European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00050.21Y.0325.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Im Verfahren über das Erbrecht stehen einander Erben der zweiten Parentel (Erst- bis Drittantragsteller) und der 1996 geborene Viertantragsteller als angeblicher Enkel des Erblassers gegenüber. Entscheidend ist, ob der Viertantragsteller (rechtlich) als Sohn des vorverstorbenen Sohnes des Erblassers anzusehen ist. Auf diese Frage ist paraguayisches Recht anzuwenden.
[2] Die Vorinstanzen wiesen die Erbantrittserklärung des Viertantragstellers ab und stellten das Erbrecht der drei anderen Erbansprecher fest, weil der Viertantragsteller nach dem anwendbaren Recht nicht vom Sohn des Erblassers abstamme. Er sei während aufrechter Ehe der Mutter mit einem Dritten geboren worden. Der Ehemann der Mutter habe die Ehelichkeit zumindest stillschweigend anerkannt, zudem habe der Viertantragsteller über den „faktischen Familienstand“ („posesión de estado“, „Statusbesitz“) als eheliches Kind verfügt. Mangels gerichtlicher Beseitigung der Ehelichkeit sei ein Vaterschaftsanerkenntnis durch den Sohn des Erblassers – den Stiefvater der Mutter des Viertantragstellers – unwirksam gewesen.
[3] Der außerordentliche Revisionsrekurs des Viertantragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist daher nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[4] 1. Der Oberste Gerichtshof ist nicht dazu berufen, für die Einheitlichkeit oder Rechtsfortbildung fremden Rechts Sorge zu tragen oder Leitlinien zum richtigen Verständnis dieses Rechts zu entwickeln (RS0042940 [T8]; RS0042948 [T20]; RS0080958 [T2]). Der Revisionsrekurs ist daher bei Anwendung fremden Rechts nur zulässig, wenn dieses Recht unzutreffend ermittelt oder eine in seinem ursprünglichen Geltungsbereich in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt worden wäre oder wenn grobe Subsumtionsfehler vorlägen, die richtiggestellt werden müssten (RS0042940 [T9]; RS0042948 [T21]).
[5] 2. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor:
[6] 2.1. Zwar weist eine (nachträglich ausgestellte) Geburtsurkunde den vorverstorbenen Sohn des Erblassers als Vater des Viertantragstellers aus. Daraus lässt sich aber nur ableiten, dass dieser die Vaterschaft anerkannt und die ausstellende Behörde das Anerkenntnis als wirksam angesehen hat. Ersteres ist ohnehin auch durch die Vorlage des Anerkenntnisses erwiesen. Es mag nun zutreffen, dass die Geburtsurkunde (auch) nach paraguayischem Recht grundsätzlich zum Nachweis der (rechtlichen) Abstammung geeignet ist. Auch der Revisionsrekurs behauptet aber nicht, dass diese Urkunde konstitutive Wirkung hätte, dass also die Abstammung dadurch auch bei materieller Unwirksamkeit des Anerkenntnisses (rechtlich) feststünde. Entscheidend ist daher, ob das Anerkenntnis durch den Sohn des Erblassers materiell wirksam war.
[7] 2.2. Der Revisionsrekurs bestreitet nicht, dass ein Vaterschaftsanerkenntnis nach paraguayischem Recht nur wirksam ist, wenn zuvor der Status des Kindes als ehelich durch eine – hier nicht vorliegende – gerichtliche Entscheidung beseitigt wurde.
[8] Strittig kann daher nur sein, ob der Viertantragsteller vor dem Anerkenntnis als ehelich galt. Zwar fehlt tatsächlich eine Feststellung, dass der Ehemann der Mutter den Viertantragsteller – wie dies wegen dessen Geburt weniger als 180 Tage nach der Eheschließung erforderlich gewesen wäre – ausdrücklich anerkannt hat. Allerdings genügt nach Art 225 lit d des paraguayischen Zivilgesetzbuchs in diesem Fall auch ein stillschweigendes Anerkenntnis, das hier nach der jedenfalls vertretbaren Auffassung der Vorinstanzen darin lag, dass der Ehemann der Mutter nach der Geburt seiner (festgestellten) Eintragung als Vater nicht widersprach und im Scheidungsverfahren (wie auch die Mutter) erklärte, dass der Viertantragsteller der Ehe entstamme.
