Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Im Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gingen die Vorinstanzen zusammengefasst von folgendem wesentlichen (in zwei Rechtsgängen) festgestellten Sachverhalt aus:
Die am 2. Dezember 2002 geschiedenen Eheleute sind jeweils mit 5/32stel Anteilen Miteigentümer einer Liegenschaft, auf der sich insgesamt drei Häuser befinden, die von den Miteigentümern (den geschiedenen Eheleuten sowie dem Bruder und der Mutter der Frau) im Rahmen einer Benützungsregelung bewohnt werden. Das Haus der Aufteilungswerber, in dem sich die Ehewohnung befindet, wurde nach der Eheschließung im Jahr 1987 etwa ab dem Jahr 1990 umgestaltet und renoviert. Das Erstgericht stellte im ersten Rechtsgang nach Einholung eines Sachverständigengutachtens einen Verkehrswert von 65.000 EUR für 5/32stel Anteile der Liegenschaft fest. Ein Wohnbauförderungsdarlehen haftet mit einem die Streitteile betreffenden Anteil von 15.304,24 EUR aus (weitere rund 30.000 EUR hat der Bruder der Frau zurückzuzahlen), ein weiterer Kredit mit 8.437,92 EUR. Die Eheleute haben zwei Kinder. Die 1989 geborene minderjährige Jasmin lebt mit der Mutter noch im Haus, die ältere Tochter ist schon selbsterhaltungsfähig und bereits aus dem Haus ausgezogen. Die Fahrnisse in der Ehewohnung haben einen Wert von
8.880 EUR. Die Frau ist derzeit arbeitslos und bezieht eine Arbeitslosenunterstützung von 900 EUR monatlich. Zuvor hatte sie
1.400 EUR monatlich netto verdient gehabt. Ihr ist eine Darlehensaufnahme von 43.200 EUR möglich. Sie kann aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse 50.000 EUR als Ausgleichszahlung aufbringen.
Die Antragstellerin beantragte die Übertragung des Liegenschaftsanteils des Mannes in ihr Eigentum. Sie habe mit ihrer Tochter ein dringendes Wohnbedürfnis. Der Antragsgegner strebte zunächst die Übertragung des Mieteigentumsanteils der Frau an ihn an und bot eine Ausgleichszahlung von 1,5 Mio S, ließ jedoch die im ersten Rechtsgang verfügte Übertragung seines Miteigentumsanteils an die Frau unbekämpft, rügte aber die Ausgleichszahlung von 42.300 EUR als zu gering und bekämpfte mit ausführlicher Begründung die getroffenen Feststellungen zum Verkehrswert der Liegenschaftsanteile. Das Rekursgericht hob im ersten Rechtsgang den Beschluss des Erstgerichts zur Verfahrensergänzung zum Thema der Leistungsfähigkeit der Frau auf und hielt nur für den Fall, dass ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eine höhere als die vom Erstgericht auferlegte Ausgleichszahlung erlauben sollte, eine Ergänzung des Sachverständigengutachtens iS dessen geäußerter Ansicht für notwendig, dass eine feststellbare Benützungsregelung für den Miteigentumsanteil einen höheren Wert ergeben würde, mit dem das Haus mit dem höheren Wert verbunden sei (S 15 in ON 49). Mit seinem Beschluss im zweiten Rechtsgang übertrug das Erstgericht den Miteigentumsanteil des Mannes samt Fahrnissen neuerlich der Frau und verpflichtete sie zur alleinigen Rückzahlung der beiden Darlehen sowie zu einer Ausgleichszahlung von 50.000 EUR, zu der sich die Frau bereit erklärt hatte. Damit betrage die Differenz der zugewiesenen Vermögenswerte zur Ausgleichszahlung nur rund 10 %. Wohl sei bei der Berücksichtigung einer allfälligen Benützungsregelung voraussichtlich mit einem höheren Wert des Liegenschaftsanteils zu rechnen (also iS des Standpunkts des Mannes mit mehr als 65.000 EUR), eine Ergänzung des Sachverständigengutachtens (der eine Benützungsregelung bei der Wertermittlung ausdrücklich nicht berücksichtigt hatte) sei aber im Hinblick auf die fehlende Leistungsfähigkeit der Frau nicht erforderlich.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Mannes nicht Folge. Es führte in rechtlicher Hinsicht zum festgestellten Sachverhalt im Wesentlichen Folgendes aus:
