OGH 2Ob230/00p

OGH2Ob230/00p21.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna Maria D*****, vertreten durch Dr. Thomas Hofer-Zeni, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Friedrich D*****, vertreten durch Dr. Gernot Schreckeneder, Rechtsanwalt in Zell am See, wegen Unterhaltserhöhung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 26. April 2000, GZ 55 R 18/00v-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Zell am See vom 6. Dezember 1999, GZ 3 C 44/99z-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.058,88 (darin enthalten S 676,48 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. 8. 1985, 2 Cg 12/83 nach § 55 EheG geschieden, wobei über Antrag der Klägerin ausgesprochen wurde, dass die Zerrüttung der Ehe vom Beklagten allein verschuldet wurde (§ 61 Abs 3 EheG). Mit Urteil des Bezirksgerichtes Zell am See vom 28. 8. 1987, 3 C 15/87 wurde der Beklagte verpflichtet, der Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 1.000,-- zu bezahlen, was auch geschieht. Die Klägerin bezieht monatlich ein Pensionsnettoeinkommen von S 5.700,-- 14 x jährlich und der Beklagte ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 23.742,- -.

Die Klägerin stützt ihr auf Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von S 3.527,-- gerichtetes Begehren darauf, dass sie außer über ihr Pensionseinkommen noch über ein Einkommen von S 3.300,-- netto monatlich, demnach über insgesamt monatlich S 9.950,-- verfüge. Sie sei zwar Eigentümerin einer Eigentumswohnung in Mondsee, die sie aus dem Verkaufserlös ihrer seinerzeitigen Eigentumswohnung gekauft habe und die ausschließlich von ihr bewohnt werde und ihrem Wohnbedürfnisse diene und eines Baugrundstückes, dessen Kaufpreis sie aus einer Erbschaft beglichen habe, doch sei ihr dieses Vermögen nicht anzurechnen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens; die Klägerin müsse sich fiktive Mieteinkünfte anrechnen lassen. Sie sei zudem Eigentümerin eines Reihenhauses in Mondsee und eines Baugrundstückes.

Nach Schluss der Verhandlung gemäß § 193 Abs 3 ZPO am 29. 9. 1999 brachte die Klägerin noch vor, ihr Beschäftigungsverhältnis als geringfügig Beschäftigte zum 31. 10. 1999 gekündigt zu haben und nunmehr außer ihrer Pension keine Einkünfte zu beziehen.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen, wobei es vom nachstehenden Sachverhalt ausging:

Die Streitteile haben im Frühjahr 1972 (während der Ehe) eine Liegenschaft in Zell am See gemeinschaftlich erworben und darauf ein Wohnhaus und eine Frühstückspension errichtet. Der Beklagte hat diese Liegenschaft (offensichtlich die ihm gehörende Hälfte) der Klägerin mit Notariatsakt vom 19. 4. 1977 geschenkt. Mit Kaufvertrag vom 6. 11. 1978 verkaufte die Klägerin diese Liegenschaft samt Inventar um den Preis von S 1,770.000,- -. Nach Berichtigung der grundbücherlich sichergestellten Verbindlichkeiten verblieben ihr rund S 943.000,- -. Nach weiterer Berichtigung eines Autokredites standen ihr S 840.000,-- zur Verfügung. Sie erwarb eine Eigentumswohnung in Salzburg um einen Kaufpreis von S 410.000,-- und musste für die Ansparrate eines Bausparkredites S 120.000,-- und S 44.000,-- an Steuern und Gebühren zahlen und um weitere S 170.000,-- erwarb sie eine Wohnungseinrichtung. Die Klägerin war während der aufrechten Ehe berufstätig. Sie übertrug 1979 die Eigentumswohnung ihrer Mutter, benützte die Wohnung aber weiterhin mit ihrer Tochter, während die Mutter ab dem Zeitpunkt der Übergabe die monatlichen Rückzahlungsraten an die Bausparkasse von S 2.288,-- und die monatlichen Betriebskosten bezahlte. Nach dem Tod ihrer Mutter übernahm die Klägerin diese Eigentumswohnung im Erbwege und musste Rückzahlungsraten von monatlich S 2.388,-- und Betriebskosten von S 3.000,-- selbst bezahlen. Sie verkaufte im Februar 1990 die Wohnung möbliert um einen Gesamterlös von S 1,600.000,- -, von welchem sie den noch offenen Kreditrest bei der Bausparkasse tilgte. Mit dem restlich verbleibenden Geld erwarb sie um S 1,4 Mio eine Eigentumswohnung in Mondsee. Nach Verkauf dieser Eigentumswohnung um S 1,850.000,-- kaufte sie 1992 mit diesem Verkaufserlös, einer Erbschaft nach ihrem Onkel von S 240.000,-- und einem Darlehen ihrer außerehelichen Tochter in gleicher Höhe sowie unter Zuhilfenahme eines Landesdarlehens von S 200.000,-- ein Reihenhaus in Mondsee. Die Rückzahlungsraten für das Landesdarlehen betragen monatlichen S 2.393,- -. Nach Erhalt einer weiteren Erbschaft von S 1 Mio bezahlte sie das Darlehen an ihre Tochter (S 240.000,- -) zurück. Die Klägerin ist weiters Alleineigentümerin eines Grundstückes in Mondsee.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass die Klägerin als schwächer Verdienende Anspruch auf etwa 40 % des Gesamteinkommens habe, doch müsse sie sich anrechnen lassen, dass sie infolge der seinerzeitigen Liegenschaftsschenkung des Beklagten in die Lage versetzt worden sei, sich eine Eigentumswohnung zu kaufen und dadurch ihr Wohnbedürfnis abzudecken. Da sie nach gänzlicher Tilgung des Bauspardarlehens schließlich über eine Eigentumswohnung verfügt habe, habe sie gegen den Beklagten nur einen um das Wohnbedürfnis (abgesehen von den Betriebskosten) verminderten Unterhaltsanspruch. Unabhängig davon, ob man zugrundelegte, dass die Klägerin vermieten könnte und der fiktive Mieterlös ihrem Einkommen zuzuschlagen sei oder ob man ihr Ersparnisse anrechne, die mit dem Fehlen von Rückzahlungen mit Mietzahlungen verbunden seien, sei bereits im Vorprozess eine auf den Unterhaltsanspruch anzurechnende Bewertung von zumindest S 3.250,-- vorgenommen worden. Unter Berücksichtigung, dass die Wohnungskosten im Bundesland Salzburg seit der vor 12 Jahren vorgenommenen Bewertung gestiegen seien, sei davon auszugehen, dass die seinerzeitige Eigentumswohnung um mindestens S 4.200,-- vermietet hätte werden können, woraus sich ein fiktives Einkommen der Klägerin von S 14.150,-- und unter Berücksichtigung des Monatseinkommens des Beklagten von S 23.742,-- ein fiktives Gesamteinkommen von S 37.892,-- ergeben hätte. 40 % hievon seien S 15.156, woraus sich ein Unterhaltsanspruch der Beklagten von S 1.006,-- errechne, der in der bisherigen Unterhaltsleistung von S 1.000,-- annähernd gedeckt sei. Lege man die Ersparnis von Wohnungskosten zugrunde, sei zunächst der rechnerische Unterhaltsanspruch der Klägerin festzustellen; unter Berücksichtigung ihres monatlichen Einkommens (S 9.950,- -) und jenes des Beklagten (S 23.742,- -) ergebe sich ein fiktives Familieneinkommen von S 33.692,- -, 40 % demnach S 13.295,- -. Unter Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin ergebe sich eine Differenz von S 3.345,- -, weshalb unter Anrechnung der derzeitigen Unterhaltsleistung von S 1.000,-- ein Differenzbetrag von S 2.345,-- verbleibe. Es sei evident, dass die Wohnungskostenersparnis diese Höhe erreiche. Dazu komme noch, dass der Klägerin im Erbweg Vermögen zugeflossen sei. Auch wenn man nicht verlange, dass sie den Stamm ihres Vermögens zur Deckung ihrer Unterhaltsbedürfnisse heranzuziehen habe, müssten ihr doch mögliche Einkünfte aus diesem Vermögen angerechnet werden. Bei einer zumutbaren Veranlagung eines Betrages von S 750.000,-- (aus Erbschaft S 1 Mio minus Darlehensrückzahlung an die Tochter) wäre bei einer erzielbaren Verzinsung von 3 % jährlich ein monatliches Einkommen von S 1.875,-- erreichbar gewesen, welches sich die Klägerin ebenfalls auf ihren Unterhaltsanspruch anrechnen lassen müsse.

Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es verneinte einen angeblichen Verfahrensmangel erster Instanz, der darin erblickt worden war, dass das Erstgericht einen nach Schluss der Verhandlung nach § 193 Abs 3 ZPO eingelangten Antrag auf Wiedereröffnung des Verfahrens unberücksichtigt ließ und verneinte in der Sache einen weiteren Unterhaltsanspruch der Klägerin. Es führte rechtlich aus, dass der "durchschnittliche Österreicher für die Kosten des Wohnens ca ein Drittel bis ein Viertel seines Einkommens ausgebe" und im vorliegenden Fall der Wohnbedarf der Klägerin durch ein ihr gehörendes Reihenhaus gedeckt sei. Es sei daher angebracht, den Unterhaltsbedarf der Klägerin in diesem Fall um ein Viertel zu reduzieren. Der von der Rechtsprechung aus 40 % des Familieneinkommens errechnete Orientierungswert für den Unterhaltsergänzungsanspruch der schlechter verdienenden Ehefrau reduziere sich daher auf rund 30 %, im konkreten Fall auf S 10.107,60, wovon das Nettoeinkommen von S 9.950,-- abzuziehen sei. Der verbleibende Unterhaltsanspruch von S 157,60 sei durch die bereits auferlegte Unterhaltsverpflichtung von S 1.000,-- gedeckt.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage der Bewertung eines gedeckten Wohnbedarfes eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Die Klägerin strebt mit ihrer aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahren und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Revision die Stattgebung des Klagebegehrens an. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der geltend gemachte Verfahrensmangel wurde geprüft. Er liegt nicht vor, was nicht weiter zu begründen ist (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Vorweg ist festzuhalten, dass eine Anrechnung fiktiver Mieteinnahmen aus der von der Klägerin bewohnten Wohnung auf ihr eigenes Einkommen - wie es das Erstgericht vorgenommen hat - unzulässig ist, weil die Vermietung einer vom Unterhaltsberechigten in Eigennutz genommenen Wohnung diesem grundsätzlich unzumutbar ist (EF 65.058).

