Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Zuerkennung von Kosten des Rekursverfahrens wird abgewiesen.
Text
Begründung
Waltraud E*** und Ing. Gottfried E*** haben am 30. August 1983 die Ehe geschlossen. Der Ehe entstammt der am 13. April 1984 geborene Sohn Jan E***. Aus der ersten Ehe der Waltraud E*** stammen zwei weitere Kinder, und zwar Herbert V***, geboren am 3.Oktober 1970, und Mario V***, geboren am 12. Jänner 1977, welche sich in Pflege und Erziehung der Mutter befinden. Zu 19 Cg 96/85 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien ist zwischen Waltraud und Ing. Gottfried E*** ein Scheidungsverfahren anhängig.
Am 10.Jänner 1988 verließ Ing. Gottfried E***, der bisher als HTL-Lehrer beschäftigt war, unter Mitnahme seines ehelichen Sohnes Jan die Ehewohnung in Henndorf am Wallersee, Fenning Nr. 10, ohne Zustimmung der Waltraud E***. Beide sind seither unbekannten Aufenthalts. Die Zustellung der für Ing. Gottfried E*** bestimmten Gerichtspost erfolgt unter der Anschrift seines mit schriftlicher Vollmacht ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertreters Dr.Erhard C.J. Weber, Rechtsanwalt in Wien.
Das pflegschaftsgerichtliche Verfahren wurde durch den beim Erstgericht am 19.Jänner 1988 zu Protokoll gegebenen Antrag der Mutter Waltraud E*** anhängig, nämlich ihr die elterlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich des mj. Sohnes Jan gemäß § 177 Abs 2 ABGB zuzustellen. Dieser Antrag wurde damit begründet, daß der eheliche Vater bisher seine Pflegefähigkeit keineswegs habe beweisen können. Sein Verhalten und seine Vorgangsweise zeigten Unreife. Den gleichen Antrag stellte der eheliche Vater Ing. Gottfried E***. Dieser Antrag wurde im wesentlichen damit begründet, die Mutter habe nicht nur den ehelichen Haushalt, sondern auch den mj. Sohn Jan schwer vernachlässigt, habe nicht nur den Vater in Gegenwart des Kindes, sondern in gereizter Stimmung auch den mj. Jan selbst beschimpft, so daß dieser bereits psychische Schäden davongetragen hätte. Auf Grund seines Berufes als Computerfachmann und infolge seiner ausgeübten Tätigkeit als Lehrer und Pfadfinderführer sei er auch imstande und gewillt, den mj. Sohn Jan, der ausschließlich auf ihn bezogen sei, zu betreuen und zu erziehen, welche Fähigkeiten der ehelichen Mutter (wie sich auch insbesondere bei ihrem Sohn Herbert aus erster Ehe gezeigt habe, der bereits einige Male zu seinem leiblichen Vater habe zurückkehren wollen) fehlten.
Mit Schriftsatz vom 8.Juli 1988 stellte die eheliche Mutter Waltraud E*** überdies die Anträge, durch einstweilige Verfügung
a) dem ehelichen Vater den Auftrag zu erteilen, seinen mj. Sohn Jan nach Bekanntgabe bzw. unter Bekanntgabe des derzeitigen Aufenthaltsortes binnen drei Tagen in den ehelichen Haushalt zur Obsorge durch die Mutter zurückzubringen, b) unter Heranziehung der Anspannungstheorie den ehelichen Vater zur Leistung eines einstweiligen monatlichen Unterhalts von S 2.000 an seinen Sohn Jan zu verpflichten, und c) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die beiden Anträge auf Übertragung der elterlichen Rechte, diese vorläufig der ehelichen Mutter Waltraud E*** zu übertragen. Zur Begründung dieser Anträge führte Waltraud E*** aus, der eheliche Vater, der trotz ausdrücklicher Aufforderung des Gerichtes seinen und des Kindes Aufenthalt nicht bekanntgegeben habe und der durch erpresserische Briefe eine einvernehmliche Scheidung habe erzwingen wollen, führe einen äußerst unsteten Lebenswandel, hätte seine Schule, bei der er zuletzt unterrichtet habe, einfach verlassen, habe schon während aufrechter Ehe mittels Zeitungsannoncen um neue Partnerschaften geworben, auch schon vor seinem Verschwinden für seine Familie nur unzureichend gesorgt und sie hätte von ihm neben der Familienbeihilfe nur monatlich S 400 erhalten. Es sei auch völlig ungeklärt, ob Gottfried E*** nunmehr einer geregelten Beschäftigung nachgehe und ob die Entfernung des mj. Sohnes Jan nur aus dem egoistischen Motiv heraus geschehen sei, um eine einvernehmliche Scheidung zu erzwingen. Die Vorgangsweise des ehelichen Vaters sei rücksichtslos und unverantwortlich und es habe naturgemäß ein Kleinkind zu seiner Mutter, die es ganztägig umsorgte, eine besondere Beziehung.
