OGH 2Ob236/03z

OGH2Ob236/03z30.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mateja M*****, Slowenien, vertreten durch Dr. Franz Serajnik, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Christos V*****, vertreten durch Dr. Claudia Kleinszig, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 76.693,78 sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 24. Juni 2003, GZ 5 R 16/03t, 5 R 67/03t-23, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 12. Dezember 2002, GZ 20 Cg 180/02a-9, idF des Berichtigungsbeschlusses vom 17. März 2003, GZ 20 Cg 180/02a-17, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.863,72 (darin enthalten USt von EUR 310,62) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Einzelkaufmann mit dem Sitz in Slowenien. Der Beklagte war Inhaber einer Einzelfirma mit dem Sitz in Hausham in Deutschland. Er ist auch alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH mit dem Sitz in St. Veit an der Glan, er hat auch einen inländischen Wohnsitz.

Am 3./4. 5. 1999 schlossen die Parteien einen Vertrag, in dem sich der Beklagte verpflichtete, Hydraulikmotoren-Komponenten beim Kläger fertigen und veredeln zu lassen. Im § 10 dieses Vertrages vereinbarten die Parteien die Anwendung deutschen Rechtes und überdies: "Gerichtsstand und Erfüllungsort ist der Sitz der Firma Fa. V*****".

Mit der am 17. 9. 2002 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Zahlung von EUR 76.693,78 mit der Begründung, dem Beklagten auf Grund der vorhin genannten Vereinbarung eine größere Menge an Hydraulik- bzw Motorkomponenten geliefert zu haben.

Der Beklagte wendete die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes mit der Begründung ein, als Gerichtsstand und Erfüllungsort sei der Sitz seiner Einzelfirma die er nach wie vor in Deutschland betreibe, vereinbart worden.

Der Kläger erwiderte darauf, die Klage primär auf den außergerichtlichen Vergleich vom 6. 12. 2000 und die nachfolgenden Anerkenntnisse des Beklagten zu stützen, weshalb die Gerichtsstandsvereinbarung nicht zur Anwendung komme.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzuständigkeit zurück und stellte fest, die Einzelfirma des Beklagten habe zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Vertrages vom Jahres 1999 ihren Sitz in Deutschland gehabt, dieser bestehe nach wie vor dort.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art 17 LGVÜ begründeten eine ausschließliche Zuständigkeit, weshalb es unzuständig und die Klage zurückzuweisen sei.

Das von der klagenden Partei angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.

Ergänzend stellte das Rekursgericht fest, dass es im Protokoll über die Besprechung vom 6. 12. 2000 ua wie folgt heiße:

"5. Archimedes Hausham: Hier erfolgte eine Abgleichung laut beiliegender Aufstellung. Herr V***** hat angeboten, sich auf eine Summe von DM 150.000,-- zu einigen, dies wurde von der Firma M***** akzeptiert".

Zur Rechtsfrage führte das Rekursgericht aus, die Zuständigkeitsvereinbarung teile nicht das Schicksal der materiell-rechtlichen Hauptvereinbarung und bleibe davon unabhängig bestehen, ob diese bestritten, ihr Bestand verneint oder ihre Auflösung begehrt werde. Auch der nachträgliche Abschluss eines Vergleiches, der eine Zuständigkeitsvereinbarung nicht enthalte, ändere grundsätzlich nichts daran. Der Oberste Gerichtshof habe allerdings in der Entscheidung 7 Ob 310/02d ausgesprochen, dass sich eine Partei nicht mehr auf eine in einem Vertrag enthaltene Schiedsgerichtsklausel berufen könne, wenn der Streit Ansprüche aus einem - keine Zuständigkeitsvereinbarung enthaltenden, novierend bzw konstitutiv wirkenden - Vergleich berühre. Betrachte man die Vereinbarung vom 6. 12. 2000 zeige sich, dass darin kein Vergleich mit novierender Wirkung erblickt werden könne. Ein solcher liege nur dann vor, wenn der Wille der Parteien erweislich dahin gehe, dass auf das alte Schuldverhältnis nicht mehr zurückgegriffen werden solle. Derartiges sei im vorliegenden Fall nicht einmal ansatzweise erkennbar.

Daraus folge, dass beide Verbindlichkeiten nebeneinander bestünden und auf die im ursprünglichen Vertrag getroffene Gerichtsstandsvereinbarung zurückgegriffen werden könne.

Im vorliegenden Fall sei die am 1. 3. 2002 anzuwendende EG-VO Nr 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidung in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) anzuwenden, da der Beklagte seinen Wohnsitz jedenfalls nicht außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften habe und die Klage nach dem 1. 3. 2002 eingebracht worden sei. Eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 23 EuGVVO schaffe keinen Wahlgerichtsstand, sondern sei im Zweifel die ausschließliche Zuständigkeit des vereinbarten Gerichtes anzunehmen.

