OGH 2Ob23/23f

OGH2Ob23/23f21.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei N*, vertreten durch Mag. Marcus Marakovics, Rechtsanwalt in Wien, wegen 86.704,91 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 16. Dezember 2022, GZ 2 R 180/22s‑22, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00023.23F.0221.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte bietet von ihrem Sitz in Malta aus über die von ihr betriebene Website Dienstleistungen im Bereich des Glücksspiels an. Sie verfügt jedoch über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht.

[2] Der Kläger nahm an von der Beklagten veranstalteten Online-Glücksspielen teil und verlor im Zeitraum Mai 2021 bis November 2021 insgesamt 86.704,91 EUR.

[3] Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte zur Rückzahlung des Verlustes.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[5] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[6] 2. Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online-Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen. Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt, konkret § 52 Abs 5 GSpG, kommt es daher nicht an. Gegenteiliges kann auch aus der Entscheidung 5 Ob 506/96 nicht abgeleitet werden (zuletzt 2 Ob 221/22x Rz 6 mwN).

[7] 3.1 Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (2 Ob 221/22x Rz 7 mwN). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung. Sekundäre Feststellungsmängel „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ liegen daher nicht vor.

[8] 3.2 Auch der Hinweis auf die Aufhebung von Teilen des § 25 Abs 3 GSpG durch den Verfassungsgerichtshof (G 259/2022) ändert an dieser Beurteilung nichts. Mag der Gesetzgeber durch das (primäre) Abstellen (nur) auf die Einholung einer Bonitätsauskunft den unionsrechtlich gebotenen Spielerschutz von Spielbankbesuchern auch nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht haben, bedeutet dies noch nicht, dass dieses Anliegen im Bereich des Online-Glücksspiels und dem System der Konzessionen nicht in kohärenter Weise verfolgt würde. Aus der teilweise Verfassungswidrigkeit bloß einer Einzelregelung zum Spielerschutz im Bereich der Spielbanken kann nicht abgeleitet werden, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen – entgegen der bisher ständigen Rechtsprechung – unionsrechtswidrig wäre.

[9] 4. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d).

[10] Entgegen der Darstellung der Revisionswerberin ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C‑920/19 , Fluctus, kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen. Der erkennende Senat sieht daher keinen Anlass, das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen (2 Ob 221/22x Rz 10 mwN).

[11] 5. Da somit Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beurteilen sind, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte