Spruch:
Obgleich die leiblichen Kinder des Annehmenden nicht unter den Anhörungsberechtigten im § 181a ABGB. aufgezählt sind und sie daher mittelbar auch nicht im § 257 AußStrG. genannt erscheinen, ergibt sich ihre Beteiligtenstellung im Adoptionsbewilligungsverfahren und daher auch ihr Rekursrecht aus §§ 9 AußStrG., 180a (2) ABGB.
Entscheidung vom 8. Oktober 1964, 1 Ob 143/64. I. Instanz:
Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Der am 8. Dezember 1898 geborene, verwitwete Rudolf X. und die am 11. November 1933 geborene, ledige Maria K. schlossen am 18. Februar 1964 einen Adoptionsvertrag und beantragten dann gemeinsam die Bewilligung der Annahme an Kindesstatt. In ihrer Eingabe brachten sie vor, der Wahlvater habe aus erster Ehe einen längst großjährigen Sohn namens Alfred X. (geb. am 22. Mai 1922), der seinen ständigen Wohnsitz in Schweden habe; da der Sohn dem Vater durch eigenes Verschulden völlig entfremdet sei, bestehe für Rudolf X. kein Grund moralischer oder rechtlicher Art, dem Sohn nach seinem Tod mehr als den Pflichtteil zukommen zu lassen. Die Erhebungen des Erstrichters beschränkten sich auf eine Vernehmung der beiden Vertragspartner, wobei auf die Interessen des Alfred X. nicht eingegangen wurde.
Sodann bewilligte der Erstrichter die Annahme an Kindesstatt mit der Begründung, der bereits 65 Jahre alte Wahlvater sei kränklich, sodaß er sowohl zu seiner persönlichen Betreuung als auch im Geschäftsbetrieb der Stütze der Wahltochter bedürfe; es bestehe zwischen ihnen bereits eine dem Verhältnis Vater - Kind ähnliche Beziehung; beiderseits handle es sich um ein gerechtfertigtes Anliegen (§ 180a ABGB.); der eheliche Vater des Wahlkindes habe der Annahme an Kindesstatt zugestimmt.
Dieser Beschluß, in dem die Interessen des Alfred X. unerörtert blieben, wurde letzterem nicht zugestellt.
Lange nachdem der Beschluß des Erstrichters den Parteien und dem Parteivertreter sowie dem Amt der Landesregierung zugestellt und als rechtskräftig geworden angesehen worden war, langte ein Rekurs des Alfred X. ein, in dem er vorbrachte, er habe erst durch Einsichtnahme in den Akt im Zusammenhang mit dem Abhandlungsverfahren nach seinem nunmehr verstorbenen Vater von der Annahme an Kindesstatt und ihrer Bewilligung erfahren.
Er machte geltend, daß die Adoption vom ausschließlichen Wunsch des Wahlvaters getragen sei, ihn als dessen leibliches Kind zu schädigen, und berief sich bezüglich seiner Beteiligtenstellung und Rekurslegitimation auf die Bestimmungen der §§ 9 und 257 AußStrG.
