OGH 2Ob32/24f

OGH2Ob32/24f28.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende und die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger sowie die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Kurt Hirn, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei E*, vertreten durch Stolz & Weiglhofer‑Russegger Rechtsanwälte GmbH in Radstadt, wegen 600.000 EUR sA, Feststellung und Auskunftserteilung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2023, GZ 3 R 153/23z‑28, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00032.24F.0528.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der im Mai 1991 verstorbene Erblasser hinterließ eine Ehefrau (der sein Nachlass zur Gänze eingeantwortet wurde), eine Tochter (die nunmehrige Beklagte) und einen Sohn (dessen Alleinerbin die nunmehrige Klägerin ist). 1984 übergab der Erblasser Anteile an zwei (mit Hotels bebauten) Liegenschaften gegen Erbringung diverser Gegenleistungen an die Ehefrau. Bereits vor diesem Zeitpunkt wurde mit dem Sohn vereinbart, dass aus der (damals bereits beabsichtigten) Übergabe dieser Liegenschaften an die Ehefrau resultierende Ansprüche auf den Schenkungspflichtteil erst nach dem Tod der Ehefrau fällig werden sollen. Der Nachlass nach der am 22. 8. 2019 verstorbenen Ehefrau wurde der Beklagten eingeantwortet.

[2] Gegenstand des Verfahrens sind die aus der Übergabe der Liegenschaften im Jahr 1984 resultierenden Ansprüche des Sohnes auf den Schenkungspflichtteil.

[3] Die Vorinstanzen wiesen die Klage wegen Verjährung ab.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht auf:

[5] 1. Für den Verfahrensausgang relevante Aktenwidrigkeiten oder Mängel des Berufungsverfahrens liegen – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[6] 2. Die Klägerin zieht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Anspruch auf den Schenkungspflichtteil wegen der getroffenen Vereinbarung über die spätere Fälligkeit am 1. 1. 2017 noch nicht verjährt war, nicht in Zweifel.

[7] 3. Ausgehend davon ist die Frage der Verjährung nach der Übergangsbestimmung des § 1503 Abs 7 Z 9 Satz 1 ABGB nach § 1487a ABGB idF ErbRÄG 2015 zu beurteilen. § 1503 Abs 7 Z 9 Satz 2 ABGB kommt nicht zur Anwendung, weil die Verjährung nach altem Recht (§ 1487 ABGB aF) zum 1. 1. 2017 noch gar nicht begonnen hatte (2 Ob 175/22g Rz 29, 31 und 53 ff).

[8] 4. Die Bestimmung des § 1487a ABGB kombiniert eine dreijährige subjektive mit einer dreißigjährigen objektiven Frist. Die dreijährige Frist beginnt für den Berechtigten grundsätzlich mit der Kenntnis der für das Bestehen des Anspruchs maßgebenden Tatsachen zu laufen. Die dreißigjährige Frist beginnt kenntnisunabhängig mit dem Tod des Erblassers. Es handelt sich um eine absolute Befristung. Erbrechtliche Ansprüche verjähren daher nach dieser Regelung schon dann, wenn eine der beiden Fristen abgelaufen ist. Sie verjähren also jedenfalls 30 Jahre nach dem Tod des Erblassers, und zwar auch dann, wenn die kurze Frist noch nicht abgelaufen ist oder – mangels Kenntnis – noch gar nicht begonnen hatte (2 Ob 84/19w Punkt 3.5. mwN; 2 Ob 175/19b Punkt 5.; 2 Ob 199/22m Rz 22). Eine Regelung, wonach die Verjährung für am 1. 1. 2017 noch nicht verjährte Ansprüche jedenfalls erst mit Ablauf der kurzen Frist einträte, sodass die dreißigjährige Frist insofern überhaupt irrelevant wäre, enthält § 1503 Abs 7 Z 9 ABGB nicht, wogegen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (2 Ob 84/19w Punkte 3.6. und 3.7.).

[9] Der Umstand, dass durch § 1487a iVm § 1503 Abs 7 Z 9 ABGB Fristen nach altem Recht verkürzt werden können, führt ebenfalls nicht zu verfassungsrechtlichen Bedenken an der durch das ErbRÄG 2015 insoweit geschaffenen Rechtslage (2 Ob 169/21y Rz 16 mwN).

[10] 5. Der Senat hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die in § 1487a ABGB enthaltene Kombination von kenntnisabhängiger kurzer und kenntnisunabhängiger langer Frist auf das Vorbild des § 1489 ABGB zurückgeht (2 Ob 169/21y Rz 13 mwN) und vor diesem Hintergrund zu § 1489 ABGB ergangene Rechtsprechung auf § 1487a ABGB umgelegt (2 Ob 169/21y Rz 14 f [Irrelevanz von Rechtsunkenntnis für den Beginn der kenntnisabhängigen Frist]; 2 Ob 175/19b Punkt 7.; 2 Ob 59/19v Punkt 6.3.4. [Geltendmachung von Schäden, die mehr als 30 Jahre nach dem schädigenden Ereignis eintreten, wenn ein Feststellungsurteil oder Anerkenntnis vorliegt]).

[11] 6. Dass die dreißigjährige Frist ab dem Tod des Erblassers bei Einbringung der Klage (bzw Stellung des Verfahrenshilfeantrags) bereits abgelaufen war, zieht die Klägerin nicht in Zweifel. Sie unterlässt auch jede Auseinandersetzung mit den rechtlichen Überlegungen des Berufungsgerichts, wonach ihr ab August 2019 ein ausreichender Zeitraum vor Ablauf der absoluten Verjährungsfrist zur Einbringung einer Leistungsklage zur Verfügung gestanden wäre. Der in der Entscheidung 2 Ob 59/19v angesprochene Fall, dass ein Recht objektiv erst nach Ablauf der 30‑jährigen Frist geltend gemacht werden kann, liegt hier nicht vor.

[12] Das Vorliegen eines Feststellungsurteils oder Anerkenntnisses vor Ablauf der dreißigjährigen absoluten Frist (2 Ob 59/19v Punkte 6.3.4. und 6.3.5.) hat das Berufungsgericht in nicht korrekturbedürftiger Weise verneint:

[13] Es hat einerseits in vertretbarer Auslegung des erstinstanzlichen Vorbringens der Klägerin (vgl RS0042828) angenommen, dass diese ein auf den klagsgegenständlichen Anspruch bezogenes Anerkenntnis der Beklagten nicht schlüssig behauptet habe.

[14] Andererseits hat das Berufungsgericht eine Bindungswirkung des im Vorprozess – in dem die nunmehr eingeklagten Ansprüche auf den Schenkungspflichtteil gar nicht Gegenstand waren – ergangenen Zwischenurteils verneint, was eine im Revisionsverfahren nicht weiter anfechtbare Entscheidung darstellt (2 Ob 178/14m).

[15] 7. Bei der im Rechtsmittelverfahren erhobenen Replik der Arglist des Verjährungseinwands handelt es sich um eine unzulässige Neuerung.

[16] 8. Insgesamt war die außerordentliche Revision damit zurückzuweisen.

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