Spruch:
I. In Ansehung des Vadiums von 380.000 S (= 27.615,68 EUR) wird dem außerordentlichen Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.
Insoweit hat der Masseverwalter die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.
II. In Ansehung des Vadiums von 250.000 S (= 18.168,21 EUR) wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung
Gegenstand des Verfahrens ist die Zwangsversteigerung von zwei Liegenschaftsanteilen, mit denen Wohnungseigentum (W1 und W2) verbunden ist.
Am 24. Oktober 1997 wurden diese Liegenschaftsanteile "unter dem Vorbehalt, dass der Zuschlag erst mit der Genehmigung - Nichtuntersagung - durch die Grundverkehrsbehörde oder der Abgabe der Erklärung rechtswirksam wird", um das Meistbot von 2,65 Mio S und von 1,85 Mio S einer näher genannten Ersteherin zugeschlagen. Sie wurde beschlussmäßig "aufgefordert, binnen ... Tagen die Entscheidung der Grundverkehrsbehörde über die Genehmigungs-, Anzeige- oder Erklärungsbedürftigkeit oder die Genehmigung zu beantragen, den Zuschlag anzuzeigen oder aber die landesgesetzlich erforderliche Erklärung vorzulegen".
Die Ersteherin erlegte Vadien von 380.000 S = 27.615,68 EUR (1. Vadium) und 250.000 S = 18.168,21 EUR (2. Vadium).
Da die Ersteherin den Zuschlag der Grundverkehrsbehörde nicht angezeigt hatte, wurde ihr mit Beschluss vom 19. Oktober 1998, zugestellt am 28. Oktober 1998, aufgetragen, die Erteilung des Zuschlags binnen 14 Tagen bei der Grundverkehrsbehörde anzuzeigen, widrigens die Wiederversteigerung der Liegenschaft vorgenommen werde.
Die Grundverkehrsbehörde teilte dem Erstgericht mit Fax vom 20. November 1998 auf Anfrage mit, dass vom Ersteher kein Grunderwerb angezeigt worden sei.
Die führende betreibende Partei stellte am 30. November 1998, den Antrag auf erneute Versteigerung gemäß § 19 Abs 3 TirGVG.
Das Erstgericht bewilligte mit Beschluss vom 21. Dezember 1998, der säumigen Ersteherin zugestellt am 23. Dezember 1998, antragsgemäß die Wiederversteigerung auf Kosten der säumigen Ersteherin. Die Wiederversteigerung unterbleibe, wenn die säumige Ersteherin binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Beschlusses die rückständigen Meistbotsraten samt Zinsen bar bei Gericht erlege und die Anzeige des Rechtserwerbs bei der Grundverkehrsbehörde dem Gericht nachweise.
Am 18. Februar 1999 erließ das Rekursgericht das Wiederversteigerungsedikt für den 11. Juni 1999. Am 14. April 1999 wurde über das Vermögen der säumigen Ersteherin der Konkurs eröffnet. Am 11. Juni 1999 wurden die beiden Liegenschaftsanteile der W***** GmbH um das Meistbot von 1,9 Mio S (W1) bzw 1,25 Mio S (W2) zugeschlagen.
Der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der säumigen Ersteherin beantragte am 18. August 1999, ihm die seinerzeit erlegten beiden Vadien zu überweisen.
Der sich ergebende Ausfall aus den Meistboten wurde rechtskräftig für die Wohnung 1 mit 1,096.262,76 S (= 79.668,52 EUR) und für die Wohnung 2 mit 843.319,80 S (= 61.286,44 EUR) festgesetzt.
Bei der Tagsatzung am 5. Juli 2001, deren Gegenstand die Verteilung der von der säumigen Ersteherin erlegten Vadien war, erhob der Masseverwalter Widerspruch gegen die Forderungsanmeldungen zweier Gläubiger und beantragte die Zuweisung der beiden Vadien an die Konkursmasse.
Das Erstgericht wies diese Anträge ab (Punkt C) und verwies den Masseverwalter mit seinen Widersprüchen gegen die Zuweisung an zwei bestimmte Hypothekargläubiger auf den Rechtsweg (Punkt F). Die Ersteherin sei tatsächlich mit der Anzeige des Rechtserwerbs bei der Grundverkehrsbehörde säumig gewesen. Dass die Wiederversteigerung von der betreibenden Partei gemäß § 19 Abs 3 TirGVG beantragt worden sei, ändere nichts an der Anwendbarkeit der §§ 155, 215 Z 3 EO (idF vor der EO-Nov 2000).
Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichts Punkt C hinsichtlich der Abweisung des Antrags des Masseverwalters auf Überweisung bzw Zuweisung der Vadien; Punkt F des Beschlusses des Erstgerichts entfiel ersatzlos. Das Rekursgericht sprach aus, der (ordentliche) Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil es sich auf eine klare Gesetzeslage und einheitliche Rsp stützen könne.
In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, die Verweisung des Masseverwalters mit seinem Widerspruch auf den Rechtsweg sei ersatzlos aufzuheben, weil das Erstgericht über die Rechtsfrage, ob auf die Wiederversteigerung die Bestimmungen der Exekutionsordnung anzuwenden seien und ob die erlegten Vadien der Gemeinschuldnerin zuzuweisen gewesen wären, selbst zu entscheiden gehabt hätte. Auf die erneute Versteigerung nach dem TirGVG seien die Bestimmungen der EO über die Wiederversteigerung anzuwenden. Schon aus § 155 EO ergebe sich, dass der die Anzeigepflicht missachtende Ersteher mit dem Vadium für den Ausfall hafte. Aber auch aus § 149 Abs 3 EO lasse sich kein anderes Ergebnis ableiten. Nach dieser Gesetzesstelle hafte das Vadium des Meistbietenden nämlich von der Zeit seiner Übergabe als Pfand für alle sich aus der Versteigerung wider den Meistbietenden ergebenden Ansprüche und somit auch für Ansprüche auf Ersatz des Ausfalls nach § 155 EO im Fall einer erneuten Versteigerung nach § 20 Abs 7 TirGVG. Hier lägen auch keine Sondermassekosten vor, weil die Tätigkeit des Masseverwalters im Zusammenhang mit den Versuchen, die Vadien in die Masse einzubeziehen, keine Verwaltungs-, Verwertungs- oder Verteilungshandlungen darstelle; nur solche seien aber durch § 49 Abs 1 KO privilegiert. Tatsächlich stellten die Vadien keine konkursrechtlichen, sondern exekutionsrechtliche Sondermassen dar. Die Vadien seien nämlich gemäß § 215 Z 3 EO Teil der exekutionsrechtlichen Verteilungsmasse geworden, aus der der Masseverwalter keine vorzugsweise Befriedigung für die von ihm erbrachten Leistungen erhalten könne.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Masseverwalters ist, soweit die Zuweisung des 1. Vadiums begehrt wird, zulässig, jedoch nicht berechtigt, soweit die Zuweisung des 2. Vadiums angestrebt wird, wurde der "außerordentliche Revisionsrekurs" unrichtig dem Obersten Gerichtshof vorgelegt.
I.) Zum Revisionsrekurs betreffend das 1. Vadium:
Auf dieses Verfahren sind die Vorschriften der EO idF vor der EO-Nov 2000 anzuwenden, weil der Exekutionsantrag bereits vor dem 30. September 2000 bei Gericht eingelangt ist (Art III Abs 1 EO-Nov 2000).
