OGH 2Ob391/97g

OGH2Ob391/97g20.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schinko, Dr.Tittel, Dr.Baumann und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter B*****, vertreten durch Dr.Gerald Kreuzberger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Margit K*****, vertreten durch Dr.Manfred Thorineg, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 50.000 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 20.Oktober 1997, GZ 3 R 146/97h-27, womit die Erklärung der Beklagten, den am 19. September 1997 vor dem Berufungsgericht geschlossenen Vergleich zu widerrufen als verspätet zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekursbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Parteien schlossen am 19.9.1997 vor dem Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht einen Vergleich, der vereinbarungsgemäß erst dann Rechtswirksamkeit erlangen sollte, wenn er nicht von einer der Parteien widerrufen wird. Ein solcher Widerruf mußte, um rechtzeitig zu sein, mit Schriftsatz dem Oberlandesgericht Graz gegenüber erklärt werden und spätestens am 10.10.1997 zur Post gegeben werden.

Mit der an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz (als Erstgericht) gerichteten und dort am 10.10.1997 eingelangten Erklärung widerrief die Beklagte diesen Vergleich. Nach Weiterleitung durch das Erstgericht langte diese Widerrufserklärung am 15.10.1997 beim Berufungsgericht ein.

Dieses wies mit dem angefochtenen Beschluß die Erklärung der Beklagten, den am 19.9.1997 vor dem Berufungsgericht geschlossenen Vergleich zu widerrufen, als verspätet zurück und sprach aus, der Vergleich sei rechtswirksam geworden.

Das Berufungsgericht führte aus, die Frist zum Widerruf eines bedingt vor Gericht geschlossenen Vergleiches beruhe ausschließlich auf Parteienvereinbarung und sei somit eine materiell-rechtliche Frist. Auf im Vergleich festgelegte Widerrufsfristen seien daher die Bestimmungen der §§ 125 f ZPO und 89 GOG nicht anwendbar und müsse deshalb der Widerruf bis zum Ende der Frist beim Gericht eingelangt sein. Mangels anderer ausdrücklicher Vereinbarung genüge für die Rechtzeitigkeit einer solchen Erklärung das Einlangen beim Erstgericht, auch wenn der Vergleich bei einem Gericht höherer Instanz geschlossen wurde. Im vorliegenden Fall sei jedoch vereinbarungsgemäß den Widerruf dem Oberlandesgericht Graz gegenüber zu erklären und spätestens am 10.10.1997 zur Post zu geben. Die Parteien hätten somit vereinbart, daß die Widerrufserklärung an das Berufungsgericht zu richten sei. Zur Wahrung der Frist sollte vereinbarungsgemäß das Datum der Postaufgabe des Schriftsatzes genügen, sodaß insoweit die Bestimmung des § 89 GOG anwendbar sei. Demnach bleibe der Postenlauf eines Schriftsatzes, mit dem eine befristete Erklärung vorgenommen werde, für die Einhaltung der Frist nur dann außer Betracht, wenn der Schriftsatz an das zuständige Gericht adressiert war. Werde hingegen der Schriftsatz an ein unzuständiges Gericht gerichtet, so sei die Frist nur dann gewahrt, wenn der Schriftsatz noch innerhalb der Frist dem zuständigen Gericht zugegangen sei.

Die Einbringung des Vergleichswiderrufes beim Erstgericht am 10.10.1997 sei somit nicht der Vereinbarung entsprechend und daher auch nicht fristwahrend erfolgt. Da der Vergleichswiderruf beim Berufungsgericht erst am 15.10.1997 eingelangt sei, sei die Widerrufserklärung verspätet.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und auszusprechen, daß die Frist von der beklagten Partei gewahrt wurde und dem Berufungsgericht aufzutragen, in der Sache selbst zu verhandeln bzw zu entscheiden.

Der Kläger erstattete Rekursbeantwortung.

Der Rekurs der Beklagten ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig - der angefochtene Beschluß kommt einer Zurückweisung der Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen gleich -, er ist aber nicht berechtigt.

Die Rekursbeantwortung der klagenden Partei ist hingegen unzulässig, weil der Rekurs gegen einen derartigen Beschluß des Rekursgerichtes einseitig ist (2 Ob 245/97m mwN).

Die Beklagte macht in ihrem Rechtsmittel geltend, den Schriftsatz am 10.10.1997 in 8010 Graz, Marburger Kai 49, also im Hause des Oberlandesgerichtes Graz überreicht zu haben. Es könne dem Landesgericht für ZRS Graz wohl zugemutet werden, im Haus einen Schriftsatz in die zum Oberlandesgericht Graz gehörende Nachbarabteilung weiterzureichen, weshalb "diese Frist als Postlauf zu werten" sei.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden:

Rechtliche Beurteilung

Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, ist die Vereinbarung einer Frist für den Widerruf eines bedingt abgeschlossenen gerichtlichen Vergleiches nicht verfahrensrechtlicher Natur. Es handelt sich vielmehr um eine zwischen den Parteien vereinbarte Ausschlußfrist mit materiell-rechtlicher Wirkung. Die §§ 126 ZPO oder 89 Abs 1 GOG sind daher auf die Fristberechnung grundsätzlich nicht anzuwenden (SZ 42/26; 6 Ob 1697/93; 9 ObA 23/96). Haben die Parteien nicht ausdrücklich vereinbart, bei welchem Gericht der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens und die Widerrufserklärung einzubringen ist, so genügt die Einbringung eines solchen Schriftsatzes beim Erstgericht (Arb 8655 = EvBl 1970/134 = JBl 1971, 479).

Im vorliegenden Fall haben die Parteien jedoch ausdrücklich vereinbart, ein Widerruf des Vergleiches müsse mit Schriftsatz dem Oberlandesgericht Graz gegenüber erklärt werden, wobei der Schriftsatz spätestens am 10.10.1997 zur Post gegeben werden müsse. Dem hat die beklagte Partei aber nicht entsprochen. Es wurde wohl der Schriftsatz am 10.10.1997 überreicht, der Widerruf aber nicht dem Oberlandesgericht Graz gegenüber erklärt, weil der Vergleichswiderruf ausdrücklich an das Landesgericht für ZRS Graz gerichtet und dort auch eingebracht wurde (vgl EvBl 1961/273). Daß sich das Erstgericht und das Berufungsgericht an der gleichen Anschrift befinden, ändert nichts daran, daß der Widerruf gegenüber dem Erstgericht und nicht gegenüber dem Berufungsgericht erklärt wurde und er erst nach Ablauf der vereinbarten Frist bei diesem einlangte. Ob etwas anderes gegolten hätte, wenn beide Gerichte eine gemeinsame Einlaufstelle gehabt hätten (vgl RZ 1991/31 ua), muß nicht erörtert werden, weil dies hier nicht der Fall war. Getrennte Einlaufstellen reichen auch dann nicht aus, wenn sie sich im selben Gebäude befinden (7 Ob 549/78).

Es war daher dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben.

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