Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Kurt W***** schloß am 8.3.1995 mit dem 1954 geborenen Ernesto ***** G***** einen Vertrag über die Annahme an Kindesstatt. Annähernd zeitgleich bestimmte der Wahlvater seinen präsumtiven Wahlsohn zum Alleinerben, während er seinen leiblichen Sohn auf den Pflichtteil verwies und dazu noch ausdrücklich die Anrechnung einer Schenkung (Anteile an einer Liegenschaft verbunden mit dem Wohnungseigentum) verfügte. Der Wahlvater verstarb am 16.3.1995. Der leibliche Sohn widersprach dem erst nach dem Tode des Wahlvaters von einem Bevollmächtigten überreichten Gesuch um Bewilligung des Vertrages über die Annahme an Kindesstatt mit der Begründung, sein Vater sei zur Zeit des Vertragsabschlusses nicht mehr geschäftsfähig gewesen, außerdem habe er zu seinem präsumtiven Wahlsohn eine homosexuelle Beziehung unterhalten und diese geschlechtliche Hingabe durch die Adoption honorieren wollen; der Vertrag diene allein dazu, die Pflichtteilsansprüche des leiblichen Sohnes zu schmälern.
Das Erstgericht bewilligte die Annahme an Kindesstatt.
Es ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:
Der leibliche, jetzt 32-jährige Sohn des Annehmenden leidet an einem Tablettenabusus und ist praktisch arbeitsunfähig. Der Wahlvater hat zu seinem leiblichen Sohn kein gutes Verhältnis unterhalten, ihm aber eine Eigentumswohnung geschenkt und auf ein Konto einen größeren Betrag überwiesen, wobei von diesem Konto monatlich gewisse Beträge an den Sohn bezahlt werden. Nach Liquidierung seines Unternehmens im Inland zog er nach Spanien und lernte 1990 seinen späteren Wahlsohn kennen, der ihm zunächst bei der Gartenarbeit in seinem Anwesen geholfen hat. Im Sommer 1994 verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Wahlvaters. Der spätere Wahlsohn gab hierauf seinen bisherigen Beruf als Kellner auf, um sich von nun an ganz der Betreuung seines späteren Wahlvaters und dessen Anwesen zu widmen. Auf diese Weise hat sich ein tiefes menschliches Vertrauens- und Betreuungsverhältnis zwischen den beiden entwickelt, wie es zwischen Vater und Sohn ülicherweise besteht.
Das Erstgericht nahm nicht als erwiesen an, daß zwischen Wahlvater und Wahlsohn eine homosexuelle Beziehung bestanden hat, und daß zur Zeit des Abschlusses des Adoptionsvertrages die Geschäftsfähigkeit des Wahlvaters beeinträchtigt war.
Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen für die Bewilligung des Adoptionsvertrages gegeben seien. Der Unterhalt des leiblichen Sohnes des Wahlvaters werde durch die Annahme an Kindesstatt nicht geschmälert, weil ihm ohnehin sein Pflichtteilsanspruch verbleibe und er von dem Konto Zahlungen erhalte.
Das Rekursgericht bestätigte infolge Rekurses des leiblichen Sohnes diese Entscheidung.
Es billigte die Anwendbarkeit österreichischer Sachnormen und verwarf den in der Unterlassung der Vernehmung weiterer Zeugen erblickten Verfahrensmangel aus rechtlichen Gründen. Der Einwand des Bestehens einer sexuellen Beziehung zwischen den Parteien des Adoptionsvertrages stelle kein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes im Sinne des § 180a Abs 2 ABGB dar und falle daher nicht in den dem leiblichen Kind zustehenden Beschwerdekreis. Allfällige Stoffsammlungsmängel zur Frage, ob die Parteien des Adoptionsvertrages miteinander geschlechtliche Beziehungen gepflogen hätten, könnten daher dahinstehen. Dies gelte auch für die Behauptung, der Wahlvater sei zur Zeit des Vertragsabschlusses nicht mehr geschäftsfähig gewesen. Obwohl § 184 Abs 1 Z 1 ABGB bei Fehlen der Geschäftsfähigkeit den rückwirkenden Widerruf der gerichtlichen Bewilligung der Adoption festschreibe, könne das leibliche Kind nicht auf Nichtigkeit der Adoption klagen; es könne diesbezüglich auch keinen Einwand erheben oder den Antrag auf Widerruf der Adoption stellen. Demnach könne der leibliche Sohn das Vorliegen derartiger Umstände in das Adoptionsbewilligungsverfahren nicht als Antragsteller einbringen und die Verwerfung der von ihm angebotenen Beweismittel nicht als Mangelhaftigkeit geltend machen. Bei der gebotenen Abwägung der Interessen leiblicher Kinder am Unterbleiben der Adoption und jenen des präsumtiven Wahlkindes am Zustandekommen der Adoption seien erbrechtliche Reflexwirkungen, wie etwa eine Schmälerung des Pflichtteiles oder überhaupt rein wirtschaftlichen Interessen der leiblichen Kinder, als unberechtigte Anliegen dieser Kinder anzusehen, es sei denn, der Annehmende handle ausdrücklich in Schädigungsabsicht. Schädigungsabnsicht sei den Verfahrensergebnissen nicht zu entnehmen. Eine Schmälerung von Unterhaltsansprüchen des leiblichen Sohnes des Annehmenden sei nicht mehr aktuell, weil dieser zwischenzeitig verstorben sei. Der leibliche Sohn könne seine allfälligen Unterhaltsansprüche gegen den Nachlaß geltend machen. Diese Unterhaltsansprüche des volljährigen, aber arbeitsunfähigen leiblichen Sohnes seien jedenfalls auf den Wert der Verlassenschaft beschränkt.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Judikatur aus jüngerer Zeit zur Frage der Abgrenzung des leiblichen Kindern im Adoptionsverfahren zustehenden Beschwerdekreises fehle.
Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des leiblichen Kindes des Annehmenden wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Annahme an Kindesstatt des Zweitantragstellers als Wahlkind durch den Erstantragsteller als Wahlvater die Bewilligung versagt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 16 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).
In der Sache ist vorweg festzuhalten, daß auf den vorliegenden Sachverhalt nach § 26 IPRG österreichisches Recht anzuwenden ist, weil der Annehmende österreichischer Staatsbürger war.
Nach § 180a Abs 1 ABGB ist die Annahme an Kindesstatt zu bewilligen, wenn eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Sie muß dem Wohle des nicht eigenberechtigten Wahlkindes dienen. Ist das Wahlkind eigenberechtigt, so muß ein gerechtfertigtes Anliegen des Annehmenden oder des Wahlkindes vorliegen.
Nach Abs 2 dieser Bestimmung ist die Bewilligung, außer bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1, zu versagen, wenn ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes des Annehmenden entgegensteht, insbesondere dessen Unterhalt oder Erziehung gefährdet wäre; im übrigen sind wirtschaftliche Belange nicht zu beachten, außer der Annehmende handelt in der ausschließlichen oder überwiegenden Absicht, ein leibliches Kind zu schädigen.
Die leiblichen Kinder sind weder unter den im § 181 Abs 1 ABGB genannten Zustimmungsberechtigten noch unter den im § 181a Abs 1 genannten Anhörungsberechtigten angeführt. Ihnen wird daher keine unbedingte und unbeschränkte Beteiligtenstellung im Verfahren zur Bewilligung der Annahme an Kindesstatt eingeräumt. Die Rechtsprechung hat den leiblichen Kindern aber mit Zustimmung der Lehre zur Geltendmachung ihrer im § 180a Abs 2 anerkannten Interessen Beteiligtenstellung gemäß § 9 AußStrG zugebilligt (SZ 37/138; SZ 42/183; SZ 56/175; EF 44.445; ÖA 1987, 14; ÖA 1990, 75; Steininger Kritische Studien zum Adpotionsrecht, JBl 1963, 453 [461]; Ostheim Kennt das österreichische Adoptionsrecht eine "Kindesenteignung"? JBl 1966, 113 FN 3).
Dies bedeutet daher, daß sich das Anhörungsrecht der leiblichen Kinder auf die Wahrung ihrer Interessen im Sinne des Abs 2 der zitierten Bestimmung beschränkt, nicht aber auch darauf erstreckt, ob die Voraussetzungen des Abs 1 vorliegen.
Zu prüfen ist somit lediglich die Frage, ob durch die Annahme an Kindesstatt ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes des Annehmenden entgegensteht, insbesondere dessen Unterhalt oder Erziehung gefährdet wäre.
Dazu hat der Oberste Gerichtshof ebenfalls wiederholt ausgesprochen, daß die erbrechtlichen Reflexwirkungen der Annahme an Kindesstatt, die in einer entsprechenden Schmälerung der Erbteilsquote und damit auch der Pflichtteilsquote bestehen, für sich allein kein nach § 180a Abs 2 ABGB beachtliches Anliegen darstellen (ÖA 1984, 4; ÖA 1987, 14) und auch eine bloße Schmälerung des Unterhaltes des leiblichen Kindes, wie sie bei Vermehrung der Kinderzahl regelmäßig unvermeidlich ist, der Bewilligung der Annahme nicht entgegensteht (Schwimann in Schwimann2 Rz 6 zu § 180a; EvBl 1995/34).