Da der Ersteher seiner Verpflichtung, binnen der vom Exekutionsgericht festgesetzten Frist den Rechtserwerb nach § 23 TirGVG der Grundverkehrsbehörde anzuzeigen, nicht nachgekommen war, wurde gemäß § 19 Abs 3 TirGVG auf Antrag der führenden betreibenden Partei eine erneute Versteigerung angeordnet. Bei dieser erneuten Versteigerung, deren Regelung im TirGVG Art 7 Abs 3 BaugruV entspricht (s hiezu Angst in Angst, EO, § 133 Rz 37 f, § 183 Rz 11), handelt es sich zwar um keine Wiederversteigerung iSd §§ 154 ff EO. Hat der Meistbietende den Antrag auf Entscheidung der Behörde nicht fristgerecht gestellt, sind jedoch gemäß Art 8 Abs 6 BaugruV und § 20 Abs 8 TirGVG die Bestimmungen der EO über die Wiederversteigerung anzuwenden. Daher ist in einem solchen Fall vor allem die Regelung des § 155 EO über die Haftung des säumigen Erstehers sinngemäß anzuwenden (Angst aaO § 183 Rz 12; Schneider, Handbuch des österr. Grundverkehrsrechts 448).
Gemäß § 155 EO haftet der säumige Ersteher für den Ausfall am Meistbot, der sich durch die Wiederversteigerung ergibt, für die Kosten der Wiederversteigerung, die entgangenen Zinsen nach § 152 Abs 3 EO und für alle sonst durch seine Saumsal verursachten Schäden, sowohl mit dem Vadium und dem erlegten Betrag des Meistbots wie mit seinem übrigen Vermögen. Weiters sieht § 149 Abs 3 EO alt (nunmehr § 149 Abs 2 EO idF EO-Nov 2000) vor, dass jede als Sicherheitsleistung des Erstehers bei Gericht verwahrte Sache von der Zeit ihrer Übergabe als Pfand für alle aus der Versteigerung wider den Ersteher sich ergebenden Ansprüche haftet. Derartige Ansprüche sind insbesondere die im Fall der Wiederversteigerung entstehenden Ansprüche auf Ersatz eines Ausfalls am Meistbot und der Kosten der Wiederversteigerung; das Vadium fällt dann gemäß § 215 Z 3 EO im Umfang des Beschlusses, mit dem die Ersatzpflicht des säumigen Erstehers festgestellt wird, in die Versteigerungsmasse (Angst aaO § 149 Rz 2).
Wie bereits das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, gilt dies auch für den Fall einer erneuten Versteigerung nach § 20 Abs 2 TirGVG. Das Argument des Masseverwalters im Konkurs über das Vermögen der säumigen Ersteherin, wobei der Konkurs nach Eintritt der Säumnis eröffnet wurde, § 20 Abs 8 TirGVG verweise auf die Bestimmungen der EO über die Wiederversteigerung, bei § 149 Abs 3 EO aF handle es sich jedoch um keine derartige Bestimmung, weshalb diese Vorschrift hier nicht anzuwenden sei, ist nicht zutreffend. § 20 Abs 8 TirGVG enthält keinen Verweis auf bestimmte Paragraphen der EO, sondern normiert, dass "die Bestimmungen der Exekutionsordnung über die Wiederversteigerung" anzuwenden sind. Darunter sind keineswegs nur die Bestimmungen mit der Überschrift "Wiederversteigerung" zu verstehen, was im Übrigen nach der EO-Nov 2000 nur mehr für den § 154 EO zutrifft, weil bei § 155 EO die Überschrift "Haftung des säumigen Erstehers" hinzugefügt wurde. Vielmehr erfasst dieser Verweis alle Regelungen der EO, die im Fall einer Wiederversteigerung anzuwenden sind.