Der Mann habe sich nur gegen die Höhe der Ausgleichszahlung gewendet. Das Erstgericht sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Zuweisung der Liegenschaft an die Frau unbekämpft geblieben sei. Dass sie zu einer höheren Ausgleichszahlung wirtschaftlich in der Lage sei, habe der Mann nicht einmal vorgebracht. Der neuerlichen Bekämpfung der Verkehrswertermittlung der ehelichen Liegenschaft mangle es an der notwendigen Relevanz. In der nachehelichen Vermögensauseinandersetzung sei entsprechend § 83 Abs 1 erster Satz EheG nach Billigkeit zu entscheiden. Durch die Anordnung einer Ausgleichszahlung solle ein individuell gerechtes Aufteilungsergebnis herbeigeführt werden. Die Ausgleichszahlung müsse jedoch nicht rein rechnerisch immer auf Basis 50:50 erfolgen. Sie müsse angemessen, aber dem zahlungspflichtigen Teil wirtschaftlich zumutbar sein. Im Einzelfall könne es zu einer Kürzung des Ausgleichsbetrags auf ein Maß kommen, damit der Zahlungspflichtige noch „wohl bestehen" könne. Auch wenn der Zahlungspflichtige seine Kräfte entsprechend anspannen müsse, könne eine Ausgleichszahlung in der vollen rechnerischen Höhe im Einzelfall unzumutbar und unbillig sein. Die Ausgleichszahlung solle im Allgemeinen nicht dazu führen, den zahlungspflichtigen Ehegatten zur Veräußerung der ihm zugewiesenen Sache zu zwingen. Die Frage dürfe nicht zu einer Teilungsklage gegen ihre Mutter und ihren Bruder und sodann zu einem Notverkauf der Ehewohnung genötigt werden. Die Antragstellerin habe mit der minderjährigen ehelichen Tochter ein dringendes Wohnbedürfnis an der früheren Ehewohnung. Bei der Festsetzung der Ausgleichszahlung sei darauf Rücksicht zu nehmen, dass für beide Teile eine entsprechende wirtschaftliche Grundlage bei nunmehr getrennter Lebensführung gesichert bleiben solle. Jede Zahlungsverpflichtung eines ehemaligen Ehegatten, die diesen in der neuen wirtschaftlichen Lage nicht wohl bestehen ließe, widerspräche der nach § 94 Abs 1 EheG zu beachtenden Billigkeit. Dies dürfe aber nicht soweit gehen, das ein Ehegatte unter Hinweis auf die Vermögenslosigkeit und das geringe Einkommen des anderen dazu verhalten werde, seinen Anteil am gemeinsamen Vermögen entschädigungslos oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Entschädigung aufzugeben. Der Rekurs des Mannes wende sich nur gegen die seiner Ansicht nach unrichtige Verkehrswertermittlung, enthalte aber keine Ausführungen zu den Billigkeitskriterien betreffend die Festsetzung der Ausgleichszahlung. Einer Erörterung der im Rekurs dargestellten möglichen Wertermittlungen bedürfe es nicht mehr. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei. Der Antragsgegner beantragt mit seinem Revisionsrekurs die Abänderung dahin, dass der Frau eine Ausgleichszahlung von 217.750 EUR auferlegt werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung. Die Antragstellerin beantragt mit der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben. Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts zulässig und iS des gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurswerber wendet sich im Wesentlichen gegen die von den Vorinstanzen durchgeführte Ermittlung des Verkehrswerts unter Darlegung verschiedener Berechnungsmethoden. Die Feststellungen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Frau werden nicht als unrichtig oder unvollständig bekämpft.
Das Rekursgericht zitiert zwar grundsätzlich richtig die vom Obersten Gerichtshof in stRsp vertretenen Aufteilungsgrundsätze, dass bei der nach richterlichem Ermessen zu treffenden Billigkeitsentscheidung die Aufteilung der Vermögenswerte nicht immer im Verhältnis 50:50 erfolgen müsse, dass bei der Festsetzung der Ausgleichszahlung auf den Grundsatz des „Wohl-Bestehen-Könnens" Bedacht zu nehmen ist (6 Ob 322/04b; RIS-Justiz RS0057685) und dass der ausgleichspflichtige Ehegatte infolge zu hoher Ausgleichszahlung grundsätzlich nicht zur Veräußerung der ihm zugewiesenen Sache gezwungen werden soll. Richtig sind auch die Erwägungen zum Wohnbedürfnis der Frau und der Tochter als Aufteilungskriterium. Richtig ist ferner, dass der Mann die Übertragung des Miteigentumsanteils an die Frau nicht bekämpft und sich ausdrücklich nur gegen die Höhe der Ausgleichszahlung wendet. Schließlich führt das Rekursgericht auch zutreffend die Rsp an, dass ein (weit) unter 50 % des übergebenen Vermögenswerts liegende Ausgleichszahlung nicht dazu führen darf, dass der andere Ehegatte seinen Vermögensanteil entschädigungslos oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Entschädigung aufgeben muss (4 Ob 78/97t; 8 Ob 143/03t uva). Es widerspricht der Billigkeit, dem ehemaligen Ehegatten die Wohnung zuzuweisen, der auf keinen Fall in der Lage wäre, eine angemessene Ausgleichszahlung zu leisten (RIS-Justiz RS0057610).
Es bleibt allerdings offen, wie das Rekursgericht den zuletzt angeführten Grundsatz zum Thema der Angemessenheit bzw. Unverhältnismäßigkeit der Ausgleichszahlung auf den hier zu entscheidenden konkreten Einzelfall anwenden und die entscheidungswesentliche Rechtsfrage beantworten könnte, ohne über gesicherte Feststellungen über den Wert der vom Mann der Frau ins Eigentum zu übertragenden Liegenschaftsanteile zu verfügen. In seinen Rekursen an die zweite Instanz in beiden Rechtsgängen hatte der Mann jeweils einen wesentlich höheren Verkehrswert als 65.000 EUR releviert. Auf seine Rechtsmittelausführungen ging das Rekursgericht in beiden Rechtsgängen jeweils nur unzureichend ein. Im Aufhebungsbeschluss (ON 49) wurde primär nur eine Verfahrensergänzung zum Thema der Leistungsfähigkeit der Frau sowie zur Höhe der zu übernehmenden Schulden angeordnet. Eine Verfahrensergänzung zum Thema des Verkehrswerts hielt das Berufungsgericht nur für erforderlich, wenn eine höhere Leistungsfähigkeit der Frau festgestellt werde. Der Sachverständige hatte schon in der Tagsatzung vom 6. Oktober 2004 (S 1 f zu ON 41) erörtert, dass bei Vorliegen einer Benützungsregelung der Miteigentümer der Wert des Liegenschaftsanteils desjenigen, der das Haus mit höherem Wert benützt, höher wäre. Der Sachverständige führte weiters aus, dass er seinem Gutachten eine durchschnittliche Altersabwertung zugrundegelegt habe. Dies wäre hier nicht sachgerecht, wenn das Haus der Verfahrensparteien tatsächlich gegenüber den von den Verwandten der Frau benützten beiden anderen Häuser wesentlich jünger wäre oder einen besseren Erhaltungszustand hätte. Auch auf die zu diesen Themen erstatteten Rekurseinwendungen, die für den Verkehrswert maßgeblich sind, ging das Rekursgericht im zweiten Rechtsgang nicht ein, weil es von der nicht zu teilenden Rechtsansicht ausgeht, es käme hier nur auf die fehlende Leistungsfähigkeit der Frau zur Zahlung eines höheren Betrages als 50.000 EUR an. Dies liefe im Ergebnis darauf hinaus, dass im Aufteilungsverfahren Feststellungen über den Wert der aufzuteilenden Vermögenswerte generell entbehrlich und nur solche zur Leistungsfähigkeit des ausgleichspflichtigen Ehegatten zu treffen wären. Dies ist zweifellos nicht der Fall.
