OGH 2Ob503/96

OGH2Ob503/9625.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Herbert Pflanzl und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei R***** Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Anton Baier und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen S 419.912,71 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 20.April 1995, GZ 2 R 28/95-14, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 9.November 1994, GZ 11 Cg 464/93k-9, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin brachte vor, sie habe von der Beklagten in laufender Geschäftsverbindung Spindelöl bezogen, das sie zur Erzeugung von Heizöl leicht verwendet habe. Ende November 1990 hätten diverse Kunden Mängel reklamiert. Überprüfungen hätten ergeben, daß sich vom Spindelöl Paraffin abgesondert habe. Die belieferten Firmen hätten Schadensbeträge von S 667.455,71 geltend gemacht, auf die die Haftpflichtversicherung der Beklagten S 400.000 geleistet habe, sodaß aus diesem Titel noch S 267.455,71 aushaften. Im Rahmen der Schadensfeststellung und Wiederaufbereitung des Heizöls seien bei ihr Kosten der Produktaufbereitung von S 95.664, der Additive von S 102.000 und der Laborarbeiten von S 107.250 aufgetreten, von denen sie vorläufig vorbehaltlich späterer Ausdehnung nur die Hälfte im Betrag von S 152.457 ersetzt begehre, sodaß sich der Klagsbetrag mit insgesamt S 419.912,71 errechne. Im Rahmen des Imports des Spindelöls aus der DDR durch die Beklagte seien dem Spindelöl Analysen beigefügt gewesen. Die Beklagte habe die Überprüfung unterlassen, ob diese Analysen mit dem Produkt übereinstimmen. Darüberhinaus sei der Beklagten vorzuwerfen, daß sie bereits zum Zeitpunkt der Auslieferung an die Klägerin die Zusammensetzung des gelieferten Spindelöls gekannt, ihr aber nicht mitgeteilt habe. Aus diesem Grund habe sie keine Maßnahmen zur Vermeidung der Schäden einleiten können. Die Beklagte habe den ihr entstandenen Schaden mit Brief vom 15.4.1991 ihrer Haftpflichtversicherung gemeldet. Mit diesem Brief sei der Schaden anerkannt worden. Dies ergebe sich auch daraus, daß die Haftpflichtversicherung - wie bereits ausgeführt - einen Teilbetrag von S 400.000 geleistet habe. Eine Verjährung sei nicht eingetreten. Sie habe zwar mit Schreiben vom 10.12.1990 die Mängel gerügt, doch hätten nachher umfassende Laborversuche durch sie und durch Dritte ausgeführt werden müssen. Erst durch den Untersuchungsbericht des Univ.Prof. Dipl.Ing. Dr.S***** vom 11.11.1992 sei endgültig die Mängelursache festgestanden.

