OGH 3Nc14/18s

OGH3Nc14/18s14.8.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. J***** H*****, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. Candidus Cortolezis, Rechtsanwalt in Graz, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen von Dr. D***** Z*****, vertreten durch Mag. Christian Fauland, Rechtsanwalt in Graz, wegen Aufkündigung, über den „Revisionsrekurs“ der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 7. Juni 2018, GZ 7 R 29/18p‑119, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0030NC00014.18S.0814.000

 

Spruch:

Der „Revisionsrekurs“ wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Mit Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 17. Mai 2017 wurde die gerichtliche Aufkündigung vom 18. Dezember 2014 für rechtswirksam erkannt und die nunmehrige Insolvenzschuldnerin zur Räumung der klagsgegenständlichen Liegenschaft verpflichtet.

Die dagegen erhobene Berufung der beklagten Partei wurde vom Bezirksgericht Graz‑Ost mit Beschluss vom 28. August 2017 als verspätet zurückgewiesen.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz gab dem Rekurs der beklagten Partei gegen diesen Beschluss mit Beschluss vom 2. Oktober 2017, 7 R 108/17d, nicht Folge. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO).

Den dagegen erhobenen Revisionsrekurs der beklagten Partei wies das Bezirksgericht Graz-Ost mit Beschluss vom 4. Jänner 2018 unter Hinweis auf § 528 Abs 2 Z 2 ZPO gemäß § 523 ZPO zurück.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz gab dem Rekurs der beklagten Partei gegen diese Zurückweisung mit Beschluss vom 7. Juni 2018, 7 R 29/18p, nicht Folge. Es sprach wiederum aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO).

Dagegen richtet sich eine direkt beim Obersten Gerichtshof eingebrachte und als „Revisionsrekurs“ bezeichnete Eingabe der beklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss „nach Aufhebung der genannten Stellen des § 520 Abs 1, des § 523 und des § 528 Abs 2 ZPO durch den Verfassungsgerichtshof“ aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Diese Eingabe ist ohne weiteres Verbesserungsverfahren als zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung ungeeignet zurückzuweisen.

Nach § 520 Abs 1 ZPO sind Rechtsmittel gegen Rekursentscheidungen der zweiten Instanz beim Erstgericht einzubringen. Wird ein Rechtsmittel beim Rekursgericht oder beim Obersten Gerichtshof eingebracht, ist es von Amts wegen dem Erstgericht zu überweisen (zB 3 Ob 128/17w; RIS‑Justiz RS0006979).

Eine solche Überweisung oder ein allfälliger Verbesserungsauftrag kommt hier aber nicht in Betracht, weil die beklagte Partei im Rubrum ihres Schriftsatzes ausdrücklich erklärt, dass eine Weiterleitung an das Erstgericht nicht gestattet sei. Der Revisionsrekurs werde aus verfassungsrechtlichen Gründen direkt beim Obersten Gerichtshof eingebracht, der zur alleinigen Entscheidung bestimmt sei. Die beklagte Partei zielt also bewusst darauf ab, dass ihre Eingabe nicht an das Erstgericht weitergeleitet wird. Eine Überweisung gegen den Willen der beklagten Partei kommt demgemäß nicht in Betracht.

Die beklagte Partei macht verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtsmittelbeschränkung des § 528 Abs 2 ZPO, die 14tägige Rechtsmittelfrist (§ 521 ZPO) sowie gegen §§ 520, 523 ZPO geltend. Die genannten Bestimmungen verstießen gegen das verfassungsrechtlich eingeräumte Recht, wonach sich jedermann in den ihn betreffenden Angelegenheiten nach Durchlaufen des Instanzenzugs an den Obersten Gerichtshof wenden könne.

Der Senat teilt diese Bedenken nicht:

Der Oberste Gerichtshof ist nach der Gerichtsverfassung immer als dritte bzw nach der Bundesverfassung (Art 92 Abs 1 B‑VG) als oberste Instanz zur Entscheidung berufen, sofern nicht das Gesetz seine Anrufung ausschließt. Die Bundesverfassung garantiert wohl den Bestand des Obersten Gerichtshofs als Institution, nicht aber, dass seine Anrufung in jedem Fall – etwa aufgrund des sich aus Art 6 MRK ergebenden Rechts auf Zugang zu den Gerichten – möglich sein muss (vgl RIS‑Justiz RS0044057; RS0074613). Rechtsmittelbeschränkungen sind vielmehr verfassungsrechtlich zulässig, sofern sie die Funktion des Obersten Gerichtshofs nicht aushöhlen oder ihn ganz ausschalten (Ballon in Fasching/Konecny 3 § 3 JN Rz 3 mwM). Sie verstoßen auch nicht gegen Art 6 Abs 1 EMRK (Ballon § 3 JN Rz 3; RIS‑Justiz RS0074613).

Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum der Gesetzgebung, die Zuständigkeit eines erst in dritter Instanz entscheidenden Gerichts zu beschränken und den Zugang zu diesem Gericht entsprechend auszugestalten. Der Verfassungsgerichtshof hat dazu bereits ausgesprochen, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen bestehen, die Zulässigkeit der Anrufung eines Höchstgerichts vom Wert des Streitgegenstands abhängig zu machen (VfSlg 19.705; VfGH G 135/2014). Weder Art 92 Abs 1 B‑VG noch Art 6 MRK sind geeignet, Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit auch der Rechtsmittelbeschränkung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO hervorzurufen (RIS-Justiz RS0044057 [T8]).

Das Gesagte betrifft in gleicher Weise die Regelung des § 523 ZPO, wonach bereits das Erstgericht unzulässige Rekurse zurückzuweisen hat. Auch durch den Umstand, dass eine dies bestätigende Entscheidung des Rekursgerichts nicht mehr bekämpft werden kann, wird der Zugang zum Obersten Gerichtshof nicht in verfassungswidriger Weise ausgeschlossen.

Inwieweit der Zugang zum Höchstgericht allein durch die Bestimmung des § 520 Abs 1 ZPO eingeschränkt sein soll, ist nicht nachvollziehbar; geht es doch dabei nur darum, dass jedes Rechtsmittel zunächst beim Erstgericht einzubringen ist.

In der 14‑tägigen Frist für die Erhebung von Rechtsmitteln gegen die Zurückweisung eines Rechtsmittels ist eine Verfassungswidrigkeit ebenfalls nicht zu erkennen (3 Ob 44/08d), weil es sich bei dieser Rechtsmittelfrist jedenfalls nicht um einen Extremfall im Sinne des zur StPO ergangenen Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs VfSlg 15.786 handelt.

Der Senat sieht sich daher nicht veranlasst, die Aufhebung der von der beklagten Partei erwähnten Gesetzesbestimmungen gemäß § 140 Abs 1 B‑VG beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

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