Ebenso sind tatsächlich nicht gezogene Einkünfte aus Kapitalerträgen nur dann angemessen zu berücksichtigen, wenn sie der Unterhaltsfordernde vertretbarerweise hätte ziehen können. Was vertretbar oder unvertretbar ist, bestimmt sich nach den konkreten Lebensverhältnissen unter Bedachtnahme auf die Entscheidung, die partnerschaftlich eingestellte Eheleute im gemeinschaftlichen Interesse unter den gegebenen Umständen getroffen hätten. Dies gilt grundsätzlich als Nachwirkung aus dem Eheband grundsätzlich auch für einen gemäß § 69 Abs 2 EheG geschuldeten Unterhalt unter Bedachtnahme auf die durch die Auflösung der Ehe verminderten persönlichen Rücksichtnahmen (6 Ob 545/91). Es ist hier durchaus vertretbar, dass die Klägerin aus einer ihr nach Auflösung der Ehe zugekommenen Erbschaft einen Baugrund in Mondsee ankaufte und eine ertragbringende Anlegung unterließ. Eine Anrechnung fiktiver Kapitalerträge aus diesem Vermögen auf das Einkommen der Klägerin hat daher ebenfalls zu unterbleiben.

Die Klägerin hat im Scheidungsverfahren einen Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG erwirkt, wonach der Beklagte die Zerrüttung der Ehe allein verschuldet hat. Sie ist daher nach § 69 Abs 2 EheG so zu stellen, wie wenn die Ehe nicht geschieden wäre (vgl Zankl in Schwimann ABGB2 Rz 3 zu § 69 EheG mwN). Demnach ist bezüglich des Unterhaltes auf die tatsächlichen Verhältnisse im Scheidungszeitpunkt abzustellen (Zankl aaO mwN). Zum Unterhalt gehört auch grundsätzlich das Wohnen dazu (Schwimann in Schwimann ABGB2 Rz 1 zu § 94; ÖA 93; ÖA 1993, 103). Die Vorinstanzen haben aber zutreffend darauf verwiesen, dass zum Scheidungszeitpunkt die eheliche Gemeinschaft der Streitteile bereits aufgehoben war und auch das Wohnbedürfnis der Klägerin abgedeckt war, weil sie in einer ihr gehörenden Eigentumswohnung wohnte. Dass diese (teilweise) aus dem Verkauf einer ursprünglich den Streitteilen gemeinsam gehörenden und schließlich infolge Schenkung durch den Beklagten der Klägerin alleine gehörenden Liegenschaft erfolgte, ist dabei nicht von wesentlicher Bedeutung, weil allfällige Vermögensauseinandersetzungen im Zuge des nachehelichen Aufteilungsverfahrens im Sinne der §§ 81 ff EheG zu klären gewesen wären. Wesentlich erscheint aber, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt das Wohnbedürfnis der Klägerin befriedigt war und Wohnungskosten vom Beklagten nicht getragen wurden. Nunmehr ist das Wohnbedürfnis ebenfalls gedeckt, weil die Klägerin in einem ihr gehörenden Reihenhaus wohnt. Hat aber der Unterhaltsberechtigte nicht für die Kosten der Wohnversorgung aufzukommen, so bedarf er regelmäßig nicht mehr des gesamten festgesetzten Geldunterhalts, um seinen vollständigen Unterhalt zu decken (4 Ob 510/94; 3 Ob 501/95), weshalb die Wohnkostenersparnis angemessen zu berücksichtigen ist (vgl Deixler-Hübner, Zur Anrechnung von Geld- und Naturalunterhalt, ecolex 2001, 110 [112]).

Der in diesem Zusammenhang vom Berufungsgericht aufgestellten These, es sei "gerichtsnotorisch, dass der durchschnittliche Österreicher für die Kosten des Wohnens ca ein Drittel bis ein Viertel seines Einkommens ausgibt" kann in dieser allgemeinen Form nicht beigetreten werden, weil immer die Umstände des Einzelfalles maßgeblich sind.

Nach § 273 ZPO bestehen aber keine Bedenken, beim hier bestehenden Unterhaltsanspruch von S 13.295,-- unter Berücksichtigung des Eigeneinkommens der Klägerin von S 9.950,-- sowie des bezahlten Unterhaltsbeitrages von S 1.000,-- den verbleibenden Restbetrag von S 2.345,-- als aliquote Wohnkostenersparnis bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen, wie es bereits das Berufungsgericht vorgenommen hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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