Wie auch vom Rekursgericht bereits zutreffend bemerkt wurde, ist eine Schmälerung von Unterhaltsansprüchen des leiblichen Sohnes gegen den Annehmenden nicht mehr von Bedeutung, weil dieser zwischenzeitig verstorben ist. Nach § 142 ABGB geht die Schuld eines Elternteiles, dem Kind den Unterhalt zu leisten, bis zum Wert der Verlassenschaft auf seine Erben über. In den Anspruch des Kindes ist dabei alles einzurechnen, was das Kind nach dem Erblasser durch eine vertraglich oder letztwillige Zuwendung, als gesetzlichen Erbteil, als Pflichtteile oder durch eine öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Leistung erhält. Reicht der Wert der Verlassenschaft nicht aus, um dem Kind den geschuldeten Unterhalt bis zum voraussichtlichen Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit zu sichern, so mindert sich der Anspruch des Kindes entsprechend. Danach begrenzt der Wert der Verlassenschaft die dem leiblichen Sohn zustehenden Unterhaltsansprüche. Es ist dabei gleichgültig, ob die Annahme an Kindesstatt bewilligt wird oder nicht. Ebensowenig ist zu klären, inwieweit der Unterhalt des Revisionsrekurswerbers durch die Zuwendungen, die er zu Lebzeiten seines Vaters erhalten hat, sichergestellt ist.
Soweit der Revisionsrekurswerber weiters darauf verweist, daß bei der gebotenen Interessenabwägung sowohl ein angeblich bestehendes homosexuelles Verhältnis zwischen dem Wahlvater und dem Wahlkind und auch die mangelnde Geschäftsfähigkeit des Wahlvaters zu berücksichtigen seien, weshalb diese Umstände weiterhin aufklärungsbedürftig seien, vermag dem der Oberste Gerichtshof nicht zu folgen. Der erkennende Senat billigt die in der Rekursentscheidung zitierte zweitinstanzliche Rechtsprechung (EF 71.930), wonach sexuelle Beziehungen des Wahlvaters mit dem Wahlkind kein überwiegendes entgegenstehendes Interesse eines leiblichen Kindes begründen (so auch Schwimann aaO). Dafür spricht nicht zuletzt auch § 184 Abs 1 Z 4 ABGB. Nach dieser Bestimmung ist die gerichtliche Bewilligung der Annahme unter anderem dann zu widerrufen, wenn der Annahmevertrag ausschließlich oder vorwiegend in der Absicht geschlossen worden ist, den äußeren Schein einer Wahlkindschaft zur Verdeckung rechtswidriger geschlechtlicher Beziehungen zu schaffen, wobei das Antragsrecht nur den Vertragsteilen zusteht. Gilt dies aber sogar für rechtswidrige geschlechtliche Beziehungen, so muß bei rechtmäßigen geschlechtlichen Beziehungen umso eher gelten, daß sie von den leiblichen Kindern des Annehmenden nicht geltend gemacht werden können.
Aus diesem Grund bedarf es daher nicht der in diesem Zusammenhang gewünschten Feststellungen, weshalb sich das Rekursgericht zu Recht mit den im Rekurs hiezu enthaltenen Feststellungen inhaltlich nicht auseinandergesetzt hat.
Dies trifft auch auf die Behauptung der mangelnden Geschäftsfähigkeit des Wahlvaters zu. Die Bestimmungen der §§ 184 f ABGB regeln erschöpfend den Widerruf der Bewilligung und die Aufhebung der Wahlkindschaft durch Gerichtsbeschluß. Dem leiblichen Kind steht in diesem Verfahren kein Antragsrecht zu; es kann sich daher nicht auf die mangelnde Geschäftsfähigkeit des Annehmenden berufen (vgl § 184 Abs 1 Z 1 ABGB, wo ebenfalls das Antragsrecht nur den Vertragsteilen eingeräumt wird). Daraus ist aber zu schließen, daß das leibliche Kind diesen Einwand auch nicht im Adoptionsbewilligungsverfahren geltend machen kann.
Zu bemerken ist, daß der Oberste Gerichtshof bereits eine Verletzung der in § 180a Abs 2 ABGB umschriebenen Interessen eines leiblichen Kindes des Annehmenden als ungeeigneten Grund angesehen hat, eine Adoption zu widerrufen (EF 44.445).
Soweit im Revisionsrekurs schließlich geltend gemacht wird, der Adoptionsvertrag sei in Schädigungsabsicht geschlossen worden, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Nach den Feststellungen hat sich zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind ein tiefes menschliches Vertrauens- und Betreuungsverhältnis entwickelt, das zum Abschluß des Adoptionsvertrages führte. Bei diesem Sachverhalt, der vom Rekursgericht - für den Obersten Gerichtshof bindend - übernommen wurde, kann daher davon nicht die Rede sein, daß zumindest überwiegend (vgl § 180a Abs 2 letzter Halbsatz ABGB) unlautere Motive zum Abschluß des Vertrages geführt hätten. Da der Revisionsrekurs eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache nicht aufzuzeigen vermag, war ihm daher der Erfolg zu versagen.
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