Die angefochtene Rekursentscheidung auf der Basis eines zum Thema des Verkehrswerts unvollständigen Sachverhalts könnte nur unter der Prämisse einer schon eingetretenen Teilrechtskraft der Entscheidung über die Übertragung des Miteigentumsanteils des Mannes an die Frau richtig sein. Davon scheint das Rekursgericht - freilich ohne nähere Begründung - mit seinem Hinweis ausgegangen zu sein, „dass die Zuweisung der Liegenschaft an die Antragstellerin unbekämpft blieb". Zwar sind auch im Aufteilungsverfahren ergangene Entscheidungen der Teilrechtskraft fähig. Deren Grenzen sind allerdings unter Wahrung des Funktionszusammenhangs mit dem Privatrecht von der regelnden Aufgabe des Richters her zu bestimmen (RIS-Justiz RS0007209). Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach ausgesprochen, dass durch die Anfechtung des Ausspruchs über die Ausgleichszahlung auch der Eintritt der Rechtskraft hinsichtlich der Aufteilungsanordnungen verhindert wird, und die Tatsache, dass Letztere unangefochten blieben, allein keinen Schluss auf eine diesbezügliche Einigung der geschiedenen Eheleute über die Aufteilung rechtfertige (so schon 5 Ob 548/81; 5 Ob 517/94; 3 Ob 292/04v). Gegen die Annahme einer Teilrechtskraft spricht hier schon die in beiden Rechtsgängen vom Antragsgegner als viel zu niedrig bekämpfte Ausgleichszahlung, sodass nicht davon ausgegangen werden darf, der Mann wolle unter allen Umständen, also auch um den Preis einer völlig unangemessenen Ausgleichszahlung, die Übertragung des Liegenschaftsanteils an die Frau in Rechtskraft erwachsen lassen, obwohl andere dem Billigkeitsgebot entsprechende Aufteilungsanordnungen zur Verfügung stünden, etwa die Übertragung des Anteils der Frau an den Mann gegen eine von ihm im Verfahren erster Instanz vorgeschlagene wesentlich höhere Ausgleichszahlung oder aber die Beibehaltung des bücherlichen Eigentums an den Liegenschaftsanteilen durch die Parteien und die Begründung eines Wohnrechts der Frau gegen Zahlung eines Benützungsentgelts an den Mann (vgl dazu 7 Ob 530/93 = SZ 67/38). Das Verfahren ist aus den dargelegten Gründen noch nicht spruchreif. Das Erstgericht wird im erneuerten Verfahren nach Ergänzung des Sachverständigengutachtens den Verkehrswert unter Einbeziehung der aufgezeigten Aspekte (Benützungsregelung der Miteigentümer; Abwertung nach dem konkreten Alter und Zustand des Hauses der Parteien) festzustellen haben. Erst danach wird die Angemessenheit des Ausgleichsbetrags überprüfbar sein. Die fehlende Leistungsfähigkeit der Frau zu einer höheren Ausgleichszahlung als 50.000 EUR ist allerdings ein abschließend erledigter Streitpunkt. Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass mangels endgültigen Ergebnisses des Verfahrens eine Kostenentscheidung derzeit noch nicht getroffen werden kann.
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