European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00112.23A.0621.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] Der von der Antragstellerin begehrte Notweg auf der mit einem Einfamilienhaus bebauten Liegenschaft der Antragsgegnerin hätte nach den Festellungen folgenden Verlauf: Man ginge über die Hauseinfahrt bis zur Hauseingangstüre, sodann entlang der Hauswand und direkt an der Veranda vorbei, anschließend über einen gepflasterten und einen zweiten Hauseingang beinhaltenden Hof, sodann erreichte man über einige Stufen den mit Bäumen bepflanzten Garten der Antragsgegnerin, den man in der gesamten restlichen Länge des langgestreckten umzäunten Grundstücks der Antragsgegnerin passieren müsste, bis man durch eine Türe im Maschendrahtzaun die Liegenschaft der Antragstellerin erreichte. Bereits wegen dieses Sachverhalts konnte aufgrund von § 4 Abs 3 NWG, wonach die Einräumung eines Notweges (unter anderem) „durch Gebäude, geschlossene Hofräume und bei Wohnhäusern befindliche, zur Verhinderung des Zutrittes fremder Personen eingefriedete Gärten“ ausgeschlossen ist, dem Klagebegehren kein Erfolg beschieden sein:
[2] § 4 Abs 3 NWG dient der Wahrung des Hausfriedens bzw der Privatsphäre; die Vorschrift will die ungestörte Benützung der Liegenschaft ermöglichen (1 Ob 37/65 = SZ 38/38; 6 Ob 508/77 = MietSlg 29.484; 8 Ob 23/10f [Pkt 3.2.]).
[3] Ob hier ein „geschlossener Hofraum“ iSd § 4 Abs 3 NWG vorliegt (dazu RS0071230 und RS0087252) und ob der Verlauf des Notweges unmittelbar an der Hauswand und neben der Veranda mit § 4 Abs 3 NWG vereinbar ist, kann dahingestellt bleiben, weil der begehrte Notweg mit dem Gesetz jedenfalls insofern nicht im Einklang steht, als er durch den hinter dem Haus gelegenen Garten der Antragsgegnerin führen soll. Im Sinn des Grundsatzes der einschränkenden Auslegung der Bestimmungen zur Einräumung eines Notweges ist zu Gunsten der geschützten Grundflächen kein kleinlicher Maßstab anzulegen (RS0070966 [T5]). Auf die Größe des bei einem Wohnhaus befindlichen Gartens kommt es dabei nicht an (RS0071235 [T1]). Für eine Einfriedung iSd § 4 Abs 3 NWG ist jede Einfriedung, die die Absicht des Grundeigentümers oder Nutzungsberechtigten erkennen lässt, Fremde vom Zutritt auf das Grundstück auszuschließen, ausreichend (8 Ob 23/10f [Pkt 2.4.]; RS0071202 [T3]). An einer solchen Einfriedung ist hier nicht zu zweifeln. Folglich liegt ein Garten iSd § 4 Abs 3 NWG – durch den kein Notweg führen darf – vor.
[4] Für die von der Antragstellerin im Revisionsrekurs befürwortete (teleologische) Reduktion des Anwendungsbereichs des § 4 Abs 3 NWG fehlt jegliche Grundlage, beruht diese Vorschrift doch auf dem klaren Willen des Gesetzgebers, dort keinen Notweg zu ermöglichen, wo dieser in die häusliche Privatsphäre eingriffe (1292 BlgAH 11. Sess 1895, 16: „Die bei der Nothwegbestellung hervortretende Collision zwischen den Interessen des wegbedürftigen Grundeigenthümers und jenen der zu belastenden Adjacenten läßt es geboten erscheinen, jede Unbilligkeit gegenüber den letzteren hintanzuhalten. Von diesem Gesichtspunkte aus muss dem Anspruche auf Einräumung eines Nothweges eine Schranke nach der Richtung hin gesetzt werden, daß die Abhilfe, welche einer Partei durch den Nothweg zutheil werden soll, nicht für die Gegenparteien eine wesentliche Verschlimmerung ihrer ökonomischen Lage herbeiführe. Dies wäre der Fall, wenn durch den Nothweg die regelmäßige Bewirtschaftung oder Benützung der zu belastenden Grundstücke fernerhin unmöglich gemacht oder doch in erheblicher Weise beeinträchtigt werden würde. Auf gleicher Erwägung beruht weiters die im Interesse der Wahrung des Hausfriedens erforderliche Exemtion der Wohngebäude und sonstiger nach ihrer Bestimmung vor dem Zutritte fremder Personen zu bewahrenden Liegenschaften (Wirtschaftsgebäude, Hofräume, bei Wohnhäusern befindliche Gärten), an deren ungestörten Benützung dem Eigenthümer naturgemäß ganz besonders gelegen ist.“). Eine teleologische Reduktion ist – ebenso wie eine Analogie – unzulässig, wenn (wie hier) Gesetzeswortlaut und klare gesetzgeberische Absicht in die Gegenrichtung weisen (RS0008880 [T23]).
[5] Den von der Antragstellerin im Revisionsrekurs angesprochenen sonstigen, andere Vorschriften betreffenden Fragen kommt aufgrund des Ausschlusses des begehrten Notweges bereits durch § 4 Abs 3 NWG keine Entscheidungsrelevanz zu.
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