Mit Schriftsatz seines Vertreters vom 17.August 1988 sprach sich der eheliche Vater gegen die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung im wesentlichen mit der Begründung aus, daß er seit Abschluß seines Studiums in geordneten und geregelten Arbeitsverhältnissen stehe, als Computerfachmann imstande sei, zu Hause zu arbeiten, und er daher trotz eines Beschäftigungsverhältnisses den mj. Sohn Jan beaufsichtigen und versorgen könne. Dagegen hätte die eheliche Mutter während aufrechter Ehe nicht nur das Kind selbst, sondern auch den Haushalt gröblich vernachlässigt, dem mj. Jan kein Frühstück verabreicht, diesen stundenlang unbeaufsichtigt auf der Straße herumlaufen lassen und sohin ärgsten Gefahren ausgesetzt. Darüber hinaus habe sich der mj. Jan stets die ärgsten Beschimpfungen, welche gegen seinen Vater gerichtet gewesen seien, anhören müssen und habe auch ständig unter der gereizten Stimmung seiner Mutter gelitten, welche auch zu Beschimpfungen des Kindes selbst führten, so daß dieses bereits verschreckt gewesen sei und sich in Gegenwart seiner Mutter nicht einmal mehr weinen getraut habe. Schließlich habe ihm die Mutter auf seine schriftliche Anfrage vom 20.März 1988 die bisherigen Impfungen des mj. Sohnes Jan nicht mitgeteilt, woraus sich ergebe, daß sie am Wohl ihres Sohnes nicht interessiert sei.
Das Erstgericht ordnete gemäß § 177 ABGB an, daß in Hinkunft sämtliche aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und mj. Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten (§ 144 ABGB) hinsichtlich des mj. Jan E*** der Mutter Waltraud E*** allein zustehen. Gleichzeitig erteilte es dem Vater Gottfried E*** den Auftrag, den ehelichen Sohn Jan unverzüglich der Mutter herauszugeben bzw. zu übergeben. Das Erstgericht stellte hiezu außer den eingangs bereits wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen noch folgenden weiteren Sachverhalt fest:
Die Mutter Waltraud E***, welche früher ausschließlich im Haushalt tätig war und nunmehr halbtags beschäftigt ist, pflegte den mj. Sohn Jan sowie auch ihre Kinder aus erster Ehe im Haushalt. Aus dem Pflegschaftsakt P 19/88 des Bezirksgerichtes Neumarkt bei Salzburg betreffend die mj. Kinder V*** ist nichts für das Wohl dieser Kinder Nachteiliges ersichtlich. Einem Auftrag des Gerichtes, einen Kostenvorschuß zwecks Bestellung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiete der Kinderpsychologie zu erlegen und überdies seinen und des Kindes Wohnort bekanntzugeben, ist der Vater bis jetzt nicht nachgekommen. Sein Rechtsanwalt hat das Gericht wie folgt informiert: "In der oben bezeichneten Angelegenheit hat mich meine Mandantschaft informiert, daß sie sich bis voraussichtlich Juni 1989 im Ausland befindet. Das diesbezügliche Informationsschreiben lege ich zu Ihrer geschätzten Kenntnisnahme bei. Bisher war es mir nicht möglich, meiner Mandantschaft den Beschluß vom 10.Juni 1988, B.Z.: P 5/88, zukommen zu lassen, werde jedoch weiter versuchen, meine Mandantschaft zu erreichen, um den Beschluß vom 10.Juni 1988 weiterzureichen. Nach Einlangen einer Weisung meiner Mandantschaft werde ich unaufgefordert auf die Angelegenheit zurückkommen."
