ablauf des Jahres 1997 beim Erstgericht eingelangte Mahnklage nach Art XXXII Z 8 der WGN 1997 die geänderte Fassung des § 448 ZPO noch keine Anwendung findet. Wie ein großer Teil der Änderungen, die diese Novelle enthält, ist auch die hier maßgebliche, nach der ein Zahlungsbefehl auch dann nicht erlassen werden darf, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Ausland hat (§ 448 Abs 2 Z 3 ZPO) erst auf Klagen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1997 bei Gericht angebracht werden. Die Frage, welche das Rekursgericht als erheblich im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO angesehen hat, ist daher, soweit sie sich auf die geänderte Rechtslage bezieht, keinesfalls präjudiziell. Dasselbe gilt für die Ausführungen im Revisionsrekurs, der wie der teilweise zitierte Wortlaut des § 448 Abs 2 Z 3 ZPO beweist, ebenfalls irrtümlich von der Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf das vorliegende Verfahren ausgeht.
Dessen ungeachtet kann man sich fragen, ob (allenfalls auf Grund des LGVÜ) die Zustellung eines (bereits einmal erlassenen) Zahlungsbefehls an einen Beklagten nichtig ist, von dem sich herausstellt, dass er seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat. Wie sich aus den EB zur RV der WGN 1997 (898 BlgNR 20. GP 42 f) ergibt, beruht allerdings das Verbot der Erlassung eines Zahlungsbefehls nach § 448 Abs 2 Z 3 ZPO nur auf der Problematik einer allenfalls nicht möglichen Anerkennung eines rechtskräftigen Zahlungsbefehls im Ausland. (Im Gegensatz zu diesen Bedenken meint König in seiner Glosse zu JBl 1998, 518, dass ein entgegen der neuen Verbotsbestimmung erlassener Zahlungsbefehl LGVÜ/EuGVÜ - vollstreckungstauglich sei, weshalb auch "Ausländer" bei Missachtung des Verbotes Einspruch erheben müssten, um ihre Verteidigungsrechte wahren zu können.) Auch A. Burgstaller (Probleme der Prorogation nach dem Lugano-Übereinkommen, JBl 1998, 691 [698 f]) führt für den Fall einer verbotswidrigen Erlassung eines Zahlungsbefehles nur die Möglichkeit an, diesen mit einem Einspruch zu bekämpfen. Czernich/Tiefenthaler, (Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel Rz 9 zu Art 20), welche schon zur alten Rechtslage die Ansicht vertraten, es dürfe bei Wohnsitz oder Aufenthalt des Beklagten im Ausland kein Zahlungbefehl erlassen werden, nehmen ebenfalls keine Nichtigkeit an, sondern verweisen den Beklagten auf seinen Einspruch, auch wenn dies in Widerspruch zu Art 20 LGVÜ stehe (aaO Rz 8). Lediglich Metzler (Nochmals: Mahnverfahren und Luganoübereinkommen, RZ 1997, 264 [266]) tritt bisher (zur hier noch nicht anwendbaren Rechtslage nach der WGN 1997) für eine Nichtigkeit des Verfahrens ein, allerdings nur für den hier nicht gegebenen Fall, dass der im Ausland wohnhafte Beklagte trotz der fehlenden internationalen Zuständigkeit keinen Einspruch erhebt.
Daraus ergibt sich, dass die Zustellung des Zahlungsbefehls vom 15. 12. 1997 gegen kein gesetzliches Verbot verstoßen hat, selbst wenn man davon ausgeht - was bisher nicht eindeutig festgestellt wurde -, dass der Beklagte schon damals seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte. Umso weniger liegt aber ein Nichtigkeitsgrund nach der ZPO vor. Aber auch aus den Bestimmungen des LGVÜ lässt sich eine solche Nichtigkeit nicht ableiten.
Zufolge der umfassenden rechtlichen Überprüfungspflicht des Obersten Gerichshofes ist daher noch zu prüfen, ob tatsächlich entsprechend der Ansicht des Rekursgerichtes die inländische Gerichtsbarkeit gemäß Art 18 LGVÜ gegeben ist und weiters, ob das Erstgericht auch örtlich zuständig (geworden) ist. Nach Art 18 LGVÜ wird ein (nicht bereits nach anderen Vorschriften des Übereinkommens zuständiges) Gericht dann zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt. Soweit überblickbar, hat der EuGH (zum gleichlautenden Art 18 EuGVÜ) noch nicht entschieden, wie der Begriff der Einlassung auf das Verfahren auszulegen ist. Im Anschluss an Lehrmeinungen (Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel Rz 7 zu Art 18; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht6 Rz 7 zu Art 18), allerdings im Gegensatz etwa zum Jenard-Bericht (38), hat der zweite Senat des Obersten Gerichtshofs bereits zweimal ausgesprochen, dass der Begriff der Einlassung auf das Verfahren vertragsautonom auszulegen ist (2 Ob 304/98i [insoweit nicht veröffentlicht in RdW 1999, 211]; ZfRV 1999/39, 148). Auf den Jenard-Bericht hatte sich noch der Bericht des Generalanwaltes zur Entscheidung des EuGH Slg 1981, 1671 bis 1700 - Elefanten Schuh/Jacqmain berufen. In der Entscheidung selbst ist allerdings nur noch davon die Rede, es sei erforderlich, dass die Rüge der fehlenden Zuständigkeit, wenn nicht vor jedem Vortrag zur Hauptsache, so doch nicht nach Abgabe der jeweiligen Stellungnahme, die nach dem innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist, erhoben wird.
In der Entscheidung ecolex 1998, 695 = JBl 1998, 518 (abl König) = RdW 1998, 615 hat nun der Oberste Gerichtshof für das österreichische Mahnverfahren entschieden, dass auch ein begründeter Einspruch des Beklagten gegen den Zahlungsbefehl, in dem eine Unzuständigkeit nicht geltend gemacht wird, keine Einlassung auf das Verfahren im Sinn des Art 18 LGVÜ darstellt und daher keine Heilung des Mangels der internationalen Zuständigkeit bewirkt. Diese Entscheidung beruht auf der Beurteilung, dass es nach einhelliger Ansicht (Czernich/Tiefenthaler aaO Rz 5 und mehrere deutsche Autoren) nach dem innerstaatlichen Verfahrensrecht zu beurteilen sei, bis zu welchem Zeitpunkt der Beklagte die Einrede der Unzuständigkeit erheben könne. In der Folge wird allerdings ausschließlich mit der Streiteinlassung iSd § 104 Abs 3 JN (idF vor der WGN 1997) argumentiert, weshalb sich nach Auffassung des entscheidenden neunten Senates die Frage der Einlassung offenbar nach österreichischem Recht richtet. Unter Hinweis auf österreichische Rechtsprechung und Lehre führte der neunte Senat aber auch aus, dass eine Heilung der Unzuständigkeit (und somit wohl auch eine Einlassung iSd Art 18 LGVÜ) erst durch qualifizierte Sacheinlassung des Beklagten bei der ersten mündlichen Streitverhandlung oder in einem vorher aufgetragenen vorbereitenden Schriftsatz eintrete. Der (wenngleich begründete) Einspruch stelle eine solche Streiteinlassung noch nicht dar. Der gegenteiligen Auffassung von Czernich/Tiefenthaler (aaO Rz 8) sei nicht zu folgen, weil für die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Einrede des Mangels der internationalen Zuständigkeit erhoben werden könne, das inländische Recht maßgebend sei. Letzterer Ansicht schloss sich auch der erste Senat in der Entscheidung EvBl 1999/14 = ZfRV 1999/4, 22 an. Auch der achte Senat hat diese Entscheidungen (offenbar zustimmend) in der Entscheidung infas 1999, 82 = DRdA 1999, 234 = RdW 1999, 548 zitiert.
Weder im Fall der Entscheidung JBl 1998, 518 noch im vorliegenden Fall bestand Anlass, auf das Problem einzugehen, dass in Art 18 LGVÜ nicht von "Streiteinlassung" sondern von Einlassung auf das Verfahren die Rede ist (vgl dazu König in seiner Glosse zur zitierten Entscheidung). Selbst wenn man mit der dargestellten Judikatur (insoweit enger als König) auf die innerstaatliche Auslegung des § 104 Abs 3 JN (vor der WGN 1997; die neue Fassung ist auf Grund der Übergangsbestimmungen, wie oben dargelegt, noch nicht anwendbar) abstellt, kann allerdings kein Zweifel daran bestehen, dass die Sacheinlassung im Mahnverfahren jedenfalls mit einem vor der mündlichen Streitverhandlung aufgetragenen vorbereitenden Schriftsatz eintritt (Mayr in Rechberger Rz 15 zu § 104 JN; Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1642; JBl 1998, 518). In § 104 Abs 3 JN ist allerdings keineswegs von einem aufgetragenen Schriftsatz die Rede, vielmehr ergibt sich aus der Zitierung des § 74 ZPO im Zusammenhang mit dem Vorbringen zur Sache, dass es (entgegen Metzler, RZ 1997, 264 [265]) nicht auf das Vorbringen in der mündlichen Streitverhandlung ankommen kann. Im vorliegenden Fall ist zwar ein ausdrücklicher Auftrag zur Erstattung eines Schriftsatzes gemäß § 440 Abs 3 ZPO nur an die klagende Partei ergangen, während dem Beklagten lediglich ein Antwortschriftsatz freigestellt wurde. Im Zusammenhalt mit der zitierten Bestimmung, die nicht etwa einseitige vorbereitende Schriftsätze vorsieht, sondern, dass der Wechsel vorbereitende Schriftsätze aufgetragen wird, ist dem Rekursgericht zuzustimmen, die Wortwahl des Erstgerichts könne nichts daran ändern, dass es sich auch bei dem Schriftsatz des Beklagten um einen aufgetragenen im Sinne der dargelegten Lehre und Rechtsprechung handelt. Dies bedeutet aber, dass auch bei einer (geht man von der zitierten Ansicht von König aus, wohl strengeren) Beurteilung nach österreichischem Verfahrensrecht die Einlassung des Beklagten auf das Verfahren mit dem vorbereitenden Schriftsatz, in dem er unter anderem die Klagsforderungen in der Hauptsache anerkannt, das Zinsenbegehren aber teilweise bestritten hat, als Einlassung auf das Verfahren im Sinn des Art 18 LGVÜ zu beurteilen ist. Umso eher müsste dasselbe nach den insofern zu folgenden Lehrmeinungen (Czernich/Tiefenthaler aaO Rz 8 zu Art 18; ebenso wohl zu verstehen König aaO, der ebenfalls schon den begründeten Einspruch als Einlassung versteht) bei vertragsautonomer Auslegung gelten. Demnach ist das Erstgericht dadurch international zuständig geworden.
Wie sich aus Art 18 LGVÜ ergibt, betrifft dies aber nur die Zuständigkeit der Gerichte Österreichs an sich. Zu prüfen ist daher noch, ob auch eine allfällige örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes geheilt wäre. Diese Frage wurde aber in Wahrheit ohnehin bereits dadurch beantwortet, dass dargelegt wurde, dass der Beklagte mit seinem aufgetragenen vorbereiteten Schriftsatz zur Sache vorbrachte, ohne iSd § 104 Abs 3 JN (aF) das Fehlen der örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichtes zu rügen. Da er dabei durch einen Rechtsanwalt vertreten war, ist damit eine allfällige Unzuständigkeit des Erstgerichtes (auch die unprorogable nach § 14 KSchG, etwa weil der Beklagte für einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt schon bei der Klagseinbringung nicht mehr im Sprengel des Erstgerichtes gehabt hätte) jedenfalls geheilt worden.
Daraus folgt, dass der angefochtene Beschluss zu bestätigen ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.
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