Fraglich sei, ob Art 23 Abs 1 EuGVVO auch solche Auslandsfälle erfasse, die keinen Zuständigkeitsbezug zu einem anderen Mitgliedstaat aufwiesen. Selbst wenn man im vorliegenden Fall der Entscheidung 1 Ob 4/02y (ergangen zum inhaltsgleichen Art 17 LGVÜ) folge, wonach ein Bezug zu einem weiterem Vertragsstaat erforderlich sei, sei im vorliegenden Fall ein solcher gegeben, weil aus der Sicht des österreichischen Richters der vereinbarte Gerichtsstand nicht in Österreich, sondern in einem anderem Mitgliedstaat liege.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Auslegung der Anwendungsvoraussetzungen des Art 23 Abs 1 EuGVVO, insbesondere unter Berücksichtigung der dazu vom EuGH ergangenen Entscheidungen, noch nicht abschließend Stellung genommen habe bzw insgesamt in dieser Frage keine gesicherte Rechtsprechung vorliege.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die Unzuständigkeitseinrede der beklagten Partei verworfen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat Revisionsrekursbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Rekursgerichtes ist nicht bindend - unzulässig.

Durch die ganz allgemein gehaltenen Ausführungen des Rekursgerichtes, es fehle eine Rechtsprechung zur Auslegung der Anwendungsvoraussetzungen des Art 23 Abs 1 EuGVVO, wird eine konkrete Rechtsfrage, die vom Obersten Gerichtshof hier zu lösen wäre, nicht dargetan. Auch der Kläger nimmt in seinem Rechtsmittel darauf nicht Bezug.

Aber auch sonst werden im Rechtsmittel des Klägers keine erheblichen Rechtsfragen ausgeführt. Der Kläger vertritt im Wesentlichen die Meinung, das Rekursgericht habe die Frage der novierenden Wirkung eines Vergleiches falsch beurteilt. Es sei nämlich zu unterscheiden zwischen bloßen Zusatzvereinbarungen und Vergleichen mit Novationskraft. Im vorliegenden Fall liege ein solcher mit Novationskraft vor, weshalb ein Rückgriff auf das seinerzeitige Schuldverhältnis nicht mehr möglich sei. Es komme daher auch die ursprüngliche Gerichtsstandsvereinbarung nicht mehr zum Tragen (7 Ob 165/00s).

Hiezu wurde erwogen:

Wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, kann in der Regel die von den Parteien für die Streitigkeiten vereinbarte Gerichtszuständigkeit in Anspruch genommen werden, solange noch irgendwelche Streitigkeiten aus dem Bestande oder behaupteten Nichtbestande des der Vereinbarung zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses oder Rechtes entstehen können. Daran ändert auch der nachträgliche Abschluss eines Vergleiches nichts, der eine Zuständigkeitsvereinbarung nicht enthält (RIS-Justiz RS0045114). Etwas anderes gilt nur dann, wenn nach der Absicht der Parteien die ursprüngliche Obligation durch eine Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstandes des Anspruches ersetzt werden sollen (RIS-Justiz RS0032600), sodass ein Rückgriff auf das seinerzeitige Schuldverhältnis nicht mehr möglich ist (7 Ob 165/00s = JBl 2001, 179 = ecolex 2001, 200; 7 Ob 310/02t = RdW 2003, 383; s auch Ertl in Rummel3 ABGB § 1380 Rz 2). Ob aber auf Grund der konkreten Vereinbarung ein Zurückgreifen auf das ursprüngliche Rechtsverhältnis ausgeschlossen werden sollte, kann immer nur auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (7 Ob 310/02t), weshalb insoweit die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind.

Eine grobe Fehlbeurteilung, die auf Grund der Einzelfallgerechtigkeit wahrzunehmen wäre, liegt in der Auslegung durch das Rekursgericht nicht, hat doch der Kläger selbst noch in der Klage seine Ansprüche auf den Vertrag vom 3./4. 5. 1999 gestützt und in der Folge vorgebracht, primär die Klage auf den außergerichtlichen Vergleich vom 6. 12. 2000 zu stützen.

Im Übrigen kommt aber bei der Beurteilung der Frage der novierenden Wirkung eines Vergleiches gar nicht österreichisches Recht zur Anwendung, weil die Parteien in der Vereinbarung vom 3./4. 5. 1999 die Anwendung deutschen Rechtes vereinbart haben. Das Vertragsstatut schließt aber auch den Vergleich ein (Schwimann Internationales Privatrecht3, 95 mwN). Nach deutschem Recht bedeutet der Vergleich in der Regel keine Novation, Inhalt und Rechtsnatur der ursprünglichen Vereinbarung bleiben grundsätzlich weiter bestehen (s zB Marburger in Staudinger Komm z BGB (2002) § 779 Rz 38; Palandt BGB62 § 779 Rz 11 jeweils mwN). Auch insoweit sind daher die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben.

Die Revisionsrekursgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit wurden geprüft, insoweit liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (§§ 528a, 510 Abs 3 ZPO).

Das unzulässige Rechtsmittel des Klägers war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte