OGH 3Ob501/95

OGH3Ob501/9529.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Monika R*****, vertreten durch Dr.Kurt Konopatsch und Dr.Sonja Jutta Sturm-Wedenig, Rechtsanwälte in Leoben, wider die beklagte Partei Peter R*****, vertreten durch Dr.Harald W.Jesser und DDr.Manfred Erschen, Rechtsanwälte in Leoben, wegen restlicher S 61.199,79 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 18.Oktober 1994, GZ R 882/94-74, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Leoben vom 29.Juni 1994, GZ 2 C 68/90x-65, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten S 811,84 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Streitteile wurde am 12.9.1990 gemäß § 49 EheG aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden.

Dem Beklagten stand bis zur einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichtes Leoben vom 7.6.1991 ein Benützungsrecht an der einstigen Ehewohnung in L*****, M*****platz 2, gemeinsam mit der Klägerin zu. Mit dem am 17.9.1992 zu 2 F 10/90 des Bezirksgerichtes Leoben abgeschlossenen Vergleich anerkannte der Beklagte, daß künftig die alleinigen Mietrechte an der ehemaligen Ehewohnung der Klägerin zustehen. Bis September 1992 bestritt der Beklagte die Wohnungskosten für die einstige Ehewohnung mit Ausnahme der Fernseh- und Rundfunkgebühren. Die Klägerin sprach sich wiederholt, erstmals mit Einbringung ihrer Klage, gegen die Zahlung der Wohnungskosten durch den Beklagten aus und überwies aus diesem Grund am 3.6.1991 die anteilig auf sie entfallenden Wohnungskosten für November 1990 bis Mai 1991 von S 13.923,-- sowie die danach fällig gewordenen monatlichen Beträge für Juni und Juli 1991 von je S 1.898,20 an den Beklagten. Der Beklagte nahm diese Zahlungen nicht an und überwies sie am selben Tag zurück. Die Klägerin hinterlegte die anteiligen Wohnungskostenbeträge nicht bei Gericht.

Mit der vorliegenden Unterhaltsklage begehrt die Klägerin zuletzt Unterhalt von S 150.103,06 sA für die Zeit vom 1.11.1990 bis März 1993. Für die Zeit ab April 1993 macht die Klägerin keine Unterhaltsansprüche geltend, weil sie ganztags beschäftigt ist.

Zu der im Revisionsverfahren allein strittigen Frage der Anrechenbarkeit der Naturalleistungen des Beklagten für die ehemalige Ehewohnung in L*****, M*****platz 2, brachte die Klägerin vor, sie sei selbstverständlich bereit, die auf sie anteilig entfallenden Wohnungskosten zu bezahlen. Bisher habe der Beklagte ohne entsprechenden Nachweis einfach eine Gegenverrechnung mit dem zu zahlenden Unterhalt vorgenommen. Mit einer derartigen Vorgangsweise sei die Klägerin nun nicht mehr einverstanden, weil sie einen "Rechtsanspruch auf die Höhe des ihr zustehenden Unterhaltsbetrages" habe; sie sei jedoch bereit, dem Kläger nach Nachweis die entsprechenden Kosten zur Hälfte zu bezahlen. Derartige Forderungen des Beklagten stünden der Unterhaltsforderung der Klägerin nicht kompensabel gegenüber. Sie habe die auf sie anteilig entfallenden Wohnungskosten dem Beklagten laufend überwiesen; dieser habe jeweils eine Rücküberweisung vorgenommen. Darin liege offensichtlich ein Verzicht auf die halben Wohnungskosten; der Beklagte sei daher nicht berechtigt, Naturalleistungen für die Wohnung in diesem Verfahren aufzurechnen.

Der Beklagte wendete ein, die Klägerin müsse sich bei der Unterhaltsbemessung die halben Kosten für diese Wohnung anrechnen lassen; er sei nicht damit einverstanden, daß die Klägerin ihm diese halben Wohnungskosten in barem ersetzt. Er werde die ihm von der Klägerin überwiesenen anteiligen Wohnungskosten prompt rücküberweisen. Von einem Verzicht auf die Anrechnung dieser Aufwendungen auf die Unterhaltsforderung könne daher keine Rede sein. Da der Beklagte ab 7.6.1991 keinen Zutritt zur Wohnung habe und die Klägerin die Wohnung seitdem allein benütze, sei ihr ab 1.7.1991 die gesamte vom Beklagten bezahlte Miete von S 3.308,-- anzurechnen. Er habe bereits 5 Monate vor der Klageeinbringung die Wohnungskosten getragen; erstmals am 3.6.1991 habe die Klägerin S 13.923,-- mit dem Vermerk "anteilige Wohnungskosten" rücküberwiesen. Da sie vor dieser Überweisung über ein halbes Jahr zur Kenntnis genommen habe, daß der Beklagte für die Wohnungskosten zur Gänze aufkommt, habe sie damit anerkannt, daß sie mit einer Aufrechnung dieser Zahlungen auf ihre angeblichen Unterhaltsansprüche einverstanden sei; andernfalls hätte sie die Rücküberweisung spätestens bei Einbringung der Klage tätigen oder bei Nichtannahme der Rückzahlungen diese Beträge gemäß § 1425 ABGB bei Gericht erlegen müssen.

Das Erstgericht gab der Klage hinsichtlich eines Teilbegehrens von S 78.151,66 sA statt und wies das Mehrbegehren von S 71.951,40 sA ab. Zu der im Revisionsverfahren allein strittigen Frage der Anrechnung der Naturalleistungen des Beklagten auf die ehemalige Ehewohnung führte das Erstgericht aus, grundsätzlich sei der gesamte angemessene Unterhalt nach Scheidung (§ 66 EheG) in Geld zuzusprechen. Eine Minderung der Unterhaltsverpflichtung in Geld unter Berücksichtigung von Naturalleistungen sei nur dann gerechtfertigt, wenn sich der Unterhaltsberechtigte ausdrücklich oder schlüssig damit einverstanden erklärt und aufgrund eines stabilen Verhaltens des Unterhaltsverpflichteten die begründete Annahme besteht, daß dieser die Naturalleistungen auch künftig erbringen werde. Da im konkreten Fall ausschließlich Unterhaltsrückstände von der Klägerin eingefordert würden und der Beklagte für die maßgebliche Zeit bis September 1992 den Großteil der Kosten der seit Juni 1991 ausschließlich von der Klägerin benutzten Wohnung bestritten habe, sei trotz der bloß mündlich erfolgten Widersetzung der Klägerin gegen diese Zahlungen eine Anrechnung auf den Unterhaltsanspruch vorzunehmen; ein gerichtlicher Erlag der anteiligen Wohnungskosten seitens der Klägerin oder eine Einschränkung des Klagebegehrens um die auf den Unterhalt anrechenbaren, vom Beklagten getragenen Wohnungskosten sei nicht erfolgt. Die Klägerin habe die Zahlungen, wenn auch unter Protest, tatsächlich angenommen. Da sie ab Juli 1991 alleinige Benützungsberechtigte der Wohnung gewesen sei, seien ab diesem Zeitpunkt die vom Beklagten geleisteten Wohnungskosten zur Gänze auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin anzurechnen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil infolge Berufung der Klägerin dahin ab, daß es - in gänzlicher Neufassung unter Bedachtnahme auf die inhaltlich einen Berichtigungsantrag darstellende Berufung des Beklagten - der Klage hinsichtlich eines Teilbetrags von S 88.903,27 sA stattgab und das Mehrbegehren von S 61.199,79 sA abwies. Der klagestattgebende Teil des Berufungsurteils ist in Rechtskraft erwachsen.

Das Berufungsgericht billigte die Anrechnung der Naturalleistungen durch das Erstgericht, weil im vorliegenden Fall ausschließlich ein Unterhaltsrückstand festzusetzen sei, sodaß im Hinblick auf eine Gesamtverrechnung der Abzug der vom Beklagten unter dem Titel Wohnungskosten geleisteten Zahlungen vom Unterhaltsanspruch der Klägerin der Sachlage gerecht werde. Auszugehen sei davon, daß der Beklagte bis zum Abschluß des Vergleichs vom 17.9.1992, 2 F 10/90-36 des Bezirksgerichtes Leoben, Mieter der ehemaligen Ehewohnung gewesen sei. Er sei deshalb auch verpflichtet gewesen, bis dahin die halben Mietkosten und die Kosten der Haushaltsversicherung zur Hälfte zu tragen, obwohl ihm mit einstweiliger Verfügung vom 6.6.1991, 2 F 10/90-17, ab sofort verboten worden sei, die Ehewohnung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in diesem Verfahren zu betreten. Anders verhalte es sich allerdings mit den Stromkosten, weil der Beklagte aufgrund dieser einstweiligen Verfügung von der faktischen Benützung der Ehewohnung ab Juli 1991 ausgeschlossen gewesen sei. Diese Stromkosten habe die Klägerin daher ab 1.7.1991 tatsächlich allein zu tragen. Die Klägerin habe die halben Mietzinszahlungen des Beklagten im Betrag von S 43.065,-- ausdrücklich anerkannt; sie könne daher nun nicht - unter Hinweis auf die Benützung der Ehewohnung durch den Sohn Richard R***** - eine Aufteilung nach Köpfen verlangen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Gemäß § 70 Abs 1 Satz 1 EheG ist der Unterhalt nach Scheidung durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren. Diese grundsätzliche Verpflichtung zur Leistung des Unterhalts durch Zahlung einer Geldrente besteht schon bei aufrechter Ehe nach Aufhebung der ehelichen Haushaltsgemeinschaft (EvBl 1993/161; Schwind in Klang I/1 886; Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 4 zu § 94; Schwimann in Schwimann, ABGB, Rz 61 zu § 94).

Die Klägerin begehrte hier im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz ausschließlich Unterhalt für die Vergangenheit; eine Festsetzung des Unterhalts für die Zukunft wird nach Aufnahme einer Berufstätigkeit nicht mehr begehrt. Die Anrechnung der bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung erbrachten Naturalleistungen auf den vergangenen Geldunterhalt ist jedoch keineswegs ausgeschlossen. Schwimann (aaO mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien) bezeichnet es ohne nähere Begründung als "selbstverständlich", daß die von der Haushaltstrennung bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung erbrachten Naturalleistungen auf den (vergangenen) Geldunterhalt anzurechnen seien; für die Zukunft hingegen sei der Zuspruch eines aus Geld- und Naturalleistungen "gemischten Unterhalts" unzulässig. Die - zwar nicht generell zu bejahende - Anrechenbarkeit der Zahlungen des Unterhaltsverpflichteten für Wohnungskosten ist im vorliegenden Fall aus folgenden Überlegungen zu bejahen:

Solange die Mietrechte an der ehemaligen Ehewohnung dem unterhaltspflichtigen Beklagten zustanden, traf ihn gegenüber dem Vermieter die Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses; ein Übergang dieser Verpflichtung trat erst mit dem Vergleich vom 17.9.1992 ein, mit dem der Beklagte die alleinigen Mietrechte der Klägerin an dieser Wohnung anerkannte. Dementsprechend hat der Beklagte für die Zeit vor Übergang der Mietrechte zulässigerweise Naturalunterhalt geleistet, weil die Klägerin nicht die Rechtsstellung einer Mieterin erlangt hatte. Wenn auch für die Zeit nach Übergang der Mietrechte auf die Klägerin den Beklagten die Verpflichtung zur Leistung des Geldunterhalts ohne Abzug der nun von der Klägerin selbst zu tragenden Wohnungskosten traf, so ist hier jedoch davon auszugehen, daß die Klägerin die weiterhin vom Beklagten geleisteten Zahlungen dadurch akzeptiert hat, daß sie den auf sie entfallenden Betrag zwar dem Beklagten überwies, nach Rücküberweisung jedoch keine gerichtliche Hinterlegung (§ 1425 ABGB) vornahm.

Die unterhaltsberechtigte Klägerin muß sich somit grundsätzlich Wohnungskosten in angemessener Weise anrechnen lassen. Sie bestreitet auch nicht, daß dadurch ihre Unterhaltsbedürfnisse in einem Maß und in einer Art gedeckt sind, daß sie zur Bestreitung des vollständigen Unterhalts nur noch eines geringeren als des festgesetzten Geldbetrages bedarf (vgl EvBl 1993/161 mwN). Sie vertritt aber die Ansicht, er müsse die halben Stromkosten auch nach dem Zeitpunkt tragen, ab dem ihm mit einstweiliger Verfügung der Zutritt zur Wohnung verboten worden war. Dabei verkennt die Klägerin, daß es sich hiebei nicht um solche Kosten handelt, die zur Erhaltung einer Wohnung dienen und auch bei deren Nichtbenützung anfallen.

Das Argument der Klägerin, sie habe bei Beginn des Unterhaltsverfahrens nicht absehen können, ob sie auch weiterhin laufenden Unterhalt oder letztlich nur einen Unterhaltsrückstand begehren werde, ist nicht richtig; die Anrechnung von in der Vergangenheit tatsächlich erbrachten Leistungen für Wohnungskosten erfolgt hier ausschließlich auf Unterhaltsrückstände; eine Einschränkung um vorher mangels solcher Leistungen begehrte Unterhaltsteilbeträge hätte überdies keine nachteiligen Kostenfolgen.

Die Vorinstanzen haben somit zutreffend Leistungen des Beklagten für Wohnungskosten auf den von der Klägerin für die Vergangenheit begehrten Unterhalt angerechnet.

Der Revision der Klägerin ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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