European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0020OB00231.12B.0221.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.997,82 EUR (darin enthalten 332,79 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die Klägerin kam am 7. 1. 2010 um 7:10 Uhr auf einer Liegenschaft, auf der sich eine Filiale des M*****marktes samt Parkplatz und Zugangswegen befindet, auf einem mit Zebrastreifen gekennzeichneten Weg im Parkplatzbereich, der glatt und nicht gestreut war, zu Sturz. Diese Liegenschaft wurde von der Beklagten aufgrund eines Winterbetreuungsvertrags geräumt und gestreut. In diesem wurde auch die Haftungsübernahme nach § 93 StVO vereinbart und hinsichtlich der Flächen, die nicht dem § 93 StVO unterliegen, eine Terminräumung bis 8:30 Uhr vereinbart, weil die Filiale um 9:00 Uhr öffnet.
Die Sturzstelle war zuletzt am Tag vor dem Unfall von einem Mitarbeiter der Beklagten geräumt und mit Taumittel bestreut worden, was dazu führte, dass sich in einer Mulde Schmelzwasser sammelte und gefror.
Die Klägerin begehrte unter Darstellung dieses Sachverhalts Schadenersatz und verwies auf § 93 StVO.
Die Beklagte brachte vor, es liege kein Fall des § 93 StVO vor, sie sei daher lediglich zur Räumung bis 8:30 Uhr verpflichtet gewesen.
Das Erstgericht sprach mit Teilzwischenurteil aus, dass das Leistungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Leistungsbegehrens ab. Innerhalb eines Grundstücks liegende Wege unterlägen nicht der Streupflicht nach § 93 Abs 1 StVO. Ein Wegehalter, der seine Pflicht nach § 1319a ABGB auf einen anderen übertrage, hafte nur mehr für Auswahlverschulden oder Verletzung einer etwaigen Überwachungspflicht. Der weisungsfreie Unternehmer zähle nicht zu den Leuten des Halters. Die analoge Anwendung der Wegehalterhaftung auf diesen werde von der Rechtsprechung abgelehnt, es komme daher nur eine Gehilfenhaftung nach § 1315 ABGB in Frage. Dass die Beklagte sich hier eines habituell untüchtigen Gehilfen bedient hätte, behaupte nicht einmal die Klägerin. Eine deliktische Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin scheide daher aus. Auf einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter habe sich die Klägerin nicht berufen. Die ordentliche Revision wurde wegen der Frage der Gehilfenhaftung zugelassen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.
1. Schadenersatzansprüche gegen den Liegenschaftseigentümer können nur im Falle eigenen Verschuldens oder bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1315 ABGB geltend gemacht werden. Das gilt auch für denjenigen, der gemäß § 93 Abs 5 StVO durch vertragliche Übernahme der Pflicht an dessen Stelle getreten ist (RIS‑Justiz RS0023377 [T2]).
2. Die Klägerin hat zum Anspruchsgrund im erstinstanzlichen Verfahren aber lediglich vorgebracht, auf einem nicht gestreuten Gehsteig zu Sturz gekommen zu sein, für den die beklagte Partei die Streupflicht und die Haftung nach § 93 StVO übernommen habe, ohne in irgendeiner Weise auf die Person, die die tatsächliche Betreuung der Fläche durchführte, einzugehen.
Wenn sie nunmehr eine Untüchtigkeit des die Unfallstelle Betreuenden iSd § 1315 ABGB behauptet, handelt es sich um unzulässige Neuerungen.
Soweit die Klägerin meint, sie hätte zu einem entsprechenden Vorbringen angeleitet werden müssen, würde es sich um einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens handeln, der in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden kann.
3. Nach der ständigen Judikatur gehört ein selbständiger Unternehmer, der die Aufgaben des Wegehalters besorgt, nicht mehr zu den „Leuten“ des Wegehalters; er haftet daher nach den allgemeinen Schadenersatzregeln (RIS‑Justiz RS0029995; vgl 2 Ob 51/89). Zur Gehilfenhaftung wurde aber in erster Instanz kein Vorbringen erstattet.
4. Abgesehen davon, dass es sich auch beim Vorbringen der Revisionswerberin in Zusammenhang mit der Anwendung von § 1313a ABGB um unzulässige Neuerungen handelt, wird nicht dargetan, inwiefern hier eine § 1313a ABGB entsprechende Sonderverbindung bestünde bzw aus welchen Gründen eine die Analogie überhaupt erst ermöglichende Regelungslücke vorläge.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, ihr Schriftsatz diente daher der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.
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