Auch aus § 155 EO selbst ergibt sich die primäre Sachhaftung des Vadiums (vgl Neumayr in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 155 Rz 4); § 155 Abs 1 EO sieht nämlich vor, dass der säumige Ersteher sowohl mit dem Vadium und dem erlegten Betrag des Meistbots wie mit seinem übrigen Vermögen haftet; zufolge der Regelung des § 155 Abs 1 EO besteht ein gesetzliches Pfandrecht am erlegten Vadium (Angst aaO § 155 Rz 1). Weiters sieht § 155 Abs 2 dritter Satz EO ausdrücklich vor, dass eine Exekution zur Hereinbringung der beschlussmäßig festgestellten Ersatzansprüche stattfinde, "soweit diese Beträge nicht aus dem Vadium und dem erlegten Betrag des Meistbots berichtigt werden können".
Für den hier zu beurteilenden Fall, dass in der Folge über das Vermögen der säumigen Ersteherin Konkurs eröffnet wurde, folgt aus § 48 Abs 1 KO, dass das Vadium, an dem - wie dargelegt - ein Pfandrecht besteht, eine Sondermasse bildet; diese Sondermasse als Konkursmasse dient allerdings nur der Befriedigung der auf das Meistbot verwiesenen Gläubiger, soweit ihnen aus der Wiederversteigerung ein Forderungsausfall entstünde. Erst wenn sich im Exekutionsverfahren herausstellte, dass das Vadium nicht zum Deckungsausfall eines auf das Meistbot verwiesenen Gläubiger erforderlich ist, erlischt das Absonderungsrecht (vgl Schulyok in Konecny/Schubert, § 48 KO Rz 183).
Das Rekursgericht hat somit zutreffend den vom Masseverwalter geltend gemachten Anspruch auf Ausfolgung des Vadiums verneint. Dem unbegründeten Revisionsrekurs des Masseverwalters war daher - soweit er das 1. Vadium von 380.000 S (= 27.615,68 EUR) betrifft - ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.
II.) Zum Revisionsrekurs betreffend das 2. Vadium von 250.000 S (= 16.168,21 EUR):
Im vorliegenden Fall ist Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts iSd gemäß § 78 EO maßgebenden § 500 Abs 2 und 3 ZPO (idgF nach der Umstellung auf Euro durch das 2. Euro-JuBeG) das jeweils vom Masseverwalter im Verteilungsverfahren in Anspruch genommene Vadium, wobei diese Beträge nicht zusammenzurechnen sind, weil die Vadien anlässlich der Versteigerung verschiedener Wohnungseigentumsanteile erlegt wurden.
Nach § 78 EO sind für das Rekursverfahren die Vorschriften der ZPO anzuwenden. Gemäß § 528 Abs 3 ZPO kann dann, wenn das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht nach § 528 Abs 1 ZPO zulässig ist, nur in den Fällen des § 505 Abs 4 ZPO ein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben werden. Für diesen gelten die Bestimmungen über die außerordentliche Revision sinngemäß. Im hier vorliegenden Fall, in dem der Entscheidungsgegenstand 20.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, ist auch ein außerordentlicher Revisionsrekurs nicht zulässig. Es kann aber eine Partei nach § 528 Abs 2a ZPO (hier iVm § 78 EO) unter sinngemäßer Anwendung des § 508 ZPO den Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde, wobei mit demselben Schriftsatz der ordentliche Revisionsrekurs auszuführen ist. Dieser Antrag ist verbunden mit dem ordentlichen Revisionsrekurs beim Prozessgericht einzubringen und dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen, und zwar auch dann, wenn das Rechtsmittel als "außerordentliches" bezeichnet wird. Die Vorlage des "außerordentlichen Revisionsrekurses", soweit das 2. Vadium von 250.000 S (= 16.168,21 EUR) betroffen ist, direkt an den Obersten Gerichtshof widerspricht dieser seit der WGN 1997 bestehenden Rechtslage. Eine Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs ist im derzeitigen Verfahrensstadium nicht gegeben.
Es wird somit das Erstgericht über den Rechtsmittelschriftsatz zu entscheiden haben, wobei ihm die Beurteilung vorbehalten bleibt, ob er bereits den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf (vgl 3 Ob 210/02g mwN in RIS-Justiz RS0109620).
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