Die Beklagte erwiderte, sie habe im gegenständlichen Zeitraum über Treuhänder an der Klägerin eine Beteiligung von 33,33 % gehalten. Im Juni 1990 habe sie über Betreiben der Klägerin - die dem von ihr gelieferten Spindelöl nach Inkrafttreten des Luftreinhaltegesetzes aus Kostengründen statt "Heizöl mittel" nunmehr "Industrieheizöl" habe beimengen wollen - Spindelöl in geringfügig abgeänderter chemischer Zusammensetzung, zunächst in Form einer Probelieferung, importiert. Diese Probelieferung sei von der Klägerin analysiert und in der Folge ein geringfügiger Änderungswunsch hinsichtlich der Viskosität geäußert worden. Diesen Wunsch habe sie der Lieferfirma weitergegeben. Für die Prüfung der Folgeaufträge sei der Geschäftsführer der Klägerin verantwortlich. Bei Beimengung von "Industrieheizöl" seien nach einer Produktinformation der Ö***** die jeweiligen Lagerbehälter und ölführenden Teile zu reinigen. Es entziehe sich der Kenntnis der Beklagten, ob die Klägerin diese Maßnahmen bei ihren Kunden durchgeführt habe. Die Klägerin habe ihr den Schaden mit Schreiben vom 10.12.1990 mitgeteilt. Die Klage sei am 21.12.1993, also erst nach Ablauf der Verjährungsfrist, eingebracht worden. Ein Anerkentnis durch sie sei nicht erfolgt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren nach Verlesung vorgelegter Urkunden ohne weitere Beweisaufnahme ab. Ein Anerkenntnis liege nicht vor; der Schadenersatzanspruch sei bei Klagseinbringung am 21.12.1993 im Hinblick auf den Zeitpunkt der Mängelrüge der Klägerin vom 10.12.1990 ("Wir haben von Ihnen im Oktober und November 1990 1.285,620 to Spindelöl S unter 0,1 % bezogen. Wir müssen Ihnen nun leider mitteilen, daß bei uns seit voriger Woche Reklamationen unserer Kunden über das von uns ausgelieferte Produkt Heizöl leicht ab Oktober 1990, welches derzeit mit einem Anteil von ca 70 % Ihres Produktes erzeugt wird, eintreffen. Da wir bei den ständigen Kontrollen unserer Auslieferungen ab F***** keine Abweichungen der Analysenwerte zur Ö-Norm C-1108 feststellen konnten, werden wir nun umgehend das eingelieferte Produkt Heizöl leicht bei unseren Kunden nochmals genauestens überprüfen und Sie weiterhin auf dem Laufenden halten. Je nach Ergebnis dieser Untersuchungen behalten wir uns jedoch vor, die eventuell anfallenden Schadenersatzansprüche unserer Kunden an Sie weiterzuleiten.") verjährt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig.

Zur Verjährungsfrage führte das Berufungsgericht folgendes aus:

Gemäß dem § 1489 ABGB verjährten Schadenersatzansprüche in drei Jahren von der Zeit an, zu welcher der Schaden und die Person des Ersatzpflichtigen dem Geschädigten bekannt wurden, gleichviel ob der Schaden durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sei. Die Verjährung werde erst in Gang gesetzt, wenn dem Geschädigten der Eintritt des Schadens - und damit auch der Ursachenzusammenhang - so weit bekannt geworden sei, daß eine Klage mit Aussicht auf Erfolg angestellt werden könne. Sie beginne somit nicht zu laufen, wenn der Geschädigte als Laie keinen Einblick in die für das Verschulden maßgeblichen Zusammenhänge habe. Nun sei der Geschäftsführer der Klägerin nicht als Laie anzusehen. Dies gestehe auch die Berufung zu, wenn sie einräume, er sei in der Lage, die Schadensursache ausfindig zu machen. Mögliche Schadensursache habe ein Mangel des von der Beklagten gelieferten Spindelöls oder ein Mangel des von der Ö***** gelieferten weiteren Bestandteils oder ein bei der Klägerin selbst im Zuge der Mischung aufgetretener Mangel sein können. Denkbar - wenn auch wegen der Häufung unwahrscheinlich - wäre auch, daß die betreffenden Kunden (voneinander unabhängige) Schadensursachen gesetzt hätten. Der Geschäftsführer der Klägerin wäre wohl durchaus in der Lage gewesen, die Schadensursache festzustellen. Dies sei aber nur möglich, wenn er das ausgelieferte Heizöl chemisch untersuche. Diese Untersuchung - als allenfalls schnellste Methode - werde man ihm aber nicht (zusätzlich zu seinen sonstigen Tätigkeiten als Geschäftsführer) aufbürden dürfen, sodaß auch eine Begutachtung durch Dritte möglich sein müsse. Richtig erkenne die Berufung, daß man für eine solche Untersuchung (insbesondere vor den Weihnachtsfeiertagen) - gleichgültig, wer sie durchführe - einige Zeit ab Kenntnis des Schadens (Anfang Dezember 1990) in Anschlag bringen müsse, sodaß die Klagseinbringung am 21.12.1993 noch vor Verjährung des Anspruchs erfolgt sei.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen gewesen, da dieser die Frage der Verjährung in einem Fall, wo der geschädigte Fachmann (d.h. kein Laie) sei und einen Einblick in die für das Verschulden maßgeblichen Zusammenhänge habe, wobei aber die Erforschung einige Zeit in Anspruch nehme, noch nicht behandelt habe.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Hinblick auf die jüngste Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Verjährungsbeginn zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Beklagte macht im wesentlichen geltend, die Klägerin habe spätestens am 21.11.1990 Kenntnis von einem möglichen Schaden gehabt, was bei ihr eine Untersuchungsobliegenheit ausgelöst habe. Der Geschäftsführer der Klägerin sei einschlägig sachverständig, die Klägerin habe im eigenen Betrieb die technischen Voraussetzungen für eine Analyse. Die Beiziehung eines außenstehenden Sachverständigen sei daher nicht geboten gewesen und könne den Beginn der Verjährungsfrist nicht hinauszögern. Die Klägerin hätte zumutbarerweise am 21.11.1990 mit der Analyse der Schadensursache beginnen können; es dürfe davon ausgegangen werden, daß diese Analyse innerhalb von maximal zwei Wochen abgeschlossen sei. Ein allfälliger Anspruch der Klägerin sei daher verjährt.