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, der eheliche Vater Gottfried E*** sei womöglich gar nicht in der Lage - beruflich und mangels zur Verfügung stehender Zeit -, den mj. Sohn Jan zu pflegen und zu erziehen. Er gebe auch nicht einmal den Aufenthaltsort des Kindes dem Gericht bekannt und sei seinerzeit mit diesem verschwunden, ohne es auf die Trennung gegenüber der Mutter und den Halbgeschwistern vorzubereiten. Er gebe auch der Mutter keine Möglichkeit, mit ihrem Kind in Kontakt zu treten und es seien die Situation desselben, insbesondere dessen Pflegeverhältnisse, völlig unbekannt. Gerade der Umstand, daß Gottfried E*** eigenmächtig die Trennung seines vier Jahre alten Sohnes von der Mutter herbeigeführt habe und jeden Kontakt zu dieser unmöglich mache, erscheine im hohen Maße geeignet, sich schädlich auf die Persönlichkeit des Kindes auszuwirken und damit dessen Wohl zu gefährden, weshalb die im Rahmen der einstweiligen Verfügung getroffene Zuteilung der Elternrechte an die Mutter gerechtfertigt erscheine. Es sei offensichtlich, daß der Vater die persönlichen Differenzen mit seiner Ehegattin dieser als abträglich für das gemeinsame Kind in die Schuhe schiebe. Durch seine Vorgangsweise wolle der eheliche Vater offenbar die endgültige Entscheidung über die beiden Elternteilen derzeit gemeinsam zustehenden Rechte und Pflichten des § 144 ABGB widerrechtlich präjudizieren und gebe nicht einmal dem Pflegschaftsgericht die Möglichkeit, durch Befragung und Untersuchung des mj. Kindes über dessen Pflege und Erziehung entscheiden zu können. Wenn die Mutter dem Kindesvater aus Ärger auf seine Briefe nicht antworte, so sei dies menschlich verständlich, zumal dieser nicht einmal den Mut habe, seine richtige Absenderadresse zu nennen. Ein aufmerksamer Familienvater hätte sich überdies schon vor der eigenmächtigen Entfernung des Kindes über bereits erfolgte Impfungen informiert, was ein Beweis für die Leichtfertigkeit der Handlungsweise des ehelichen Vaters Gottfried E*** sei und Böses für die Zukunft des Kindes ahnen lasse. Der lediglich aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Rekurs des Vaters gegen den Beschluß des Erstgerichtes blieb erfolglos. Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz mit der Maßgabe, daß die Zuweisung der Elternrechte an die Mutter Waltraud E*** nur bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anträge beider Elternteile auf Zuweisung der Elternrechte Geltung habe. Das Rekursgericht billigte, ausgehend von den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes, die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz. Das Rekursgericht führte aus, gemäß § 177 Abs 2 ABGB habe das Gericht im Falle einer nicht nur vorübergehenden Trennung der Eltern, wenn innerhalb angemessener Frist eine Vereinbarung über die Pflege und Erziehung des mj. ehelichen Kindes nicht zustandekomme oder wenn diese nicht dem Wohl des Kindes entspreche, auf Antrag eines Elternteiles zu entscheiden, welchem Elternteil die bezeichneten Rechte und Pflichten künftig allein zustehen. Die Judikatur bejahe auch vorläufige Pflegemaßnahmen und damit auch die vorläufige Zuteilung der Elternrechte. Nach der Rechtsprechung müsse für die vorläufige Zuteilung der Elternrechte eine besondere Dringlichkeit im Sinne einer Gefahr für das Kindeswohl gegeben sein. Diese Dringlichkeit sei etwa bei offenkundigen Animositäten der Elternteile gegeneinander oder bei bestehender Gefahr, daß