OGH 2Ob28/09w

OGH2Ob28/09w16.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth F*****, vertreten durch Rechtsanwälte Kreuzberger-Stranimaier-Köstner OEG in Bischofshofen, gegen die beklagten Parteien 1. Kerstin H*****, und 2. (nunmehr) V***** AG, *****, beide vertreten durch Dr. Hans-Moritz Pott, Rechtsanwalt in Liezen, wegen 8.429,15 EUR sA und Feststellung (Streitinteresse 500 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 12. November 2008, GZ 53 R 308/08p-18, womit das Zwischenurteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 23. Juni 2008, GZ 5 C 347/08z-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 818,66 EUR (darin 136,44 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Am 21. 2. 2008 ereignete sich auf dem Gelände des Gewerbeparks Radstadt ein Verkehrsunfall, an dem Josef F***** als Lenker eines von der Klägerin gehaltenen Pkws und die Erstbeklagte als Lenkerin eines bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten Pkws beteiligt waren. Ersterer hatte die am östlichen Rand des Geländes entlang der Gebäudekomplexe und der dazwischen angelegten Parkflächen befindlichen „Zufahrtsstraße", die Erstbeklagte eine zwischen einer Reihe von Abstellplätzen verlaufende, im rechten Winkel in die besagte Zufahrtsstraße einmündende Verkehrsfläche („Fahrgasse") benützt. Als die von rechts kommende Erstbeklagte in die Zufahrtsstraße nach links einbog, kam es zur Kollision mit dem geradeausfahrenden Klagsfahrzeug.

Zwischen den Streitteilen ist die Frage strittig, welches der beiden Fahrzeuge den Vorrang hatte.

Die Vorinstanzen vertraten die Rechtsansicht, dass das Beklagtenfahrzeug im Rechtsvorrang gewesen sei.

Das Berufungsgericht begründete in seinem gemäß § 508 Abs 3 ZPO gefassten Beschluss die Zulässigkeit der ordentlichen Revision damit, dass es an Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem Fall wie dem vorliegenden fehle, in welchem eine Zufahrtsstraße nicht nur an mehreren Objekten vorbeiführe, sondern dazwischen befindliche Parkflächen aufschließe. Es stelle sich die über den Einzelfall hinaus bedeutsame Frage, ob nicht aufgrund der Ausgestaltung der befahrenen Verkehrsflächen hinreichend deutlich eine unterschiedliche Widmung zum Ausdruck komme.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin erhobene Revision ist entgegen dem gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Auch in der Revision werden keine Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dargetan.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Beurteilung der Frage, ob eine nach § 19 Abs 6 StVO benachrangte Verkehrsfläche vorliegt, nach objektiven Kriterien vorzunehmen (RIS-Justiz RS0074490, RS0074521). Dabei kommt es immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Maßgebend ist, ob sich die in Betracht kommende Verkehrsfläche in ihrer gesamten Anlage deutlich von sonstigen öffentlichen Straßen unterscheidet (2 Ob 364/99i; RIS-Justiz RS0074490). Zwei der Zu- und Abfahrt dienenden Verkehrsflächen innerhalb eines Parkplatzes können dann im Verhältnis des § 19 Abs 6 StVO zueinander stehen, wenn eine solche Vorrangregelung in einer für die Verkehrsteilnehmer klar und eindeutig erkennbaren Weise zum Ausdruck kommt, sei es durch vorhandene Verkehrszeichen, durch die unterschiedliche Ausgestaltung der betreffenden Verkehrsflächen oder aus Bodenmarkierungen (RIS-Justiz RS0074509). Im Zweifel gilt der Rechtsvorrang des § 19 Abs 1 StVO (RIS-Justiz RS0074359). Ob im konkreten Einzelfall eine untergeordnete Verkehrsfläche nach § 19 Abs 6 StVO vorliegt, begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (2 Ob 364/99i).

2. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen befinden sich auf dem Gelände des Gewerbeparks insgesamt drei Gebäudekomplexe, die jeweils von Parkflächen unterbrochen sind. Die 5,7 m breite Zufahrtsstraße dient ebenso wie die von der Erstbeklagten befahrene, 7 m breite „Fahrgasse" der Zu- und Abfahrt zu und von solchen Parkflächen. Die „Fahrgasse", welche die östliche Zufahrtsstraße auch mit Verkehrsflächen auf der gegenüberliegenden Seite des Gebäudekomplexes (woher die Erstbeklagte kam) verbindet, war mit in beide Fahrtrichtungen weisenden Richtungspfeilen versehen. Sonstige Bodenmarkierungen oder Verkehrszeichen, wie etwa eine Kennzeichnung der Parkflächen durch das Hinweiszeichen gemäß § 53 Abs 1 Z 1a StVO („Parken"), waren nicht vorhanden. Beide Verkehrsflächen waren mit einer Asphaltdecke versehen, lediglich die beiderseits der „Fahrgasse" im rechten Winkel zur Fahrbahnlängsachse angeordneten Abstellplätze befanden sich auf gepflastertem Grund.

3. Der erkennende Senat hat zuletzt in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 2 Ob 235/04d = ZVR 2006/175 (Kathrein; Hauenschild) klar zum Ausdruck gebracht, dass das bloße Vorhandensein von Abstellflächen der daran angrenzenden bzw zwischen ihnen hindurch führenden Verkehrsfläche nicht die Gleichrangigkeit mit anderen, der Zu- und Abfahrt zu diesen Abstellflächen dienenden Straßen nimmt. Damals wurde der Rechtsvorrang des auf dem Parkplatzgelände der SCS aus einer Zufahrtsstraße mit quermarkierten Abstellplätzen in eine sogenannte Verbindungsstraße einfahrenden Lenkers bejaht. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die einzelnen Abstellplätze durch Bodenmarkierungen oder - wie hier - durch eine besondere Beschaffenheit des Fahrbahnbelags gekennzeichnet sind.

4. In Anbetracht dieser Umstände lässt die Anwendung der Vorrangregel des § 19 Abs 1 StVO zu Gunsten der Erstbeklagten keine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen erkennen, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Auch der in der Begründung des zweitinstanzlichen Zulassungsausspruchs hervorgehobene Verlauf der Zufahrtsstraße bietet hiefür keinen Anlass. Hat doch das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung in Anlehnung an den in 2 Ob 235/04d beurteilten Sachverhalt selbst betont, dass es in einem großräumigen Parkplatzgelände in der Natur der Sache liege, wenn einzelne Zu- und Abfahrten sowohl dem Erreichen der Parkflächen als auch der Verbindung der einzelnen Objektbereiche dienten, eine abweichende Beurteilung der Vorrangfrage daraus aber nicht abzuleiten sei. Die daraus erkennbare Beurteilung der vom Klagsfahrzeug befahrenen Zufahrtsstraße als Teil eines einheitlichen, weiträumigen Parkplatzgeländes ist vertretbar, hält sich im Rahmen der zitierten Rechtsprechung (vgl auch 8 Ob 47/81 = ZVR 1982/87) und wirft keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

5. Da es insgesamt der Lösung solcher Rechtsfragen nicht bedarf, ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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