Diesen Ausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, daß es für eine Kenntnisnahme der Klägerin von einem möglichen Schaden spätestens mit 21.11.1990 keine Sachverhaltsfeststellung gibt; das Rechtsmittel ist daher insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Was die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage und die von der Beklagten betonte Sachkunde der Klägerin anlangt, so wurde in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wiederholt ausgesprochen, daß die Verjährungsfrist nicht zu laufen beginnt, wenn der Geschädigte als Laie keinen Einblick in die für das Verschulden maßgeblichen Zusammenhänge hat (JBl 1988, 321; JBl 1991, 654 uva). Hieraus ergibt sich ohne weiteres, daß im Falle eines Fachmannes, der einen entsprechenden Einblick besitzt, ein solches Hindernis grundsätzlich nicht besteht, mag auch der Fachmann eine gewisse Zeit benötigen, um diesen Einblick zu gewinnen. Es erübrigt sich aber im vorliegenden Fall auf diese Frage näher einzugehen oder auch nur ihre Erheblichkeit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu untersuchen, weil der Oberste Gerichtshof sich jüngst in einem verstärkten Senat zu 1 Ob

621/95 (vgl schon 1 Ob 601/93 = EvBl 1994/109 = JBl 1994, 753 = RdW

1994, 311 = ecolex 1994, 616) der Auffassung angeschlossen hat, daß

die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen (§ 1489 erster Satz ABGB) nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen beginnt.

Es kommt daher für den Verjährungsbeginn nicht darauf an, ob ein Schadenseintritt für die Klägerin im Zeitpunkt ihres Schreibens vom 10.12.1990 (oder schon vorher) mit Sicherheit vorhersehbar war; maßgeblich ist der Eintritt eines konkreten Schadens (eines "Erstschadens"; vgl 1 Ob 41, 42/94; 1 Ob 621/95 mwN). Nach den bisherigen Verfahrensergebnissen gibt es aber keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Klägerin schon im Jahr 1990 aus dem gegenständlichen Geschäftsfall einen solchen Schaden erlitten hat. Aus dem Schreiben der Klägerin vom 10.12.1990, aus dem das Erstgericht die Verjährung der Klagsforderung abgeleitet hat, ergibt sich lediglich, daß Kunden der Klägerin bei dieser reklamiert haben, daß die Klägerin dies der Beklagten mitteilt und daß die Klägerin sich vorbehält, "eventuell anfallende" Schadenersatzansprüche ihrer Kunden an die Beklagte weiterzuleiten. Der tatsächliche Eintritt eines Schadens folgt hieraus nicht, weshalb aus diesem Schreiben nicht auf den Beginn des Verjährungsfristenlaufes geschlossen werden kann.

Das Berufungsgericht hat daher im Ergebnis zu Recht die Verjährungseinrede der - auch für den Beginn des Fristenlaufes beweispflichtigen (Schubert in Rummel2 § 1489 ABGB Rz 7) - Beklagten verworfen. Dem Rekurs der Beklagten war demnach ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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