OGH 3Ob109/21g

OGH3Ob109/21g1.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** reg.Gen.m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Christian Falkner, Rechtsanwalt in Baden, gegen die beklagte Partei T***** S*****, vertreten durch Greiml & Horwath RechtsanwaltsPartnerschaft in Graz, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 28. April 2021, GZ 7 R 31/21w‑20, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00109.21G.0901.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die behauptete Nichtigkeit liegt – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor. Mietzinsrückstände sind – nach deren Begleichung in der Tagsatzung vom 18. 5. 2020 – nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. DerZulässigkeit der Geltendmachung der für April und Mai 2020 bestandenen Mietzinsrückstände kommt für das von den Vorinstanzen beurteilte Räumungsbegehren keine Bedeutung zu.

[2] 2. Die Beklagte bestreitet das von den Vorinstanzen angenommene Vorliegen eines qualifizierten Mietzinsrückstands im Sinn des § 1118 ABGB für den Fall einer – zumindest im Ausmaß von 100 % – unberechtigten Mietzinsminderung nicht. Sie tritt auch der Beurteilung der Vorinstanzen nicht entgegen, dass aufgrund eines solchen qualifizierten Mietzinsrückstands für die Monate Dezember 2019 bis Februar 2020 die in der Räumungsklage enthaltene Auflösungserklärung wirksam geworden und das Bestandverhältnis mit der Zustellung der Klage an die Beklagte am 10. 3. 2020 aufgelöst worden sei (vgl RS0105354 [T5]).

[3] 3.1 Die Beklagte bestreitet aber das von den Vorinstanzen bejahte grobe Verschulden im Sinn des § 33 MRG.

[4] Sind die Voraussetzungen nach § 33 Abs 2 und 3 MRG erfüllt, so wird die Erklärung des Vermieters, den Vertrag aufzuheben, rückwirkend unwirksam (RS0107946). Behauptungs- und beweispflichtig für das Fehlen des groben Verschuldens ist der Mieter (RS0069316). Jeder Zweifel geht zu seinen Lasten.

[5] 3.2 Die Beklagte beruft sich auf eine gänzliche Mietzinsreduktion wegen behaupteter Verunreinigungen durch Kot und Urin von Tieren im Bereich des PKW-Abstellplatzes und vor ihrer Wohnungstüre.

[6] Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass sich das Ausmaß der Mietzinsminderung nach Grad und Dauer der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts richtet, wobei es dafür vor allem auf den Vertragszweck, also den bedungenen Gebrauch ankommt (RS0021054; RS0020926). Letztlich hängt das Ausmaß einer berechtigten Mietzinsminderung von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb diese Beurteilung in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründet (RS0108260; RS0021324 [T3]).

[7] Die Bejahung des groben Verschuldens bei gänzlicher Nichtzahlung der Miete aufgrund von Verunreinigungen durch Kot und Urin von Tieren im Bereich des PKW-Abstellplatzes und vor der Wohnungstüre der beklagten Mieterin, hält sich im Rahmen der Rechtsprechungsgrundsätze. Es muss auch für einen juristische Laien klar sein, dass solche Beeinträchtigungen jedenfalls keine 100%ige Mietzinsminderung rechtfertigen. Auf die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die vom Erstgericht dazu getroffenen Feststellungen überschießend seien, kommt es daher nicht an.

[8] 4. Ausgehend von dieser Beurteilung war das Räumungsbegehren bereits aufgrund der mit der Klagszustellung am 10. 3. 2020 erfolgten Auflösungserklärung berechtigt. Den erst später (mit Schriftsatz vom 11. 5. 2020) geltend gemachten Mietzinsrückständen für April und Mai 2020 kommt für diese Entscheidung damit keine Bedeutung mehr zu. Die dazu in der außerordentlichen Revision – im Zusammenhang mit § 1 des 2. COVID‑19-JuBG – als erheblich bezeichneten Rechtsfragen stellen sich somit nicht.

[9] 5. Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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