OGH 2Ob43/20t

OGH2Ob43/20t15.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** M*****, vertreten durch Mag. Klaus Ainedter und Dr. Manfred Ainedter, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. D***** GmbH & Co KG, *****, 2. U***** AG, *****, beide vertreten durch Dr. Silvia Dornhackl, Rechtsanwältin in Wien, und 3. W***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Ralph Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 65.506,27 EUR sA, über die außerordentliche Revision der drittbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Oktober 2018, GZ 16 R 109/18v‑76, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00043.20T.0415.000

 

Spruch:

Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger macht als Erbe Ansprüche seiner verstorbenen Ehefrau geltend, die bei einem Unfall mit einem von der Erstbeklagten gehaltenen und bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Linienbus verletzt worden war. Die Drittbeklagte ist das Verkehrsunternehmen, mit dem die Ehefrau des Klägers einen Beförderungsvertrag abgeschlossen und in dessen Auftrag die Erstbeklagte die Beförderungsleistung erbracht hatte. Aufgrund eines Zwischen- und Teilurteils im ersten Rechtsgang steht rechtskräftig fest, dass die Erst- und die Zweitbeklagte dem Kläger nur für die Hälfte des Schadens haften.

Im zweiten Rechtsgang stellte das Erstgericht aufgrund konkretisierter Feststellungen mit Zwischenurteil fest, dass die Drittbeklagte dem Kläger vertraglich dem Grunde nach für alle Schäden hafte. Alle denkbaren Unfallvarianten begründeten ein Verschulden des Lenkers (§ 1313a ABGB). Das Berufungsgericht bestätigte – nach rechtskräftiger Zurückweisung einer Ablehnung des Erstrichters durch die Rechtsmittelwerberin – dieses Urteil und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Drittbeklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist daher nicht zulässig.

1. Auch die in der Revision enthaltene Ablehnung des Erstrichters wurde inzwischen rechtskräftig zurückgewiesen. An rechtskräftige Beschlüsse des Ablehnungsgerichts sind die Rechtsmittelgerichte gebunden (RS0042079 [T1, T2]).

2. Die Drittbeklagte ist als juristische Person nicht jedenfalls mitversichert iSv § 2 Abs 2 KHVG (7 Ob 87/13i ZVR 2014/92 [ Huber ]). Dass sie aufgrund einer über diese Bestimmung hinausgehenden Vereinbarung mitversichert gewesen wäre, hat sie nicht vorgebracht. Damit kann sie sich aber auch nicht auf die Rechtskrafterstreckung nach § 28 KHVG berufen. Denn diese Bestimmung ist schon nach ihrem Wortlaut nur im Verhältnis zwischen Versicherer, Versichertem und Geschädigten anwendbar. Greift sie nicht ein, gibt es keine Grundlage für die Annahme einer Bindung an jene Entscheidung, die im ersten Rechtsgang zwischen dem Kläger auf der einen und der Erst- und der Zweitbeklagten auf der anderen Seite ergangen ist: Solidarschuldner bilden keine einheitliche Streitpartei; das gegen einen ergangene Urteil wirkt daher nicht für oder gegen die übrigen (RS0017421; 2 Ob 152/16s EvBl 2017/59 [zust Klicka ]).

3. Ob der Aussteigevorgang im Zeitpunkt des Unfalls schon beendet war, was eine vertragliche Haftung der Drittbeklagten ausschlösse (2 Ob 187/16p), hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Hier steht fest, dass die Geschädigte entweder unmittelbar beim Aussteigen oder deswegen stürzte, „weil sie den Bus noch berührend (mit einem Körperteil oder Kleidung etc) durch das Türschließen oder das Losfahren instabil wurde“. Dass damit der Aussteigevorgang noch nicht abgeschlossen war, liegt auf der Hand. Die von der Drittbeklagten gewünschte Sachverhaltsvariante, dass sich die Geschädigte vom Bus entfernt und dann wieder angenähert hätte, ist mit dieser Feststellung nicht vereinbar.

4. Das Berufungsgericht hat sich mit der Verfahrens- und Beweisrüge der Drittbeklagten in ausreichender Weise auseinandergesetzt. Soweit die Revision im Ergebnis die Beweiswürdigung des Erstgerichts und die Interpretation von dessen Feststellungen durch das Berufungsgericht bekämpft, ist sie darauf zu verweisen, dass ersteres kein Revisionsgrund ist (§ 503 ZPO; RS0043371) und zweiteres im Regelfall keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung begründet (RS0118891). Das Erstgericht kam nach Abwägen mehrerer Sachverhaltsvarianten, deren Eintritt es nicht feststellen konnte, zur oben (Punkt 3) genannten Feststellung. Diese ist mit der weiteren Feststellung, dass sich die Geschädigte „höchstens“ einen Schritt vom Bus wegbewegt hatte, vereinbar, weil die Geschädigte auch in diesem Fall den Bus noch mit einem Körperteil oder Kleidungsstück berühren konnte. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass sich die Geschädigte höchstens 50 cm vom Bus entfernt hatte, ist eine Schlussfolgerung aus diesen Feststellungen, die auch ohne Beweiswiederholung oder Beweisergänzung zulässig war (RS0118191).

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