Das Rekursgericht bejahte die Rechtzeitigkeit des Rekurses im Hinblick darauf, daß der erstrichterliche Beschluß dem Alfred X. nie zugestellt worden sei, hob diesen Beschluß auf und trug dem Erstrichter auf, nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Wahltochter nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die vom Rekursgericht herangezogenen Ausführungen Edlbachers in der ÖJZ. 1964 S. 227, stellen eine Replik auf kritische Betrachtungen Steiningers zum neuen Adoptionsrecht dar (JBl. 1963 S. 461), der die Nichtaufnahme der leiblichen Kinder des Annehmenden in den Kreis der Anhörungsberechtigten nach § 181a ABGB. bemängelt hatte. Vor ihm hatte schon Meyer im Kurzkommentar (S. 25) darauf hingewiesen, daß das Gesetz nicht bestimme, wie ein nach § 180a (2) ABGB. schutzwürdiges Anliegen eines leiblichen Kindes des Annehmenden an das Gericht herangetragen werden könne, und Staufer (NotZtg. 1960 S. 145) äußerte die Befürchtung, die Schutzbestimmung des § 180a (2) ABGB. werde sich als leere Formel erweisen. Edlbacher meint nun, das Anhörungsrecht des § 181a ABGB. sei materiellrechtlicher Natur, beziehe sich also auf das Wahlkind und dessen Interessen; das leibliche Kind des Annehmenden sei im Verhältnis zur Adoption nur Dritter, sein formelles Anhörungsrecht und seine bezüglich der eigenen Interessen selbstverständlich zu bejahende Beteiligtenstellung ergebe sich aus § 9 AußStrG. in Verbindung mit der Schutzvorschrift des § 180a (2) ABGB.
Die "Erläuternden Bemerkungen" zu §§ 181, 181a ABGB. (107 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, IX. GP.) führen aus: "Diese Bestimmungen sollen sicherstellen, daß keine Kindesannahme gegen den Willen oder die wohlbegrundete Meinung der Personen oder Stellen zustandekommt, die durch diesen Rechtsakt in ihren Rechten und Pflichten unmittelbar betroffen werden, den Vertragsteilen besonders nahestehen oder das Wahlkind zu vertreten oder für sein Wohl zu sorgen haben. Daneben verfolgen diese Bestimmungen auch den Zweck, dem bewilligenden Gericht die Unterlagen zur Verfügung zu stellen, auf Grund deren es die Voraussetzungen für seine Entscheidung beurteilen kann."
Daß es sich bei den Rechten und Pflichten, die durch die Adoption betroffen werden, um solche handelt, die sich unmittelbar auf das Wahlkind beziehen, ist zwar nicht ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber wohl aus der Stellung, die alle im § 181a ABGB. außer dem Wahlkind selbst aufgezählten Personen und Stellen zum Wahlkind hinsichtlich seiner Abstammung und Betreuung einnehmen. Es handelt sich also - insoweit ist Edlbacher und dem Rekursgericht beizupflichten - bei § 181a ABGB. um ein Anhörungsrecht zum Schutz der Interessen des Wahlkindes.
Keine Stellung bezogen hat Edlbacher (und ihm folgend das Rekursgericht) zur kritischen Bemerkung Steiningers, daß die leiblichen Kinder des Annehmenden auch nicht im § 7 AußStrG. unter den am Verfahren Beteiligten angeführt sind. Die Beteiligtenstellung des leiblichen Kindes des Annehmenden läßt sich im Sinn ständiger Judikatur über die Tragweite des § 9 AußStrG. (SZ. XXIII 5, SZ. XXIV 284 u. v. a.) aus dem Zusammenhalt von § 180a (2) ABGB. und § 9 AußStrG. gewiß ohne weiteres ableiten, dies freilich nur, sofern die Neufassung des § 257 AußStrG. als lex posterior für das Verfahren zur Billigung der Annahme an Kindesstatt keine den Anwendungsbereich des § 9 AußStrG. einengende Sondernorm gebracht hat.