die Kinder, die in Österreich aufgewachsen sind, in das Ausland verbracht werden, als gegeben angesehen worden. Nach dem Scheitern einer Familie durch Trennung der Eltern entspreche jene Lösung wohl am besten dem Wohl des Kindes, welche diesem noch am ehesten den Vorteil eines intakten Familienlebens bieten könne. Da die Ehegatten E*** seit der am 10. Jänner 1988 erfolgten ständigen Trennung keine Vereinbarung darüber getroffen hätten, welchem Elternteil die Pflege und Erziehung des mj. Sohnes Jan zukommen solle, müsse nunmehr unter ausschließlicher Bedachtnahme auf das Wohl des Minderjährigen geprüft werden, welchem Elternteil die Pflege und Erziehung voräufig anzuvertrauen sei. Bei der Entscheidung dieser Frage sei nach der Rechtsprechung davon auszugehen, daß Kleinkinder im zarten Alter möglichst bei der Mutter unterzubringen sind, der jedoch grundsätzlich kein Vorrecht auf Pflege und Erziehung der Kinder im Falle dauernder Trennung der Eltern zustehe und daß Geschwister möglichst nicht zu trennen seien. Es könne daher keine Frage sein, daß der mj. Jan E*** im Alter von nunmehr viereinhalb Jahren bei sonst gleichartigen Pflege- und Erziehungsverhältnissen vorzüglich seiner Mutter zuzuweisen sei, weil er in diesem Alter der im allgemeinen unersetzbaren mütterlichen Zuneigung, Gefühle und Wärme bedürfe und im erhöhten Maße noch körperlich betreut werden müsse. Nach den unbedenklichen und unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes habe der mj. Jan E*** bis zu der durch den Vater eigenmächtig herbeigeführten Trennung zusammen mit seinen Halbbrüdern Herbert und Mario V*** im Haushalte seiner Mutter gelebt und sei von dieser betreut, gepflegt und erzogen worden. Unter Bedachtnahme auf die oben erwähnten Grundsätze könnten daher nur besonders gravierende Umstände einen Wechsel des gewohnten Milieus - samt zwangsläufig verbundenen Gefahren für die weitere ruhige und ständige Entwicklung für den mj. Jan
E*** - rechtfertigen. Hinsichtlich der im Mittelpunkt des Rekursverfahrens stehenden persönlichen Eignung der Mutter zur Pflege und Erziehung ihres mj. Sohnes Jan fänden die vom Vater vorgebrachten Bedenken gegen ihre charakterliche Eignung als Erziehungsperson in dem Verfahren vor dem Erstgericht und in den getroffenen Feststellungen keine Bestätigung. Das Erstgericht habe vielmehr entgegen den Behauptungen des Vaters aus dem Pflegschaftsakt P 19/88 betreffend die mj. Kinder V*** festgestellt, daß nichts für das Wohl dieser Kinder Negatives ersichtlich sei. Nach dem Akteninhalt und den Feststellungen des Erstgerichtes bestehe jedenfalls kein Grund dafür, die charakterlichen und erzieherischen Fähigkeiten der Mutter geringer einzuschätzen als jene des Vaters. Im übrigen könne ein allfälliges Beweisdefizit, das dadurch entstanden sei, daß sich der Vater aus welchen Gründen immer veranlaßt sah, die gründliche Feststellung der für die Sorgerechtsentscheidung maßgebenden Verhältnisse durch das Gericht zu vereiteln, weil er sich und seinen mj. Sohn verborgen halte, nur zu seinen Lasten gehen. Keinesfalls könne das Rekursvorbringen eine Grundlage dafür bieten, den mj. Jan E*** nach der fast vier Jahre andauernden Betreuung durch seine Mutter plötzlich aus seiner gewohnten Umgebung zu reißen und dem Vater die vorläufige Pflege und Erziehung über seinen Sohn zu überlassen. Konkrete Umstände, die eine solche Maßnahme im Interesse des Kindes dringlich geboten erscheinen ließen, habe jedenfalls der