[9] Abgesehen davon haben die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt, dass nach paraguayischem Recht der „Statusbesitz“ das Anerkenntnis ersetzt (Art 225 lit b ZGB). Ihre Annahme, dass die Voraussetzungen des Statusbesitzes im konkreten Fall aufgrund der von ihnen festgestellten Tatsachen (Eintragung des Ehemanns als Vater unmittelbar nach der Geburt, Zusammenleben zumindest während einiger Monate, Namensführung, Nennen des Kindes als ehelich bei der Scheidung) erfüllt waren, ist durch den Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen gedeckt; eine gegenteilige Rechtsprechung der paraguayischen Gerichte zeigt der Revisionsrekurs nicht auf.
[10] Die Annahme der Ehelichkeit ist daher auch durch den Statusbesitz begründet. Dass das spätere Anerkenntnis des vorverstorbenen Sohnes den Statusbesitz – wie im Gutachten zum paraguayischen Recht ohne Beleg vertreten – „überlagerte“, ergibt sich aus den Bestimmungen dieses Rechts nicht. Letztlich ist diese Frage aber wegen des ohnehin vorliegenden stillschweigenden Anerkenntnisses unerheblich.
[11] 3. Soweit der Revisionsrekurs Mängel des Rekursverfahrens und Aktenwidrigkeiten behauptet, bekämpft er in Wahrheit die Beweiswürdigung der Vorinstanzen.
[12] 3.1. Diese Beweiswürdigung beruhte maßgebend auf der Unglaubwürdigkeit der als Zeugin vernommenen Mutter des Viertantragstellers, auf der Aussage eines Rechtsanwalts und auf mehreren Indizien, insbesondere auf dem als äußerst unwahrscheinlich gewerteten Fehlen jeglicher Urkunden über den Personenstand und den Namen des Viertantragstellers vor dem Anerkenntnis. Das Rekursgericht setzte sich insofern mit den wesentlichen Argumenten der Beweisrüge auseinander; eine inhaltliche Überprüfung seiner Beurteilung ist im Revisionsrekursverfahren nicht möglich (RS0043371).
[13] 3.2. Die Erledigung des Rechtshilfeersuchens langte (entgegen dem Rechtsmittelvorbringen) erst nach der Rekursentscheidung beim Erstgericht ein, sodass deren Nichtberücksichtigung von vornherein keinen Mangel des Rekursverfahrens begründen kann. Der Oberste Gerichtshof kann die Erledigung wegen des Neuerungsverbots nicht verwerten, da § 49 Abs 2 AußStrG hier wegen der spezielleren Regelung in § 66 Abs 2 AußStrG nicht anzuwenden ist (RS0006904 [T13, T14]). Sollte sich aus der Erledigung tatsächlich ergeben, dass der Viertantragsteller nie mit dem Namen des Ehemanns seiner Mutter erfasst war und die Schule schon vor dem Anerkenntnis unter dem Namen des Sohnes des Erblassers besuchte (vgl aber AS 80/III), steht ihm der Abänderungsantrag nach § 73 Abs 1 Z 6 AußStrG offen.
[14] 3.3. Da die Vorinstanzen Tatsachen als erwiesen angenommen haben, aus denen sie rechtlich die Unrichtigkeit des in der Geburtsurkunde ausgewiesenen Personenstands ableiteten, kommt es auf die Qualifikation dieser Urkunde als (ausländische) öffentliche Urkunde nicht an. Auch insofern liegt daher kein Verfahrensmangel vor.
[15] 3.4. Aufgabe eines nach § 4 Abs 1 IPRG eingeholten Gutachtens ist schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung die Ermittlung fremden Rechts, nicht dessen Anwendung auf den konkreten Fall. Ausführungen des Gutachtens, die auf bestimmten Sachverhaltsannahmen beruhen, sind daher jedenfalls dann unbeachtlich, wenn die Tatsacheninstanzen gegenteilige Feststellungen treffen.
[16] 4. Dem Revisionsrekurs gelingt es somit nicht, das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen. Er ist daher zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)