Die "Erläuternden Bemerkungen" führen zu § 257 AußStrG. aus: "Diese Bestimmung beseitigt jeden Zweifel über den Umfang des Kreises der Beteiligten im Annahme-, Widerrufs- und Aufhebungsverfahren ...". Für sich allein betrachtet, könnte daraus allerdings eher abgeleitet werden, anderen als den im § 257 AußStrG. genannten Personen und Stellen komme Beteiligtenstellung und Rekursrecht nicht zu, daher insbesondere nicht den leiblichen Kindern des Annehmenden. Berücksichtigt muß aber auch werden, daß es in den einleitenden allgemeinen Ausführungen der "Erläuternden Bemerkungen" heißt (II/2/d a. E.): "Außerdem verlangt die Neuregelung in allen Fällen, in denen die Annahme die Anliegen anderer Personen berührt, deren Zustimmung oder, in weniger wichtigen Fällen, deren Anhörung." Der Gesetzgeber wollte also nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes mit der Neufassung des § 257 AußStrG. den Kreis der Verfahrensbeteiligten zum Schutz der Interessen des Wahlkindes erweitern, aber nicht auf Kosten einer Gefährdung der Anliegen anderer Personen, insbesondere der Rechte und Interessen der leiblichen Kinder des Annehmenden, deren Schutz im § 180a (2) ABGB. bei gleichzeitiger Beseitigung des Adoptionserfordernisses der ehelichen Kinderlosigkeit normiert wurde. Im Ergebnis ist deshalb Steininger beizupflichten, daß § 257 AußStrG. dahin zu verstehen ist, auch den in den §§ 181 und 181a ABGB. angeführten Personen und Stellen komme die Beteiligtenstellung zu.
Die im Revisionsrekurs vertretene gegenteilige Auffassung (nur den in §§ 181, 181a ABGB. genannten Personen und Stellen komme die Beteiligtenstellung zu) hätte zur Folge, daß selbst dann, wenn die Existenz eines leiblichen Kindes des Annehmenden im Adoptionsgenehmigungsverfahren geflissentlich verheimlicht worden wäre, diesem jede Möglichkeit genommen wäre, die gesetzwidrige Verletzung seiner Rechte zu rügen. Ein derartiger Sachverhalt wurde nämlich weder als Widerrufs- noch als Aufhebungsgrund erklärt und da das Adoptionserfordernis der Kinderlosigkeit weggefallen ist, kann jenes leibliche Kind des Annehmenden auch nicht auf den vor der Neuregelung des Adoptionsrechtes möglichen Weg gewiesen werden, es könne wenigstens im Erbrechtsprozeß dem Wahlkind entgegengehalten werden, ihm gegenüber seien die Wirkungen der Adoption nicht eingetreten (EvBl. 1964 Nr. 411 S. 520). Solche Konsequenzen aus einem Umkehrschluß aus dem bloßen Wortlaut des § 257 AußStrG. zu ziehen, widerspräche dem Sinn der Neuregelung des Adoptionsrechtes.
Aus diesen Erwägungen ist dem Rekursgericht darin beizupflichten, daß der Sohn des Wahlvaters berechtigt ist, mit seinem als rechtzeitig anzusehenden Rekurs den Schutz seiner Interessen im Sinn des § 180a ARGB. zu verlangen. Nicht im Recht ist dieser freilich mit seiner ganz allgemein formulierten Meinung, der Deszendent des Annehmenden brauche - wenn er schon nicht seine Verweisung auf den Pflichtteil verhindern könne - nicht gegen sich gelten lassen, daß der Pflichtteil durch Schaffung von Wahlgeschwistern absichtlich geteilt und verkürzt wende, denn ein solches Ergebnis der Zulassung der Adoption auch bei Vorhandensein leiblicher Kinder als Folge der Testierfreiheit des Annehmenden hat der Gesetzgeber an und für sich in Kauf genommen. Nur unter den Voraussetzungen des § 180a ABGB. besteht eine Möglichkeit, einer solchen Entwicklung vorzubeugen. Da Alfred X. behauptet und unter Beweis gestellt hat, sein Vater habe in der ausschließlichen Absicht gehandelt, ihn zu schädigen, und zugleich auch bestreitet, daß es sich bei der Adoption um ein gerechtfertigtes Anliegen, sei es nun des Annehmens, sei es des Wahlkindes handle, und überdies nicht gesagt werden kann, die geltend gemachten Umstände könnten auf keinen Fall zu einer Versagung der Bewilligung führen, kann in dem vom Rekursgericht erteilten Auftrag zur Verfahrensergänzung keine Fehlentscheidung erblickt werden.
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