Vater nicht bescheinigen können und es seien solche nach den Feststellungen des Erstgerichtes auch zu verneinen. Soweit der Vater in seinem Rechtsmittel die Ansicht des Erstgerichts bekämpfe, es sei menschlich verständlich, wenn die Mutter dem Vater aus Ärger nicht auf seine Briefe antwortete und ihr Lieblosigkeit zu ihrem mj. Sohn Jan vorwerfe, weil sie dem Vater über sein Ersuchen nicht die Impfkarte zugesendet habe, so ließen diese Ausführungen jedenfalls den Inhalt der beiden Schreiben des Vaters an seine Ehegattin vom 16. Jänner und 1.Februar 1988 samt der von ihm vorbereiteten Erklärung vom 14.Jänner 1988 unberücksichtigt, aus denen erhelle, daß Ing. Gottfried E*** über den mj. Sohn Jan ein Druckmittel auf seine Ehefrau ausüben wolle, um eine einvernehmliche Scheidung zu erwirken. In dem Schreiben vom 16.Jänner 1988 habe der Rekurswerber wörtlich ausgeführt: "Du sollst wissen, daß ein Kind, welches drei Jahre bei einem Elternteil lebt, nicht mehr dem anderen zugesprochen werden kann. Da wir bis zur Scheidung als Eheleute beide erziehungsberechtigt sind, kann mir niemand verbieten, mit meinem Sohn einen dreijährigen Urlaub zu machen. Und eine Scheidung drei Jahre in die Länge zu ziehen, ist kein Problem (siehe Gunther K***). Daher bleibt Jan bei mir". Aus dem Umstand, daß Waltraud E*** auf das Schreiben des Rekurswerbers vom 20.März 1988 um Übersendung der Impfkarte für den mj. Sohn Jan nicht antwortete, könnten keine weitreichenden Schlüsse gezogen werden, zumal er als Grund für die Übersendung unter anderem anführte: "Da wir e.v. um Pocken, Gelbfieber und "Colora" nicht herumkommen werden, will ich ihm jede weitere Impfung sparen", woraus Waltraud E*** im Zusammenhalte mit dem eigenmächtigen Verbringen des mj. Jan aus der ehelichen Wohnung durch den Vater mit Recht befürchten durfte, dieser werde sich mit dem mj. Sohn jedenfalls für längere Zeit ins Ausland begeben, in welchem solche weitreichenden Impfungen erforderlich sein würden. Zusammenfassend pflichte das Rekursgericht der im bekämpften Beschluß begründeten Auffassung des Erstgerichtes bei, daß die bisherigen Verfahrensergebnisse unter dem Gesichtspunkt der charakterlichen Eignung der Mutter zur Erziehung ihres mj. Sohnes Jan keine Gründe ergeben hätten, den genannten Minderjährigen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anträge beider Elternteile auf Zuweisung der Elternrechte betreffend ihren mj. Sohn Jan in Pflege und Erziehung des Rekurswerbers zu belassen. Infolge der vorläufigen Zuweisung der Elternrechte an die Mutter sei auch der Auftrag an den ehelichen Vater ein begründeter, dem mj. Sohn Jan unverzüglich seiner Mutter zu übergeben. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs des Vaters aus den Anfechtungsgründen der "Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung" mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die elterlichen Rechte und Pflichten dem Vater zu übertragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Der Vater führt in seinem Rechtsmittel aus, in der bekämpften Entscheidung werde darauf hingewiesen, daß unter ausschließlicher Bedachtnahme auf das Wohl des Minderjährigen geprüft werden müsse, welchem Elternteil die Pflege und Erziehung vorläufig anzuvertrauen sei. Dennoch, obwohl das Gericht von Prüfung spreche, sei auf Grund einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht einmal die dem Gericht zur Verfügung gestellte, mit dem Kind aufgenommene Tonbandkassette gewürdigt worden. Aus dieser gehe eindeutig hervor, daß das Kind eine überaus innige Beziehung zum Vater habe und die Mutter stets ablehnte, ja fürchtete bzw. die Mutter in keiner Weise vermißte. Vorliegendenfalls sei mißachtet worden, daß eine "global getroffene" Rechtsansicht, welche zugegebenermaßen auf viele Fälle Anwendung finde, nicht ungeprüfterweise auf jeden Einzelfall angewendet werden könne. Vielmehr müßten derart gravierende Entscheidungen, welche für das künftige Wohlbefinden Minderjähriger ausschlaggebend seien, an Hand der vorliegenden Gegebenheiten eingehend und nachhaltig geprüft werden. Wäre dies der Fall gewesen, so wäre das Gericht zweifelsohne zu der Erkenntnis gelangt, daß der mj. Jan E*** nicht der in diesem Alter allgemein unersetzbaren mütterlichen Zuneigung, Gefühle und Wärme bedürfe, sondern die Mutter vielmehr ablehne sich vor ihr fürchte, sondern vielmehr lediglich ein ungestörtes Zusammenleben mit dem Vater benötige, um glücklich und zufrieden zu sein. Dies sei auch der alleinige Grund gewesen, wieso vom Vater die Trennung herbeigeführt wurde, da dieser das Unbehagen und die Angst, welches der Minderjährige stets in Gegenwart der Mutter empfunden habe, nicht mehr habe ertragen können und befürchtet habe, daß das Kind nicht wieder gutzumachende psychische Schäden hiedurch erleide. Im Hinblick darauf, daß für das Wohlbefinden des mj. Jan bei Erziehung und Pflege durch die Mutter ärgste Befürchtungen gegeben wären, ein nicht wieder gutzumachender Schaden in der Psyche des Kindes drohe, seien die Rechtsmittelanträge gerechtfertigt.
Diesen Ausführungen ist folgendes zu erwidern: Das Rekursgericht hat den Beschluß des Erstgerichtes bestätigt. Da es sich somit um eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes handelt, wäre ein Revisionsrekurs gemäß § 16 AußStrG nur wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit oder offenbarer Gesetzwidrigkeit zulässig. Mit dem Vorbringen, das Rekursgericht habe die dem Erstgericht vorgelegte Tonbandkassette, bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, macht der Rechtsmittelwerber angebliche Verfahrensmängel geltend. Verfahrensmängel können aber in einem Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG nur dann geltend gemacht werden, wenn sie das Gewicht einer Nichtigkeit erreichen (vgl. EFSlg 47.240 ua). Von einem Verfahrensmangel vom Gewicht einer Nichtigkeit dadurch, daß das Rekursgericht den Inhalt einer Tonbandkassette, auf der offenbar Aussagen des Kindes enthalten sind, die vom Vater aufgenommen wurden, nicht berücksichtigt hat, kann im vorliegenden Fall jedoch keine Rede sein. Wird zudem darauf Bedacht genommen, daß der Vater den Minderjährigen eigenmächtig und rechtswidrig an sich brachte, seinen Aufenthaltsort geheim hält und nach seinem eigenen Vorbringen (ON 12) den Minderjährigen ins Ausland verbrachte, wo sich der Vater bis Juni 1989 angeblich auf einer Studienreise befindet, wodurch er die Möglichkeit einer eingehenderen objektiven Überprüfung der für die Entscheidung über die Zuweisung der elterlichen Rechte und Pflichten an einen Elternteil erforderlichen Voraussetzungen durch das Gericht vereitelte, ist der objektive Beweiswert der vom Vater mit dem Kind produzierten Tonbandaufnahme jedenfalls derart zu veranschlagen, daß in der Unterlassung von deren Verwertung als Beweismittel keinesfalls ein Verfahrensmangel vom Gewicht einer Nichtigkeit im Sinn des § 16 AußStrG erblickt werden kann.
Die weiteren Ausführungen des Revisionsrekurses könnten noch am ehesten dem allerdings nicht ausdrücklich geltend gemachten Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit unterstellt werden. Offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinn des § 16 AußStrG liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich oder so klar geregelt ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und dennoch eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung getroffen wurde (EFSlg 44.642 uva), wenn die Entscheidung Grundprinzipien des Rechts verletzt (SZ 23/289; EFSlg 44.647; EFSlg 42.328 uva) oder das Wohl des Kindes gänzlich außer acht läßt (EFSlg 44.648; EFSlg 42.334 ua).
Die Frage, welchem Elternteil bei einer nicht bloß vorübergehenden Trennung die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten zustehen sollen, wird im Gesetz nicht bestimmt gelöst. Es werden nur bestimmte Kriterien genannt, die in die Ermessenserwägungen des Gerichtes einzubeziehen sind (EFSlg 42.339; EFSlg 39.834 ua). Die nach dem § 177 Abs 2 ABGB zu treffende Entscheidung über die Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten kann als Lösung einer Ermessensfrage dann nicht offenbar gesetzwidrig sein, wenn in die Erwägungen alle nach dem Gesetz zu berücksichtigenden Kriterien einbezogen wurden und das Wohl des Kindes dabei nicht übergangen wurde (EFSlg 44.656; EFSlg 44.657; EFSlg 42.339; EFSlg 42.340 ua).
Dies muß umso mehr gelten, wenn es nur darum geht, durch die vorläufige Maßnahme, die im Interesse des Wohls der Kinder aus den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles heraus geboten ist, sicherzustellen, daß bis zur endgültigen Entscheidung über die Anträge nach dem § 177 Abs 2 ABGB die Kinder nicht zwischen den Elternteilen, denen die Rechte und Pflichten nach § 144 ABGB zustehen, deren Einvernehmen aber fehlt, hin und her gerissen werden und vor allem zu verhindern, daß zum Nachteil und Schaden der Kinder von einem Elternteil eine Rechtsausübung erfolgt, durch die der endgültigen Zuteilung der Elternrechte und Elternpflichten vorgegriffen werden soll (vgl. EFSlg 49.964 ua). Hiebei ist der Betreuung von Kleinkindern durch die Mutter der Vorzug zu geben (EFSlg 45.868 ua).
Entscheidend ist, daß die vom Vater gegen die charakterliche Eignung der Mutter als Beziehungsperson im erstgerichtlichen Verfahren und in den erstgerichtlichen Feststellungen keinerlei Bestätigung gefunden haben und sich aus dem Akteninhalt und den Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, die charakterlichen und erzieherischen Fähigkeiten der Mutter geringer einzuschätzen als jene des Vaters. In der Auffassung des Rekursgerichtes, es bestehe kein Anlaß, den mj. Jan E*** nach der fast vier Jahre andauernden Betreuung durch seine Mutter plötzlich aus seiner gewohnten Umgebung zu reißen und dem Vater, der das Kind eigenmächtig und rechtswidrig ins Ausland verbrachte, die vorläufige Pflege und Erziehung über seinen Sohn zu überlassen, kann weder eine Unterlassung der Einbeziehung aller nach dem Gesetz zu berücksichtigenden Kriterien in die Entscheidung noch eine Außerachtlassung des Kindeswohles erblickt werden.
Der Rechtsmittelwerber vermochte daher keinen der im § 16 AußStrG angeführten Anfechtungsgründe aufzuzeigen, so daß der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen war.
Für den vom Rechtsmittelwerber geltend gemachten Kostenersatzanspruch fehlt es im Verfahren außer Streitsachen an einer gesetzlichen Grundlage.
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